Schweden: Beschädigte Moscheen, beschädigte Gesellschaft

Auch in Schweden gibt es neben den Schwedendemokraten mittlerweile Pegida, die antiislamische Stimmung wächst

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Eine "landesweite Strategie gegen Islamophobie" hat Alice Bah Kuhnke, Schwedens Kultur- und Demokratieministerin, am Freitag vor über 600 Menschen in Stockholm versprochen, die gegen die Angriffe auf Schwedens Moscheen protestierten. http:// Auf drei Moscheen wurden in Schweden seit dem 25. Dezember von Unbekannten Brandanschläge verübt. Bei dem ersten Anschlag in Ekilstuna bei Stockholm trugen fünf Menschen Verletzungen davon. Außer antiislamischen Schmierereien hat es kein Bekennerschreiben gegeben.

Architektonische Nähe zwischen der Katerinenkirche und dem Minarett der Stockholm-Moschee. Bild: Poxnar/gemeinfrei

Mats Löfving, Schwedens oberster Polizist, erklärte gegenüber den schwedischen Medien, dass es sich um "eine durchdachte und geplante Attacke" handeln könne. Nun sollen die Moscheen des Landes polizeilich überwacht werden.

Die schwedische Polizei und die "Sicherheitspolizei" (Säpo), eine Art Verfassungsschutz, haben derzeit das Umfeld der schwedischen Neonazigruppierung "Schwedische Widerstandsbewegung" im Visier. Die Organisation will über eine Revolution an die Macht kommen und definiert Schweden als Rasse.

"In Schweden soll niemand Angst haben, seine Religion auszuüben", so der sozialdemokratische Premierminister Stefan Löfven, der die Tat scharf verurteilte. Die Attacken haben in Schweden, das für seine liberale Flüchtlingspolitik bekannt ist, ein großes Echo hinterlassen. Mit Hunderten von Papierherzen wurden die Moscheeneingänge bedacht.

Am Freitag haben in den drei großen Städten Stockholm, Malmö und Göterborg Solidaritätskundgebungen stattgefunden, 30 Organisationen haben sich unter dem Motto "Rühr' meine Moschee nicht an" zusammen gefunden.

Kuhnke, die einen gambischen Vater hat, berichtete über Rassismus in Südschweden, wo sie aufwuchs. Dabei erzählte sie, wie sie als zehnjährige von einem rassistischen Anrufer bedroht wurde. "Ich bekam große Angst und wurde aus der Bullerbü-Kindheit in eine andere Wirklichkeit befördert. In meine Wirklichkeit." Besagte Strategie gegen Islamophobie will die 42-Jährige ab dem 2. Februar mit den muslimischen Organisationen ausarbeiten.

Antiislamische Stimmung wächst in Schweden

Islamverbände beklagen schon lange Islamfeindlichkeit in Schweden. Schon 13 Moscheen wurden im letzten Jahr angegriffen, 44 Prozent erhielten Drohungen, 66 Prozent Beschädigungen, die beiden letzten Zahlen sind Erhebungen der muslimischen Gruppen. Nach Aussagen von Muslimen habe sich die Feindseligkeit der Schweden gegenüber Muslimen verschlimmert. Die letzte Umfrage belegt, dass 50 Prozent der Schweden ein negatives Bild vom Islam haben.

Still verhalten sich derzeit die Islamkritiker - die Vertreter der Partei "Die Schwedendemokraten". Die Partei, die eine Begrenzung der Einwanderung fordert, warnt gleichzeitig vor einer Islamisierung des Landes. Mit 13 Prozent der Stimmen wurde sie bei den schwedischen Reichstagswahlen die drittstärkste Kraft, mit der niemand koalieren will. Sie gibt sich betont bürgerlich, hat aber einen nationalistischen Anfang in den späten Siebzigern, auch sorgen immer wieder ausländerfeindliche Statements für das rechtspopulistische Image.

Anfang Dezember hat sie mit ihrem Abstimmungsverhalten die rotgrüne Minderheitsregierung zum Ausrufen von Neuwahlen bewegt, was Löfven in der vorletzten Woche wieder zurück nahm (Rechtsruck in Schweden). Zu groß war wohl die Angst vor einem erneuten Zuwachs der Rechtspartei. Denn die Anzahl der Flüchtlinge wächst.

