Schweine im Weltraum

Algennnahrung, Steaks und das nationale Raketenverteidigungsschild

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Die Chinesen, las ich in irgendeiner Zeitung, irgendwo unten auf Seite 14, hätten ein paar Schweine in den Weltraum geschickt. Ausgerechnet Schweine, dachte ich. Darüber konnte ich nur lachen. Den dazu passenden Song hatte die Neue Deutsche Welle doch schon vor 20 Jahren mit dem Hit "Schweine im Weltall" geliefert.

Aber was hatten sich die Chinesen nur dabei gedacht? Hatten Sie wirklich so wenig Ahnung von PR? Wussten sie denn nicht, dass Journalisten auf der ganzen Welt an chronischem Geldmangel leiden? Und dass sie deshalb gezwungen sind, immer wieder in China-Restaurants zu gehen - und SCHWEINEFLEISCH zu essen?

Bei einem Fehlschlag des Projekts würden also alle Journalisten in allen Redaktionen der Welt über die chinesische Raumfahrt herfallen, um endlich alle kulinarischen Kalauer loszuwerden, die sie in ihrem langen Berufsleben heruntergeschluckt hatten: "Fry Me to the Moon", "Chinese Pork Wontons Turn Sour, Not Sweet In Outer Space", und so weiter.

Und dass die Sache schief gehen würde, war eigentlich abzusehen. Wer erinnert sich nicht an die Geschichte mit dem australischen Schweinetransport im Düsenflugzeug? Die verängstigten Tiere furzten so viel Methan in die Luft, dass der Feueralarm hochging, und den automatischen Brandlöscher einschaltete – womit dann den armen Schweinen der Sauerstoff in der Atemluft abgedreht wurde.

Schweine sind keine besonders geeigneten Tiere für den Weltraum. Und wie steht es mit der anderen kulinarischen Präferenz der Chinesen? Nein, ich meine nicht die Katzen, sondern Hunde. Denken Sie an die russische Hündin Laika – auch sie stand unter keinem guten Stern. Und das Schicksal der NASA-Schimpansen war ebenfalls nicht sonderlich heiter. Keiner von ihnen ist jemals geflogen. Sie saßen ihr Leben lang nur in kleinen Käfigen herum und warteten auf die nächste Rakete.

Dabei ist die Liste der Tiere, die man in Laboratorien halten oder zum Mond schießen könnte, durchaus lang. Aber nur wenige von ihnen sind wirklich ideal. Vampirfledermäuse zum Beispiel ernähren sich ausschließlich von Blut. Das macht ihre Haltung etwas problematisch.

Die meisten Tiere sind einfach zu groß. Das gilt auch für Schweine. Aber natürlich, dachte ich, haben die Chinesen deshalb Schweine genommen, weil sie den Menschen so ähnlich sind. Deswegen züchten wir ja menschliche Nieren auf Schweinen. Andererseits – warum so feinfühlig? Warum ein Schwein nehmen, wenn es ein Mensch auch täte? An passenden Kandidaten herrscht in China kein Mangel.

Allein die Mitglieder der Falun Gong-Sekte bieten ein Reservoir von mehreren Millionen. Selbstverständlich verbietet ein humanistisches Ideal das Experiment am lebenden Menschen. Doch hier geht es gar nicht um Experimente. Hier geht es einfach nur ums Töten. Und Todeskandidaten gibt es in China jede Menge.

Der Handel mit intakten menschlichen Organen ist ein wichtiger Exportposten der Volksrepublik. An Hongkonger Kliniken kann man alles kaufen - ohne große Wartezeiten. Ein neues Herz? Wird geliefert. Dann geht der Schuss ins Gehirn. Ein neues Auge? Kein Problem. Dann zielt man eben nicht auf den Kopf. Warum also könnte man nicht einen Dissidenten in den Weltraum schießen, statt ins Herz? Wer sollte sich darüber aufregen? Die Human Rights-Situation in China ist schließlich allgemein bekannt, und trotzdem blüht der Handel.

Nicht einmal der Präsident der USA hätte etwas dagegen einzuwenden. Er befürwortet ja gerade die Todesstrafe. Vielleicht könnte man ihn sogar für ein gemeinsames Chinesisch-Amerikanisches Raumfahrtsprogramm erwärmen? Oder sollte man sagen: eine Art Himmelfahrts-Kommando?

