Schwarzer Montag, Schwarzer Dienstag, schwarzer ….

Alle Rettungsmaßnahmen schaffen es bislang nicht, die Finanzmärkte zu stabilisieren, wobei die Maßnahmen zum Teil auch immer skurriler werden

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Die Rettungsaktionen weltweit schaffen es nicht mehr, die Börsen zu beruhigen. Das zeigte sich schon bei der Verabschiedung des Rettungspakets in den USA, nach der nicht die erwartete Beruhigung an den Börsen eintrat. Stattdessen ist die Panik inzwischen chronisch geworden. Wegen dramatischer Kurseinbrüche wurde der Handel heute an mehreren Börsen ausgesetzt. Während mit Island das erste Land vor einem Staatsbankrott steht, werden in Großbritannien die angeschlagenen Banken teilverstaatlicht. Ein Rettungspaket mit einem Volumen von 500 Milliarden Pfund wird geschnürt. In Spanien appelliert die Regierung an die Geldwäscher, das Schwarzgeld in den Geldkreislauf zu bringen, um Liquidität herzustellen. In einer konzertierten Aktion haben sechs Notenbanken die Leitzinsen nun überraschend gesenkt und damit die Kursverluste zunächst begrenzt.

Die negativen Vorgaben haben heute erneut dafür gesorgt, dass die europäischen Aktienmärkte einbrachen. Der wichtigste deutsche Börsenindex DAX rutschte in Frankfurt zeitweise sogar noch unter die Marke von 4900 Punkten, damit erreichte der Dax den tiefsten Stand seit drei Jahren Die Verluste zogen sich durch alle Branchen und über alle Börsenplätze. Die Börsen folgten damit dem dramatischen Absturz in Tokio. Der Nikkei-Index fiel um mehr als 9,4 Prozent oder 952 Punkte auf 9203 Zähler. Damit fiel er auf den tiefsten Schlussstand seit fünf Jahren und es wurde der höchste Tagesverlust seit mehr als 20 Jahren verzeichnet. Wegen der dramatischen Kurseinbrüche wurde der Handel an mehreren Börsen ausgesetzt, darunter waren Frankreich, Russland und Indonesien.

An dem Absturz der Börsen hatten auch die neuen Finanzspritzen und Rettungsaktionen und Zusagen nichts geändert. Nach einem Treffen der EU-Finanzminister am Dienstag in Luxemburg hatten die sich die 27 Finanzminister nach eigenen Angaben auf Richtlinien geeinigt, die zur Rettung angeschlagener Finanzinstitute angewendet werden sollen. Der Rat für Wirtschaft und Finanzen (Ecofin) beschloss, Finanzinstitutionen, die durch eine Schieflage systemische Risiken hervorrufen könnten, zu stützen. Das ist in der derzeitigen Lage die schwammigste möglichste Formulierung und sie lässt jedem Land genug Spielraum für Alleingänge. Dafür beschlossen die EU-Finanminister eine Garantie für Spareinlagen bis mindestens 50.000 Euro.

Eine europäische Lösung lehnte Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) weiter ab. „Wir wollen in Deutschland die Kontrolle und Zugriffsmöglichkeiten haben, wenn wir mit Haushaltsmitteln, also auch mit Steuergeldern, in einer Bürgschaftsposition stehen“, stellte der Finanzminister klar. Dem pflichtete auch die Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in ihrer Regierungserklärung bei. Sie betonte die Notwendigkeit eines gemeinsamen und kohärenten Vorgehens in der Europäischen Union. Doch mit dem Alleingang mit der Komplettgarantie für private Spareinlagen hatte sie den Mitgliedsländern erst am Sonntag massiv vor den Kopf gestoßen (Auch Europa versucht, seine Banken zu retten). In einem europäischen Binnenmarkt stelle sich in dieser Situation die Frage, wie nationale Aktionen mit europäischen zu verzahnen seien, sagte Merkel. „Darauf müssen wir uns in Europa verlassen können“, sagte sie, nachdem sich Europa gerade auf die Deutschen nicht verlassen konnte.

