Schonfrist für Petry

Frauke Petry auf dem Parteitag im April. 2017-04-23_AfD_Bundesparteitag_in_K%C3%B6ln_-56.jpg:Bild: Olaf Kosinsky/CC BY-SA-3.0 de

Kreisverband verhindert Blamage für Parteichefin der AfD. Unterdessen erodiert der Flügelstreit die Partei weiter

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Ihren Kritikern in der Alternative für Deutschland (AfD) ist es am Sonntag nicht gelungen, Frauke Petry eine schmerzhafte Niederlage zuzufügen. Zwar wird die Parteichefin, abgesichert über den ersten Platz auf der sächsischen Landesliste, bei der Wahl im September mit hoher Wahrscheinlichkeit in den Bundestag gewählt. Eine Direktkandidatur im AfD-Kreisverband Sächsische Schweiz-Osterzgebirge hätten jedoch Vertreter des ultrarechten Höcke-Flügels ihr gerne streitig gemacht und somit im Zuge der Flügelkämpfe ein deutliches Signal über die Schwäche der Chefin ausgesendet.

Dessen ungeachtet stellte sich ein Teil der Basis im besagten AfD-Kreisverband am Sonntag sozusagen an die Seite der AfD-Bundesvorsitzenden. Der Parteitag der AfD-Gliederung stimmte in Dohna gegen einen Antrag, Petry als Direktkandidatin für die Bundestagswahl abzuwählen. Die Entscheidung fiel mit 19 Stimmen für und 33 gegen den Antrag. Zuvor war Petry vorgeworfen worden, die Partei spalten zu wollen, über die Rechtmäßigkeit des Parteitages gab es harsche Debatten.

Kritiker warfen Petry unter anderem vor den Thüringer Björn Höcke oder den ähnlich weit rechtsaußen stehenden Dresdner Richter Jens Maier ausschließen und die Partei spalten zu wollen (Petry will keine Spitzenkandidatin (mehr) werden). Auf dem Parteitag in Köln hatten sie und ihr Ehemann, der nordrhein-westfälische AfD-Landeschef Marcus Pretzell, einige Blamagen und Demütigungen durch Parteifreunde einstecken müssen (Parteitag der AfD: "Mir all sin Kölle").

Darüber hinaus dürften die gegen Petry laufenden Meineidsermittlungen einen Wahlkampf erschweren. Petry selbst war nicht in Dohna anwesend. Im November 2016 war sie noch mit 92 Prozent Zustimmung von dem besagten AfD-Kreisverband als Direktkandidatin nominiert worden. Angesichts des nunmehr nicht mehr so deutlichen Votums von rund 63 Prozent Zustimmung für Petry befand die taz, die im Bundesvorstand wegen ihrer Alleingänge weitestgehend isolierte Parteichefin "wankt weiter".

Auch wenn sich die AfD angesichts der massiven linksextremen Ausschreitungen in Hamburg im Umfeld des G20-Gipfels unterdessen propagandistisch wieder berappen kann, so musste sie in den Tagen vor dem Gipfel einige Schläge und eine Erosion hinnehmen. Angesichts der Diskussion über immer mehr Mitglieder, Mitarbeiter und Funktionäre, die bisweilen eine rechtsextreme Vergangenheit haben, warfen Vertreter des sich bürgerlich und liberal-konservativ sehenden Flügels das Handtuch.

"Da sitzen nicht nur 'übliche Rechtsradikale', sondern sogar Neonazis mit drin"

Anfang Juli war es in Niedersachsen zum Streit bei der AfD-Jugend "Junge Alternative" (JA) gekommen, weil man sich unter anderem nicht darüber einigen konnte, wie man zu der vom Verfassungsschutz beobachteten, rechtsextremen "Identitäten Bewegung" (IB) stehen soll. Laut Mutterpartei gibt es einen Abgrenzungsbeschluss. Zwei JA-Funktionäre traten mit der Begründung zurück, dass der niedersächsische Landesverband zu einem Sammelbecken für "Mitglieder des rechtsextremen Spektrums" geworden sei.