Aufgrund der Situation im Irak und in Syrien werde in diesem Jahr mit 95.000 Flüchtlingen gerechnet, so das Migrationswerk. Die schwedische Behörde wurde im Dezember deswegen um 1000 Mitarbeiter vergrößert. Viele Gemeinden kommen jedoch mit der Aufnahme der Flüchtlinge nicht mehr zurecht. Erst am Freitag ging ein Hungerstreik von 30 syrischen Migranten in einem Reisebus bei Östersund zu Ende, die für eine bessere Unterbringung kämpften.

Zudem sorgen Stadtteile mit hohem Migrantenanteil für negative Schlagzeilen, wie Rosengard in Malmö, wo im Dezember mehrere Sprengladungen hoch gingen. Im angrenzenden Stadtteil Almgarden, ehemals klar sozialdemokratisch, haben die Schwedendemokraten mit über 40 Prozent Zustimmung bei den Europawahlen ihre treuesten Fans. Oft müssen Zeitungen ihre Kommentarteile schließen, da sie mit dem Redigieren der islamfeindlichen Texte nicht nachkommen. Aus Sicht der Kritiker wirkt dies wiederum als Beleg für die Islamisierung des Landes.

Eine genaue Erhebung über den Anteil der Muslime in Schweden gibt es nicht. Knapp eine halbe Million Menschen des Landes mit 9,5 Millionen Einwohner haben Wurzeln in islamischen Ländern, dazu gehören jedoch auch viele christliche Syrer und Iraker.

Regierung will die Konservativen gegen die Schwedendemokraten ins Boot holen

Vertreten sind die Muslime in der schwedischen Öffentlichkeit durchaus, auch als Minister. So ist Mehmat Kaplan, der der derzeitige Minister für Stadtentwicklung, Muslim. Zuvor war er Vorsitzender der "Jungen Muslime", eine Organisation, die auch schon mal radikale Islamisten einlade, was Nalin Pekgul, die ebenfalls muslimische ehemalige Vorsitzende des Frauenverbundes der Sozialdemokraten, bemängelte.

Konsens der islamkritischen Strömungen im einwanderungsfreundlichen Schweden ist das Bewusstsein, vieles offen nicht sagen zu dürfen, eine Analogie zur Pegida-Bewegung. Seit über einer Woche gibt es auch "Pegida Sverige", zumindest auf Facebook mit über 4000 Likes, jedoch ohne Demo-Ankündigung. Als Initiator wirkt der ehemalige Galerist Henrik Rönnguist aus Malmö, der bereits wegen "Hassvergehen" verurteilt wurde. Die Schwedendemokraten-Zeitung "Samtiden" hat sie bereits wohlwollend auf dem Schirm.

Aus dem linken Milieu und von liberalen Journalisten wird den Schwedendemokraten eine Schuld an den Moscheebränden zugeschrieben, die Vertreter anderer Parteien halten sich mit solchen Vorhaltungen zurück.

Um den Schwedendemokraten den Wind aus den Segeln zu nehmen, will Löfven die Allianz mit ins Boot nehmen, das Bündnis der vier konservativen und liberalen Parteien, die von 2006 bis 2014 das Land regierten und eine ebenso liberale Migrationspolitik betrieben. Mit einer gemeinsam getragenen Flüchtlings- und Integrationspolitik würden dann nur noch die Schwedendemokraten in der Opposition bleiben.

Doch die Konservativen wollen ihren eigenen Weg gehen. "Die Sozialdemokraten haben keine Integrationspolitik, darum fällt es uns schwer zu erkennen, was Löfven meint oder will", sagte eine Sprecherin der Moderaten. Eine für schwedische Verhältnisse harsche Abfuhr. Sollten Löfvens Kooperationsangebote weiterhin geblockt werden, so könnten erneut Neuwahlen anstehen. Wie dann die Schwedendemokraten nach den Moscheebränden abschneiden, lässt sich noch nicht absehen.