Schön, reich und im Einklang mit sich selbst

Zwei Schwestern mit mysteriösem Sex-Appeal sind Japans neuster Pop-Export

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Es ist die James-Bond-Fantasie á la Japonaise: zwei gutgebaute, hochgewachsene, rassige Schwestern treten auf die Bühne des Showbusiness. Schwarzer, halbtransparenter Chiffon schmiegt sich an ihre Körper und lässt alles Begehrenswerte erahnen, gibt aber auf nichts den Blick frei. Fortan sind alle Augen auf sie gerichtet. Sie fliegen durch die Welt, haben One Night Stands mit internationalen Popstars, liegen in der untergehenden Sonne an der Copacabana und fahren mit Ölscheichs in der Limousine durch Dubai spazieren. Die Rede ist von den Kano-Schwestern, die Medienberichten zufolge nun zur globalen Marketing-Offensive ansetzen.

Auch in ihrer Jugend mussten sie den gehobenen Lebensstil nicht missen: Bereits zu High-School-Zeiten ließ sich Kyoko, die ältere der Kano Schwestern, von einem Chauffeur im Lincoln in der Schulpause zum Picknick kutschieren. Und von wohlhabenden, meist älteren Herrn haben beide regelmäßig Geschenke im Werte von jeweils einer Million Mark erhalten. Ein Leben im Luxus. Voller Sinnlichkeit und Selbstachtung. Das Leben der Kano-Schwestern bewegt die Gemüter, hält Japan in Atem. Vorallem aber lässt es die Menschen träumen. Ganze Magazinseiten werden von Journalisten mit Fantasie-Reportagen, Spekulationen, Ahnungen und Hoffnungen gefüllt.

Cover des zweiten Buches "Fabulous Body"

Sogar Zerwürfnisse werden herbeifantasiert, wie zuletzt im Weekly Playboy. Von Trennungszeremonien und Ritualen der Entwöhnung ist dann die Rede. Nichts ist normal an ihnen und deshalb scheint auch die oft vernommene Vermutung, sie seien gar nicht Schwestern, irgendwie auch dazu zu gehören.Typisch daran ist, dass niemand den Zweifeln wirklich nachgeht, kein Journalist in Japan es bisher gewagt hat, ernsthaft zu investigieren und Licht ins Dunkel zu bringen. Vielleicht aus Achtung vor diesen lebenden Skulpturen - ein jüngerer Artikel in der New York Times ist immerhin in der Kunst-Rubrik erschienen - die, wo immer sie auch auftauchen, für Geldsegen zu stehen scheinen. Hochachtung vor einem raffiniert inszenierten Mysterium, in dem alles bis aufs letzte kalkuliert zu sein scheint um eine außergewöhnliche Fiktion wahr werden zu lassen.

Neben clever durchkonzipierten, pressewirksamen Auftritten in der Öffentlichkeit und pointiert gestreuten Gerüchten, haben sie unter dem Titel "A Taste of Honey" auch ein Buch veröffentlicht - über ihr Leben, ihre Philosophie und ihre Träume. Nicht zuletzt wollen sie damit den Leuten in allen wichtigen Lebensfragen zur Seite stehen: gut schlafen, gesund essen, die richtigen Bücher lesen. In ihrem neusten Buch "Fabulous Body" darf man dann das Resultat auf Hochglanzfarbfotografien bewundern. Der Titel sagt alles. Und obwohl sie vor knapp vier Jahren in dem japanischen Frauenmagazin 25ans als Kosmetikberaterinnen angefangen haben und sich nun feierlich Lifestyle Consultants nennen, tun sie nichts außer sie selbst zu sein. Nach dem Mein-Hobby-ist-meine-Arbeit-Motto zu leben heißt für die beiden, das Leben in vollen Zügen zu genießen, sich lieben lassen und sich und ihren (physischen) Reichtum zur Schau zu stellen.

Damit werden Menschen - angeblich sollen die meisten ihrer Fans Frauen sein - in die sagenhafte Konjunktur der 80er Jahre, die so genannte Bubble-Economy- Phase, zurückversetzt. Es ist wie ein fleischgewordener Flashback, und das in Zeiten, die einfach keine Zeit zum Durchatmen lassen. Bekanntlich geht es Japan derzeit, gemessen an den Höhenflügen der Vergangenheit, äußerst dreckig. Doch knüpft das Erfolgs-Modell der Kano Schwestern auch auf einer anderen Ebene an 80er-Erinnerungen an. Wie Ameya Norimizu über das damalige Aufkommen des Onyaku Clubs sagt:

"Bis dahin war Popmusik immer eine Kopie von westlichen Stilen gewesen; man versuchte, wie die Amerikaner zu klingen. Der Onyaku Club implizierte ein bemerkenswertes Statement: Wir sind nicht gut und das ist okay. Dass man sie aus voller Kraft singen ließ, war wahrscheinlich besser, als die starken Sänger und Sängerinnen herauszubringen, die versuchten schwärzer als schwarz zu klingen."

1988 kam Chisako Morita mit The Anti-Ability Proclamation raus und hatte damit einen riesen Hit. Sie konnte nicht singen und es war okay. Es war die Matrix für die kommenden Idol-Generationen. Die Kano Schwestern verleihen diesem Anti-Ability-Konzept einen neuen Aspekt. Sie sind nicht einmal Teil einer herkömmlichen künstlerischen Performance bzw. einer als Kunst verkaufbaren Produktpalette. Sie sind einfach nur sie selbst, ohne bei der Selbst-Vermarktung von einer Talentagentur gesteuert zu werden. Selbst wenn eine dritte Schwester die beiden managen sollte, wie es hier und dort heißt, würde es ihre Selbstständigkeit keineswegs untergraben.

Nach außen stark und unabhängig, sexy und schön, drängen diese beiden Superbabes nun ins Ausland. Letztes Jahr auf der Eröffnungsparty der Filmfestspiele in Cannes mit großem Beifall bedacht, sollen sie nun Zeitungsberichten zufolge einen Vertrag mit der Marketing-Firma IMG abgeschlossen haben, um die globale Offensive zu starten. In Deutschland warten Jenny Elvers und Container-Alex auf sie. Aber das wäre wohl nicht ganz ihr gesellschaftliches Niveau. Um ihrem Image gerecht zu werden, müssten sie sich hier schon mit Prominenz umgeben, die den Geschmackssinn etwas mehr erfreut.Vor diesem Hintergrund und mit dem nötigen Schuss asiatischer Exotik könnte ihre Exibitionisten-Nummer durchaus auch hierzulande Anklang finden. Zumindest die Boulevard-Presse dürfte sich freuen.