Britische Regierung plant Rettungspaket in Höhe von 640 Milliarden Euro

Angesichts der panischen Aktivitäten ist es wenig verwunderlich, wenn die Lage immer dramatischer wird und alle die, die noch in den letzten Tagen als Optimisten auftraten, vom Parkett verschwunden sind. Immer neue Rettungsaktionen bestimmen nun das Bild. Nachdem die britische Regierung schon Northern Rock und Bradford & Bingley verstaatlicht hatte, um deren Pleite abzuwenden, holte Premier Gordon Brown nun zum großen Schlag aus. Das geplante Rettungspaket soll einen Umfang von 500 Milliarden Pfund (640 Milliarden Euro) haben. 250 Milliarden sollen als Garantie für neu ausgegebene mittelfristige Bankanleihen dienen.

200 Milliarden soll die Bank of England (BoE) zusätzlich bereitstellen. Damit können illiquide Papiere, wie etwa hypothekenbesicherte Anleihen, bei der BoE gegen Staatspapiere eingetauscht werden und so frisches Geld erhalten. 50 Milliarden Pfund sollen in die angeschlagenen Banken fließen. Damit will die Regierung Teile am Aktienvermögen der größten britischen Finanzinstitute erwerben, womit auch die teilverstaatlicht würden. Darunter sind auch die Banken Barclays, HSBC, Abbey und Lloyds. Der Nationalbank sollen darüber hinaus 200 Milliarden Pfund zur kurzfristigen Kreditvergabe an Geldhäuser und Firmen zur Verfügung gestellt werden.

In einer Pressekonferenz sprach Premierminister Gordon Brown von „radikalen Eingriffen". Er betonte den Unterschied zum Rettungspaket der US-Regierung. Großbritannien werde nicht wie die USA faule Kredite aufkaufen. Durch den Erwerb von Vorzugsaktien seien die Interessen des britischen Steuerzahlers geschützt, so Brown weiter. Es handelt sich dabei lediglich um ein Angebot der Regierung, das nicht in Anspruch genommen werden muss. Nehmen sie die Offerte der Regierung an, sichert sich der Staat ein Mitspracherecht bei der Dividendenpolitik und der Entlohnung des Managements. HSBC teilte derweil mit, das Angebot abzulehnen.

Finanzminister Alistair Darling erklärte, man müsse auf außergewöhnliche Umstände reagieren. Eine schnelle Erholung sei aber nicht in Sicht, sondern es handele sich um eine Restrukturierung. Er unterstrich, es gehe „absolut nicht“ darum, die Kontrolle über die Banken zu übernehmen, sondern mit der Rekapitalisierung des britischen Bankensystems werde eine notwendige Voraussetzung zur Wiederherstellung des Vertrauens in das Finanzsystem geschaffen. Schon bisher hatten die Verstaatlichungen die Regierung 160 Milliarden Pfund gekostet. Mit den neunen Maßnahmen wird gerechnet, dass sich die Staatsverschuldung auf bis zu 7 % des Bruttoinlandsprodukts erhöht, weit entfernt von den 3 %, die der EU-Stabilitätspakt zulässt.

Island vor dem Staatsbankrott

Dass sich die Lage dramatisch zugespitzt hat, zeigt der Link auf /tp/blogs/8/117049. Das Land kämpft inzwischen mit einem Staatsbankrott. Zuvor hatte die Finanzaufsicht des Landes am Dienstag in Reykjavik die vollständige Kontrolle über die zweitgrößte Bank übernommen. Im Fall der Landsbanki wurde ein Gesetz angewandt, dass erst wenige Stunden zuvor vom Parlament in einem Eilverfahren verabschiedet wurde. Damit soll der vollständige Finanzkollaps des Bankenwesens und ein Staatsbankrott abgewendet werden. Der isländische Ministerpräsident Geir Haarde warnte in einer TV-Ansprache die 300.000 Einwohner vor einer „sehr reellen Gefahr“ eines nationalen Bankrotts.

Die schwedische Nationalbank hat dem größten isländischen Geldhaus inzwischen einen Kredit über umgerechnet 516 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Das kleine Land hofft aber auf Rettung aus Russland. Im Gespräch sind Kredite in einer Höhe von vier Milliarden Euro. Russland wird der Kreditanfrage sehr wahrscheinlich zustimmen. „Island ist für seine strenge Haushaltsdisziplin bekannt. Wir blicken seiner Kreditanfrage positiv entgegen", sagte Finanzminister Alexej Kudrin in Moskau.

