"Sie machen eine hervorragende Arbeit"

Trotz aller anderslautenden Informationen weisen Pentagon und das Weiße Haus alle Verantwortung für die Misshandlungen von Gefangenen von sich, Präsident Bush feiert Rumsfeld und den Erfolg der Besatzung im Irak

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Es war abzusehen, dass die Herren vom Weißen Haus und vom Pentagon zusammen stehen werden. Da vermutlich die US-Regierung, wie nach dem vom Wall Street Journal veröffentlichten Bericht des Internationalen Komitees des Roten Kreuzes (IKRK) schon seit Oktober 2003, also noch vor den über die Fotografien bekannt gewordenen Misshandlungen, über die Missstände in den irakischen Gefängnissen und die willkürlichen Festnahmen informiert gewesen dürften, muss nun Gemeinsamkeit demonstriert werden. US-Präsident Bush sagte zu seinem angeschlagenen Verteidigungsminister: "Sie machen eine hervorragende Arbeit." Das könnte man freilich auch missverstehen. Man kommt nicht umhin, bei so wenig Distanz und so viel Unverfrorenheit zu denken, dass da etwas im Bus(c)h sein muss.

Der Bericht wurde zwar erst im Februar 2004 überreicht, doch habe man die Koalitionstruppen seit Mitte 2003 auf eine Vielzahl von Menschenrechtsverstößen hingewiesen. Neben den Misshandlungen wurde auch auf die willkürlichen Festnahmen hingewiesen: 90 Prozent der Gefangenen seien irrtümlich und teils über lange Zeit eingesperrt worden. Ausreden dürften eigentlich schwer fallen, denn entweder hat man in an der Spitze der Regierung etwas gewusst und ist nicht entschieden eingeschritten oder man hat nichts gewusst und hat daher nicht die notwendige Kontrolle ausgeübt. Die Bush-Regierung versucht nun offenbar - und ganz analog macht dies die britische Regierung -, das Problem wie immer auszusitzen und darauf zu setzen, dass die Aufregung sich wieder legen wird. Damit ist man schon oft genug erfolgreich gefahren.

Nicht nur das Rote Kreuz, auch Amnesty bringt neues Ungemach. Die Menschenrechtsorganisation erklärt in einem Offenen Brief, dass bereits im Juli 2003 in einem Memorandum, das an die Bush-Regierung geschickt wurde, auf Berichte über Misshandlungen und Folterungen an irakischen Gefangenen aufmerksam gemacht wurde, auch wenn es sich damals noch um "mildere" Formen gehandelt hat (allerdings wurden auch einige Todesfälle gemeldet):

The organization has received a number of reports of torture or ill-treatment by Coalition Forces not confined to criminal suspects. Reported methods include prolonged sleep deprivation; prolonged restraint in painful positions, sometimes combined with exposure to loud music; prolonged hooding; and exposure to bright lights. Such treatment would amount to "torture or inhuman treatment" prohibited by the Fourth Geneva Convention and by international human rights law.

Schaut Rumsfeld zerknirscht und dankbar zu Bush - oder kontrollierend?

Man habe auf den Bericht niemals eine Antwort erhalten, auch nicht auf einen Bericht aus dem Jahr 2002, der Misshandlungen und Folter in Afghanistan behandelte. Tatsächlich dürfte auch hier das Übel wirklich angefangen haben, das dann über Guantanamo in den Irak sich fortgesetzt hat. "Terroristen", auch wenn sie noch so wahllos eingefangen wurden, wie dies auch bei vielen in Guantanamo der Fall zu sein scheint, haben eben keine Rechte und dürfen letztendlich auch ausgemerzt werden. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch hat eine Vielzahl von Berichten und Artikel seit Dezember 2002 über Menschenrechtsverletzungen von US-Soldaten zusammengestellt. All dies läuft darauf hinaus, was eigentlich auch alle wissen, dass die US-Regierung Menschenrechtsverletzungen in ihrem "Krieg gegen den Terrorismus" wenn nicht gefördert, so doch gebilligt hat. Die aggressive Haltung gegen den Internationalen Strafgerichtshof ist neben der Parallel- oder eher Willkürjustiz für die zu Outlaws erklärten mutmaßlichen "feindlichen Kämpfer" und Terroristen, zu denen zumindest im Irak auch viele Unschuldige und Kleinkriminelle gehörten, dafür ein deutliches Zeichen.

