Schwindendes Vertrauen in Medien: Öffentlich-rechtliche Sender als Regierungssprecher?

Seite 2: Der auf Macht ausgerichtete Kompass

Inwiefern allerdings die Politik der Regierungsparteien SPD und Grüne als wie auch immer "links" anzusehen sei, dürfte (abseits der Reden Rechtsextremer) gesellschaftlich durchaus umstritten sein.

Dass der Kompass der Forschenden seinerseits eine gewisse "Rechtsschiefe" zu haben scheint, mag sich an diesem Beispiel zeigen: Die Studie bestimmt die Bild-Zeitung als ganz normale "überregionale Zeitung", markiert aber die beiden ebenfalls überregionalen Zeitungen Neues Deutschland und junge Welt als linke "Extremmedien".

Und, Stichwort "Rechtsschiefe", am Studien-Ende kommt als praktischer Tipp für die Redaktionen, womöglich einer "Stärkung konservativer und marktliberaler Positionen" mehr Raum und Zeit zu schenken. Klar, diese Auffassungen haben es ja unter neoliberal-autoritärer werdenden Umständen besonders schwer.

Tendenz: Im Zweifelsfall pro Regierung

Immerhin: Die Tendenz "im Zweifelsfalle pro Regierung" ist laut Studie nicht unproblematisch: Denn die ÖRM-Beiträge fielen zudem durch einen gegenüber den privat-wirtschaftlichen Vergleichsmedien weniger kritischen Umgang mit den aktuellen Regierungsparteien auf.

Zudem zeige sich, dass die drei Ampel-Parteien in den öffentlich-rechtlichen Formaten insgesamt deutlich weniger negativ dargestellt wurden als Union, AfD und Linke. Bedenklich weiterhin, dass die öffentlich-rechtlichen Nachrichten insgesamt laut Studie weder vielfältiger noch ausgewogener als RTL, FAZ & Co. berichtet hätten, "obwohl die Ansprüche an den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in dieser Hinsicht durchaus höher sind".

Studie akzentuiert Probleme beim Publikum: "Das Volk, der große Lümmel?"

Die Studie selbst bietet, wie skizziert, manchen Anlass zur Kritik: Was sie anscheinend gemeinsam hat mit dem journalistischen Feld, ist, dass die Probleme zumindest auch, wenn nicht überwiegend beim Publikum gesehen werden.

Es gehe nicht zuletzt darum, "den Journalismus vor eventuell ungerechtfertigten Angriffen und einem auf falschen Vorstellungen basierenden Vertrauensverlust zu schützen." Wie schon Heinrich Heine ironisch dichtete – das Volk, der große Lümmel?

Solche Kurzschlüsse mögen kaum Zufall sein: Denn es sind ja gerade jene beiden gesellschaftlichen Felder, die sich mit "Wahrheit" befassen sollen, nämlich Journalismus und Wissenschaften (einschließlich Journalistik sowie Kommunikations- und Medienwissenschaft), in denen personelle und strukturelle Homogenität, prekäre Beschäftigung sowie Anpassungsdruck längst besonders ausgeprägt und zugleich in Rekordtempo weiter wachsend erscheinen – was dann offenbar zu Verengungen und Vereinseitigungen der jeweiligen Diskurse beiträgt.

Wie sollten da, um nochmals Heines "Wintermärchen" aufzugreifen, neue und bessere Beiträge entstehen – wenn nicht für ein "Himmelreich" auf Erden, so doch zumindest für halbwegs gelingende gesellschaftliche Kommunikation?