Schöne neue Filmwelt: Bald Filme in "Feelaround" von Sony?

Ultraschallimpulse sollen beim Filmgenuss auch noch Geschmack und Geruch erzeugen

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Mehr als ein hochauflösendes Bild – womöglich noch in 3D – und Surround-Ton mit Tiefbass will man im Kino doch eigentlich nicht haben – oder? Doch die Wissenschaft arbeitet an weiteren Verfahren, mit denen geschmacklose Filme bald der Vergangenheit angehören könnten.

Es geht darum, Filme immer reeller werden zu lassen, oder? Man soll im Film aufgehen, in einer virtuellen Realität und glauben, man sei wirklich in der Filmszene?

Nein, nicht wirklich. Wäre ein Film wie das richtige Leben, so wäre er viel zu langweilig – eine solche Masse an Katastrophen oder Gags innerhalb von 90 Minuten wie in einem Film würde selbst ein absoluter Abenteurer im echten Leben nicht ertragen. Und außerdem fehlt da der Mann, der im Film den Protagonisten durch plötzlichen Geigenschrammeln klarmacht, dass es nun wirklich romantisch wird – oder dem unschuldigen Mädchen durch plötzliche dramatische Musik, dass sich gerade der Mörder mit dem Messer anschleicht. Aber komischerweise reagiert sie auf die Musik nicht und wird doch abgemeuchelt.

Wir sind das Anschwellen der Musik in entsprechenden Filmszenen schon so gewohnt, dass es zu völliger Desorientierung des Zuschauers führt, wenn in einem weniger ernst gemeinten Film plötzlich einer der Schauspieler aufsteht, als beim Küssen die Musik unerträglich laut wird und das Radio abdreht oder den Sender wechselt. Kein Wunder, wenn reale Knutschereien da nicht mehr mitkommen, wenn der Himmel dann nicht voller Geigen in Dolby Surround hängt. Auch wenn dafür natürlich weitere Gefühle dazukommen – neben Herzklopfen auch noch Geschmack, Geruch und taktile Gefühle – wenn sie ihm zärtlich über die Haut streicht oder weniger zärtlich in die Zunge beißt…

Die optimale Konvergenz der Produkte ist erreicht, wenn wir allein in fensterlosen Räumen sitzen, weil wir beliebige Realitäten mit Beamern und Force-Feedback um uns herum projizieren können.

Dr. Jürgen Rakow, Geschäftsführer Yakumo auf der CeBIT-Preview des HPC

Auf letzteres möchte man dann im Film vielleicht doch eher verzichten – ebenso wie auf den Duft der unbeabsichtigt abgegangenen Blähung der gerade vom Psychopathen mit einem Messer bedrohten Putzfrau. Andernfalls könnte man in Feelaround landen, wie es John Landis 1977 in Kentucky Fried Movie präsentierte und wo der Kinobesucher entsetzt gerade noch rechtzeitig aus dem Etablissement rennt, als ein Sexfilm angekündigt wird.

Dass die „Feelies“ – das gefühlsechte 3D-Kino mit taktilen Reizen, bei dem man wirklich spürbar auf dem Bärenfell vor dem Kamin landet – eigentlich eine abschreckende Zukunftsvision aus Brave New World von Aldous Huxley war, ist längst vergessen – die Unterhaltungsbranche würde es nur zu gerne einführen. Was dann allerdings passiert, wenn ein Film mit Kopierschutz ungehörigerweise dupliziert und die Raubkopie ohne weitere Schutzmaßnahmen angesehen wird, könnte weniger genussvoll werden. Vielleicht ist die Idee, die Raubzuschauer dann nicht nur optisch ins Gefängnis stecken zu können, sondern sie auch noch gleich virtuell auspeitschen zu können, einer der Gründe, dass die Filmbranche das „Gefühlskino“ gerne wiederbeleben möchte.

Grusel der 70er: Geruchskino mit Pappkarten

Das harmlosere – weil vom Zuschauer durch Nichtbenutzen der Utensilien kontrollierbare – Geruchskino derselben Ära, bei dem man kleine Pappkärtchen mit nummerierten Feldern zum Film gereicht bekam, an denen man in den entsprechenden Filmszenen rubbeln und dann schnuppern musste, konnte sich ebenfalls nicht durchsetzen: Die Zuschauer rubbeln beim Filmegucken nicht gerne an Pappe und ersparten sich außerdem die unangenehmen Gerüche, indem sie erst einmal abwarteten, ob der Nachbar Würgelaute von sich gab, bevor sie selbst tief einatmeten. Seitdem tauchten „Geruchskinos“ eigentlich nur alljährlich in den Meldungen zum 1. April auf. Bis jetzt.

Doch nun meldet der New Scientist ein neues, von Sony patentiertes System, bei dem auf den Kopf abgeschossene Ultraschallwellen im Gehirn bewegte Bilder, Töne, aber eben auch Gerüche, Geschmack und taktile Eindrücke auslösen sollen. Damit könnten beispielsweise Blinde endlich sehen. Das wurde auch schon mit Elektrizität und Magnetfeldern versucht, doch ließen diese sich nicht so gezielt auf einzelne Gehirnregionen konzentrieren.

Vom Frosch zum Menschen

Sony weigerte sich jedoch, dem New Scientist ein Interview mit dem in San Diego in Kalifonien sitzenden Erfinder zu gestatten. Der Neurowissenschaftler Niels Birbaumer von der Universität Tübingen, der selbst bereits umgekehrt Geräte entwickelt hat, die von Menschen direkt durch ihre Gehirnwellen gesteuert werden können, hält das Konzept allerdings durchaus für plausibel. In der Tat hat es eine wissenschaftliche Grundlage: So ist es dem Wissenschaftler Richard Mihran von der Universität von Colorado gelungen, in Fortsetzung der einstigen Elektro-Experimente von Galvani mit Froschschenkeln die Erregbarkeit der Nerven im Bein eines Frosches per Ultraschall zu beeinflussen.

Der Forscher äußerte allerdings Bedenken, ob die Methode auf lange Sicht sicher sei – sehr verständlich, denn starker Ultraschall tut, auch wenn er für den Menschen nicht hörbar ist, dem Gehör nicht gut und kann auch das Gehirn beschädigen. Und obwohl Sony seit 2000 eine ganze Serie von Patenten in dieser Angelegenheit eingereicht hat, wiegelt man nun ab:

Es gab noch kein einziges Experiment. Dieses spezielle Patent ist eine rein hypothetische Erfindung. Sie beruht allein auf einer Eingebung, dass dies eines Tages die Richtung sein könnte, in die die Technologie uns führen wird.

Elizabeth Boukis, Pressesprecherin Sony Electronics