Der Senat zitiert zwar Rumsfeld heute wieder zu einer Anhörung, an der auch General Tabuga anwesend sein wird, dessen Bericht man angeblich im Pentagon auch nicht zur Kenntnis genommen hat, aber zuerst einmal hatte Präsident Bush den schon vor dem Skandal geplanten Besuch von Rumsfeld im Pentagon und der Beratung mit dem Sicherheitskabinett ausgenutzt, um sich demonstrativ wie schon zuvor Vizepräsident Cheney und Sicherheitsberaterin Rice hinter ihm zu stellen.

Eigentlich ist alles in Ordnung

Nach dem Besuch teilte Bush - flankiert von (und womöglich selbst beschützt durch) Cheney und Rumsfeld und gestärkt durch Außenminister Powell, CIA-Chef Tenet (der auch erstaunlicherweise noch immer im Amt ist), Generalstabschef Richard Myers, dem stellvertretenden Generalstabschef Peter Pace sowie dem General John Abizaid, dem Oberkommandierenden der US-Streitkräfte im Nahen Osten - den Pressevertretern mit, dass der Verteidigungsminister alles bestens gemacht habe. Er habe alles in der Hand und führe die Nation mutig in den Krieg gegen den Terror. Seine Arbeit habe er "ausgezeichnet" gemacht, dei Nation schulde ihm große Dankbarkeit.

Dann sprach Bush, dem weitere Bilder von Misshandlungen zu Gemüte geführt worden waren, lange über den entschlossenen Kampf der USA im Irak, in deren nationalen Interesse es liege, dass "freie Institutionen als Alternative zur Tyrannei und zur terroristischen Gewalt im Nahen Osten" erfolgreich etabliert werden. Dabei stoße man auch auf Probleme: "Und wir leiten die erforderlichen Veränderungen ein." Die sonst übliche Rettungs- und Befreiungsrhetorik fehlte in den vorgelesenen Ausführungen. Man habe die Verpflichtung, die Koalitionstruppen und irakischen Bürger zu schützen. Man stehe mitten in einer Offensive gegen die "Killer und Terroristen", die man auch fortsetzen werde. Man gehe wie in Falludscha oder in Nadschaf mit "Präzision, Disziplin und Zurückhaltung" vor und mache alles, um Unschuldigen kein Leid zuzufügen. Gleichzeitig betont Bush auch demonstrativ, dass man alles tue, um die eigenen Truppen zu schützen - und dass 25 zusätzliche Milliarden Dollar für die Besatzung des Irak erforderlich sind.

Noch einmal bestätigte Bush, dass die US-Regierung am Ziel festhalten wolle, am 30. Juni die "Souveränität einer irakischen Regierung zu übergeben". Die Menschen in der Region sollen sehen, dass die USA ihr Wort halten. Dann sprach er die Misshandlungen von Irakern an: Weil Amerika der Gleichheit und Würde aller Menschen verpflichtet sei, werde es eine vollständige Aufklärung geben. Die Misshandlungen hätten die "grundlegendsten Maßstäbe der Moral und des Anstands" verletzt:

Ein grundlegender Unterschied zwischen Demokratien und Diktaturen ist es, dass freie Länder gegen solche Misshandlungen offen und direkt vorgehen.

Und Bush will trotz aller bekannten Informationen noch einmal festklopfen, dass eigentlich nur ganz unten etwas schief gelaufen ist. Man habe sofort nach Bekanntwerden der Misshandlungen eine Untersuchung im Januar eingeleitet, jetzt seien bereits mehrere im Laufen. Rumsfeld habe eine Untersuchungskommission eingesetzt, einige Soldaten seien bereits angeklagt worden. Aber trotz dieser Vorfälle gibt es für Bush keinen Grund, die Irak.-Politik und Motive seiner Regierung in Frage zu stellen:

Wer kann daran zweifeln, dass es für den Irak besser ist, von einem der blutigsten Tyrannen, die es jemals in der Welt gegeben hat, befreit worden zu sein?

Bewacht oder beschützt durch Cheney?