Der Göttinger Lars Steinke war mit knapper Mehrheit zum Landesvorsitzenden der Jungen Alternative (JA) Niedersachsen gewählt worden. Binnen weniger Stunden führte das zu 21 Austritten, darunter auch die der Vorsitzenden der JA-Bezirksverbände Hannover und Lüneburg, Sven Larres und Mario Olsson. Larres schrieb in seiner Erklärung laut "Göttinger Tageblatt": "Da sitzen nicht nur 'übliche Rechtsradikale', sondern sogar Neonazis mit drin."

Olsson hat in seiner Stellungnahme, die Telepolis vorliegt, harsche Kritik an Steinke geübt, gegen den "aufgrund gemeinsamer Auftritte und organisierter Demos mit dem rechtsextremen Freundeskreis Thüringen / Niedersachsen" ein Ausschlussverfahren laufe. Vertretern des Bezirks Braunschweig warf Olsson das Zeigen eines Hitler-Grußes, das Posten verbotener und grenzwertiger Symbole oder Parolen aus dem rechten Spektrum sowie das Recyceln von "NPD-Slogans" vor. Jemand habe sogar über die "Endlösung für die Musels" diskutieren wollen. Eine Beobachtung der JA durch den Verfassungsschutz sei angesichts dessen "unvermeidbar", die JA werde "zum Sammelbecken für politische Autisten und Mitglieder des rechtsextremen Spektrums", so Olsson. Der Fachdienst "Blick nach rechts" wies indes darauf hin, dass der junge Funktionär früher auch grenzwertige Postings abgesetzt haben soll.

JA-Landeschef Steinke erklärte sich alsbald. Das "Göttinger Tageblatt" zitierte aus einer Stellungnahme, wonach eine Zusammenarbeit mit dem "Thüringer 'Freundeskreis' und der Identitären Bewegung […] vollkommen erdacht" sei. Eine Nähe zur IB habe es gegeben, als es den AfD-Unvereinbarkeitsbeschluss noch nicht gegeben habe, so Steinke. Beim rechtsextremen "Freundeskreis" will er laut dieser Zitate aus dem "Tageblatt" zwar als Anmelder und Redner bei Versammlungen fungiert, sich aber inzwischen davon distanziert haben. Seinerzeit habe es die heutige "Radikalisierung" des "Freundeskreises" noch nicht gegeben, so Steinke.

Im Endeffekt folgt er mit diesen Verlautbarungen einer Strategie, die die nunmehr ehemalige thüringische Vizechefin Steffi Brönner dem ultrarechten Parteiflügel um Höcke vorwirft. Sie schrieb in ihrer Stellungnahme, warum sie die Partei nicht verlasse, wohl aber als stellvertretende Landeschefin abtritt, dass in der ‪AfD‬ die "lauten Vertreter des Flügels […] die Täterrolle in die Opferrolle um[kehren]."

Dem Mitarbeiter von Höcke, der sich seine ideologische Sporen bei der äußerst weit rechtsaußen stehenden "Marburger Burschenschaft Germania" verdiente, Torben Braga, warf Brönner angedeutet vor, "auf Grund von Kontakten in seiner Vergangenheit und ehemaligen Mitgliedschaften eventuell weniger Probleme mit den Personen um ein Rechtsrock-Konzert" zu haben. "Ungeheuerlich" nannte sie die Beschäftigung einer umstrittenen Person bei der AfD-Fraktion. "Die Vergangenheit dieser Personalie ist für jeden konservativen, bürgerlich-liberal denkenden Demokraten im Hinblick auf Zusammenarbeit ein absolutes Ausschlusskriterium." Dem Fraktionsmitarbeiter wurden Verbindungen in die Neonazi-Szene und zur Wiking-Jugend nachgesagt.