Notenbanken senken die Zinsen, um die Börsen zu beruhigen

Das letzte Pulver verschießen nun auch die Notenbanken. Sechs der führenden Notenbanken sind mit einer gemeinsamen Zinssenkung den Turbulenzen entgegen getreten. Die Europäische Zentralbank (EZB), die US-Notenbank (FED), die Bank of England (BoE) aber auch die Notenbanken Kanadas, Schwedens und der Schweiz senkten in einer in einer konzertierten Aktion die Leitzinsen. Die EZB senkte den Leitzins um 0,5 % auf nun 3,75 %. Die FED reduzierte ebenfalls um 0,5 % auf nur noch 1,5 Prozent, die BoE kappte den Leitzins um 0,5 % auf noch 4,5 %.

Noch auf der Sitzung am vergangenen Donnerstag hatte EZB-Präsident Jean-Claude Trichet den Zins wegen anhaltender Inflationsneigung konstant gehalten. Nun ist klar, dass die Steuerzahler auch über die Inflation noch stärker für die Finanzkrise zur Kasse gebeten werden. Trotz Finanzkrise hatte Trichet den Leitzins noch im Juli sogar erhöht, um der hohen Inflation zu begegnen.

Mit den niedrigeren Zinsen verbilligen sich Kredite für Unternehmen und für die Verbraucher theoretisch und können somit die Wirtschaft ankurbeln. Das ist eine allgemeine Lehrmeinung, die sich aber im letzten Jahr in den USA nicht bewahrheiten ließ, wo die Zinsen in insgesamt acht Schritten gesenkt wurden. Eine derartige konzertierte Zinssenkung ist eine sehr außergewöhnliche Aktion, zu der nur in besonders großen Krisen zurückgegriffen wird.

Vergessen wird bei all den Aktivitäten ein wesentlicher Aspekt, an dem die Maßnahmen völlig vorbeigehen und auch die Leitzinssenkungen nichts oder nur wenig ändern. Ein wesentlicher Auslöser der Finanzkrise waren die variablen Immobilienzinsen. Mit dem Anstieg der Zinsen wurden zahllose Familien in die Zahlungsunfähigkeit getrieben, sie mussten ihre Häuser verkaufen, die Preise der Immobilien fielen, die Kredite anderer waren nicht mehr gedeckt, weshalb die gesamte Negativspirale mit all ihren Auswirkungen in Gang gesetzt wurde, wie lange zuvor vorherzusehen war (Spekulationsblase in den USA platzt).

Geldwäscher, Schwarzgeldbesitzer und Drogendealer sollen zur Krisenbewältigung beitragen

Ein besonderes Beispiel ist hier Spanien, wo praktisch alle Immobilienkredite im Bauboom variabel vergeben wurden. Jährlich wird die Zinslast angepasst. Der Zinssatz ist nicht an den EZB-Leitzins geknüpft, weshalb die Familien von der jetzigen Zinssenkung nichts haben. Ganz im Gegenteil, er ist an den Euribor geknüpft, der Zinssatz, zu dem sich Banken untereinander Geld ausleihen. Der hat sich in den letzten drei Jahren fast verdreifacht, besonders im letzten Jahr stieg er dramatisch an, weil das Vertrauen im Keller ist. Da das Vertrauen weiter sinkt, steigt der Euribor weiter und würgt immer mehr Familien ab.

Doch an diesem absurden System, das den Banken bisher riesige risikolose und dauerhafte Gewinne gesichert hat und die Risiken voll auf die Verbraucher abwälzt, setzt niemand die Axt an. Die Regierung hat das Problem mit Kreditstreckung sogar noch weiter verschlimmert. In ihrer ganzen Hilflosigkeit appellierte sie nun sogar an das organisierte Verbrechen, für Liquidität im Markt zu sorgen. Die Geldwäscher, Schwarzgeldbesitzer und Drogendealer, die das Geld in 500-Euro-Scheinen horten, sollen angeblich Möglichkeiten erhalten, das Geld legal in Umlauf zu bringen.

Beim Rekord im vergangenen Jahr konzentrierten sich fast 70 % aller 500-Euro-Scheine in Spanien Spanien - Paradies für Geldwäscher?). Einst wurde das Land bei der Einführung des Euro mit 13 Millionen 500ern ausgestattet, also hat sich die Zahl in fünf Jahren fast verzehnfacht. Derzeit geht die Zentralbank davon aus, dass sich im Land noch 108 Millionen Scheine befinden, das sind 54 Milliarden Euro. Mit ihnen könnte tatsächlich, allerdings mit einem zweifelhaften Signal, Liquidität hergestellt werden.