Bush versucht, was ein wenig zu kurz kommt, den Irakern zu sagen, dass man ihnen nicht nur die Freiheit geschenkt hat, sondern dass man "großen Respekt vor dem irakischen Volk und vor allen arabischen Menschen" habe. Eine Entschuldigung gibt es nicht, weil ja eigentlich alles in Ordnung ist. Noch viel wichtiger ist ihm aber, nicht nur Rumsfeld zu decken, sondern auch zu zeigen, dass er hinter den amerikanischen Soldaten steht, für die es "so schmerzvoll ist, sehen zu müssen, wie eine kleine Anzahl den ehrenwerten Grund, für den sich so viele opfern, entehren". Und er macht noch einmal deutlich, dass es sich für ihn nicht, wie das Internationale Komitee des Roten Kreuzes sagte, um systematische Misshandlungen handelt, sondern nur um das Fehlverhalten von Einzelnen, das mit dem Rest der 200.000 Soldaten, die seit Beginn des Kriegs im Irak gedient haben, nichts zu tun hat.

Die "offizielle" Bildunterschrift beim Pentagon, wo man vielleicht nicht merkt (oder doch so ironisch ist), dass die Mimik von Bush nicht nur den Anschein von Ernst und Nachdenklichkeit erweckt: "President Bush praises the contributions of U.S. service members in the war on terror during his May 10, 2004, Pentagon visit. Defense Dept. photo by U.S. Air Force Tech. Sgt. Jerry Morriso

"Alle Amerikaner", so Bush, " kennen die Güte (goodness) und den Charakter der US-Streitkräfte." Kein Militär, so versichert Bush den Soldaten und den amerikanischen Bürgern, habe "in der ganzen Weltgeschichte so hart und so oft für die Freiheit von Anderen gekämpft". Und das machen sie auch jetzt unter dieser Regierung und unter dem Oberkommandierenden Bush. Sie jagen die Terroristen auf der ganzen Welt, sie helfen Afghanistan und Irak dabei, demokratische Gesellschaften aufzubauen, sie verteidigen Amerika mit "selbstlosem Mut". Das alles habe der Nation "Stolz und Anerkennung" verschafft.

Wie immer äußert Bush auch nicht den Ansatz einer Kritik am eigenen Verhalten. Es gab einige kleine Fehlgriffe, aber ansonsten läuft auch mit der Besatzung alles bestens. Von Bestrafung der Schuldigen sagte Bush direkt nichts, nur dass man alles tun werde, damit derartiges nicht mehr vorkommen kann. Viel Aufklärung über die vermutlich sowieso milde Bestrafung der Sündenböcke hinaus, wird man nicht von dieser Regierung erwarten können. Schließlich wurde auch ausgerechnet Generalmajor Geoffrey Miller, Leiter des Guantanamo-Gefängnisses, in dem man sogar zugibt, härter gegen die dort rechtlos eingesperrten "Terroristen" bei er Befragung vorzugehen, zum neuen Leiter des Abu Ghraib-Gefängnisses - obgleich sich die Misshandlungen erst auf seine Empfehlung im Sommer 2003 gesteigert hatten, die Militärpolizisten die Gefangenen für die Verhöre gefügig zu machen.

Kritik kommt nun auch aus Pentagon-nahen Kreisen

Doch diese Verleugnung und Vertuschung geht nun auch Militär-nahen Kreisen zu weit. Besonders kritisiert wird, dass sich die Führung versteckt und keine Verantwortung übernehmen will. So schreibt John Weisman in der nicht gerade für Pentagon-Kritik bekannten Website Military.com:

So far as I'm concerned, the one unmistakable lesson of Abu Ghraib is that most of the individuals who wear stars on their collars are totally lacking in moral courage.

From Joint Chiefs Chairman Meyers on down the entire chain of command, the reaction of those at the top of the military food chain has been little more than spin, sputtering, and equivocation.

Andere fordern die Entlassung von Rumsfeld und Co. In der Army Times heißt es ihm Editorial, dass das Fehlverhalten bis in die oberste Führung reiche, unter dem nun das gesamte Militär leiden müsse:

There is no excuse for the behavior displayed by soldiers in the now-infamous pictures and an even more damning report by Army Maj. Gen. Antonio Taguba. Every soldier involved should be ashamed. But while responsibility begins with the six soldiers facing criminal charges, it extends all the way up the chain of command to the highest reaches of the military hierarchy and its civilian leadership.

The entire affair is a failure of leadership from start to finish. From the moment they are captured, prisoners are hooded, shackled and isolated. The message to the troops: Anything goes. In addition to the scores of prisoners who were humiliated and demeaned, at least 14 have died in custody in Iraq and Afghanistan. The Army has ruled at least two of those homicides. This is not the way a free people keeps its captives or wins the hearts and minds of a suspicious world.