Jedenfalls betrachten Amerika und China den Weltraum bereits heute durch eine ähnliche Brille. "Vision for 2020" heißt ein Bericht des US Space Command aus dem Jahr 1996. Auf dem Cover sieht man einen Laserstrahl, der aus dem Weltraum auf ein irdisches Objekt niederfährt. Und die vorgesehene Space Command-Uniform trägt das Abzeichen: "Master of Space".

Auch die Chinesen wollen bis 2020 im Weltraum Fuß gefasst haben. Allerdings haben sie dabei ganz andere kulinarische Vorstellungen. Eine Kolonie von Yuhangyuan – "Astronauten" – sollen dann als Selbstversorger eine Mondkolonie bewohnen. Ihr Haupernährungsmittel: Algen! Das ist ein abstoßender Gedanke, besonders für eingefleischte Amerikaner. Kein Steak, kein Ketchup, und dann müssten sie dieses Gemüse womöglich auch noch mit Stäbchen essen.

Um dieser Horrorvision zuvor zu kommen, spielte man im Pentagon eben einmal kurz eine Computersimulation durch: Konflikt USA-China im Jahr 2017. China hat Taiwan bedroht, die USA kommen ihrem Verbündeten zu Hilfe. Nach fünf Tagen Spieldauer konnte man den Medien endlich das nicht allzu geheime Ergebnis verkünden. Das neue Computerspiel soll jetzt großformatig unter dem Namen NMD [National Missile Defense] herauskommen. (siehe auch Kriegsspiele im Weltraum)

So gesehen, sind die permanenten Abrüstungskonferenzen der UNO nichts weiter als ein Witz. Die letzte ging im Januar spurlos über die Bühne. Der Outer Space Treaty im vergangenen November bekräftigte, dass der Weltraum nur zur friedlichen Nutzung dienen solle – und fand die Zustimmung von 140 Staaten, inklusive China. Stimmenthaltungen gab es nur von den USA – und Israel, das in allen Fragen den de Vito-Zwilling zum Schwarzenegger der USA mimt.

China vertritt dagegen den friedlichen Kurs auch im Internet. Seine eigenen Aussagen zum heimischen Raumfahrtprogramm – "die friedlichen Anwendungen des Weltraums werden blühen und sich erweitern" – klingen nach den blumigen Orakeln aus dem Innern von Glücks-Keksen. Ohne demokratische Kontrollen ist jedes Statement, das aus China kommt, gleichermaßen, ununterscheidbar, Wahrheit oder Lüge.

Tatsache ist indessen, dass das Sprüchlein stimmt. Erst mit einem brauchbaren Raketen-Programm kann China seine eigenen Kommunikationssatelliten in Stellung bringen. Erst mit einem funktionierenden Telekommunikationssystem wird es ein chinesisches Internet und damit ein modernes China geben. Erst ein freier Gedankenaustausch zwischen allen Bürgern – auch von Wissenschaftlern untereinander – ermöglicht eine demokratische Zivilgesellschaft.

Das Problem dabei ist nur: China hatte noch nie eine Wissenschaft, die nicht militärischen Zwecken diente. Dort, wo chinesische "Wissenschaft" auf etwas anderes als Parade- und Prestigebedürfnisse abgestimmt ist, versagt sie. Sie kennt kaum vernünftige Innovationen, sie bringt es nicht einmal zustande, in ganz Schanghai ein funktionierendes Klo aufzustellen. Und man muss sich nur an den Besen im Hintern beim Auftritt des Großen Vorsitzenden Jiang Zemin in der Schweiz vor zwei Jahren erinnern, um zu wissen, dass China noch lange an dieser geistigen Verstopfung leiden wird.

Aber auch Amerika hat seine Chance auf eine friedliche, nicht-militärische Wissenschaft vertan. Als der Computerwissenschaftler Vannevar Bush, seines Zeichens Koordinator der 6000 Wissenschaftler im amerikanischen War Effort, Ende 1945 seine Physiker, Mediziner, Biologen und so weiter wieder in die zivile Forschung entließ, handelte er gutgläubig - aber vorschnell. Noch vor Ende des Jahrzehnts hatte sich parallel zur zivilen Gesellschaft der militärisch-industrielle Komplex neu etabliert, der heute Amerika de facto regiert und durch keine irgendwie geartete demokratische Instanz legitimiert ist. Hauptrepräsentant dieser sogenannten Star Wars-Lobby in Amerika ist heute der Mann mit dem sprechenden Namen Rumsfeld.

Die Star Wars-Leute gehören zu einer Gruppe von politischen Schreibtischtätern, für die Respekt vor humanistischen Idealen und für konkrete Menschenleben so überflüssig ist wie die Infanterie für einen chinesischen General. Bei jedem kriegerischen Konflikt, der sich anbietet (Panama, Irak, Jugoslawien), mischen sie mit, testen sie neue, unerprobte Waffensysteme an menschlichen Meerschweinchen – an der zu schützenden Zivilbevölkerung ebenso wie an den eigenen Soldaten.

Nicht minder rücksichtslos gehen sie mit der nationalen Wertschöpfung um. Gesundheitswesen, Bildung, Altersversorgung werden dem militärischen Wachstum geopfert. Ob 60 oder 120 Milliarden Dollar für ihren Nationalen Schutzschild ausgeben werden sollen (so die Schätzungen unter Clinton) oder 240 Milliarden und mehr (jetzige Schätzungen) ist vollkommen egal. Sie werden es schaffen, Amerika in die Steinzeit zurück zu klopfen, bis auch in New York keine einzige Toilette mehr funktioniert.

Das Ganze findet statt unter dem Vorwand, Amerika vor sogenannten "Schurkenstaaten" zu schützen. Iran/Irak und Nord-Korea gelten als Favoriten. Doch selbst, wenn diese Länder morgen von der Landkarte verschwinden würden, würde das Pentagon weiterhin an seinem Star Wars-Programm festhalten. Nichts ist den USA mehr verhasst, als die tatsächliche Versöhnung von Nord- und Süd-Korea, die man mit dem Fall der Berliner Mauer verglichen hat. Nord-Korea diente den USA als perfektes Schreckgespenst, um die obszönen Kosten des Pentagons immer weiter hochzuschrauben.

Jetzt werden in Südkorea Stimmen laut, die nach dem Abzug der US-Truppen rufen. Zur Not wird Amerika also wieder, wie schon 1980, einen Militärcoup unterstützen und 2000 Zivilisten tot schießen lassen müssen. Amerika braucht seine weltweiten Spionage- und Satellitenbasen in Süd-Korea und Japan, genau wie in Pine Gap, Australien, oder in Bad Aibling, Deutschland und in Fylingdales und Menwith Hill in England.

Das globale NMD-System greift aber nicht allein in die nationale Autonomie der "Verbündeten" der USA ein. Es hat einen weiteren Nachteil. Es funktioniert nicht. Man hat sein Grundprinzip als den Versuch beschrieben, eine Pistolenkugel durch eine andere aufzuhalten. Ein Cowboy-Konzept. Aber selbst unter idealen Testbedingungen im Pazifik hat das System bisher noch kein einziges Mal funktioniert. Es ist eine dumme, eitle, völlig idiotische Technologie. Ihr Schutz gegen echte "Schurken", die mit einem Koffer voll Plutonium in eine New Yorker U-Bahn einsteigen, ist gleich Null.

Es gibt nur zwei Dinge, die NMD bewirken kann. Erstens: das marode Russland, das mit den Segnungen des Kapitalismus ohnehin nicht klar kommt, wird militärisch außer Kontrolle purzeln. Unfälle, Missverständnisse oder Computerpannen würden dann zu einem "zufälligen" Kriegsausbruch führen.

Oder Zweitens: China wird als neues "Schreckgespenst" aufgebaut. Als zweite "sowjetische Bedrohung". Und die Knallköpfe um Jiang Zemin – glauben es. Sie finden Gefallen daran, die großen Schweine nicht nur im Weltraum zu sein. Denn außer dem Pentagon nimmt sie niemand wirklich ernst – ohne diese Rolle würde ihre ganze verlogene Illusion von einer chinesischen Großmacht sich in zehn Jahren in Luft auflösen.

In der Volksrepublik werden die Kulissen für die Kriegsspiele unterdessen immer noch mit der Hand gebastelt. So baute man 1999 in China eine Nachbildung des taiwanesischen Militärflughafens Chingchuangkang im Maßstab 1:1 nach, um zu erproben, wie man ihn am besten bombardieren könnte. Und was die echten Schweine im Weltraum betrifft, auch die schrumpften auf ein realistisches Maß herunter. Angeblich waren es guinea pigs – Meerschweinchen.