Sieger in der psychologischen Kriegsführung

Hisbollah feiert schon jetzt den Erfolg der Verhandlungen über den auch mit deutscher Hilfe geplanten Gefangenenaustausch

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Während das israelische Militär ein Manöver bei den Shebaa-Farmen an der Grenze zum Libanon abhielt, Guerilla-Abwehr und Invasion in "Feindgebiet" probte, befand sich am vergangenen Wochenende ein Vertreter des Bundeskanzleramts in Beirut, um mit dem Generalsekretär der Hisbollah, Sayyed Hassan Nasrallah, die letzten Details des Gefangenenaustauschs mit Israel zu besprechen. Vor 12 Tagen hatte das israelische Kabinett mit knapper Mehrheit den Gefangenenaustausch abgesegnet. Die seit über einem Jahr laufenden Verhandlungen scheinen dem Ende entgegen zu gehen.

Über den genauen Inhalt der Gespräche zwischen dem deutschen Vermittler und dem Generalsekretär wurde wie üblich Stillschweigen gewahrt, "um bessere Bedingungen für ein positives Endergebnis zu gewährleisten", hieß es in einer Pressemitteilung der Hisbollah. Schließlich habe man sich getroffen, "eine Lösung der ausstehenden Punkte zu finden".

Insgesamt sollen rund 400 Palästinenser, 19 Libanesen und einige Dutzend Gefangene aus Syrien, Marokko, Sudan und Libyen gegen den israelischen Ex-Offizier und Geschäftsmann Elhanan Tannenbaum sowie drei israelischen Soldaten, die im Oktober 2000 von der Hisbollah gefangenen genommen wurden, ausgetauscht werden. Nicht mit eingeschlossen ist der Navigator Ron Arad, dessen Flugzeug 1986 auf libanesischem Gebiet abgeschossen worden war und in Gefangenschaft im Iran vermutet wird. Die israelische Regierung wird zu seiner Freilassung gesonderte Verhandlungen unternehmen, um die Familie von Arad zu beruhigen, die sich öffentlich gegen den bevorstehenden Gefangenaustausch stellte.

Strittig ist noch die Freilassung von Samir Qantar, einem libanesischen Drusen, der 1979 in Nahariyey, einer Küstenstadt im Norden von Israel, an einer Aktion beteiligt war, bei der fünf Israelis, darunter auch ein Kind, getötet worden waren. Qantar wurde zu insgesamt 542 Jahren verurteilt, 99 Jahre für jeden der fünf getöteten Israelis, sowie zusätzliche 47 Jahre für eine Tätlichkeit gegen einen israelischen Offizier während der Vernehmung.

Qantar freizulassen könnte dazu führen, dass auch andere Länder die Freilassung von Gefangenen fordern, die Blut an ihren Händen haben. Der Premierminister (Scharon) hat es deutlich gesagt, Qantar wird nicht freigelassen.

Der israelische Außenminister Silvan Shalom

Dagegen will die Hisbollah den Gefangenenaustausch komplett platzen lassen, wenn Quantar nicht dazugehört. "Wenn nur ein Libanese ausgeschlossen wird, gibt es keinen Austausch", sagte erst noch vor ein paar Tagen Sayyed Hassan Nasrallah, der Generalsekretär der Hisbollah. Fügte aber gleichzeitig hinzu, dass er bereit sei, die Verhandlungen fortzusetzen.

In Israel ist der Gefangenaustausch seit Wochen ein Thema, das hohe publizistische Wellen schlug und Premierminister Scharon vor eine der größten Bewährungsproben seiner Amtszeit stellte. Mit Mühe konnte er sein Kabinett vom Gefangenenaustausch überzeugen. Mit nur einer Stimme Mehrheit verlief die Abstimmung zugunsten Scharons.

Erfolg für Hisbollah

Für die Hisbollah dagegen sind die Verhandlungen bereits jetzt ein voller Erfolg, bedeuten sie doch eine quasi offizielle Anerkennung durch die israelische Regierung, die die libanesische Organisation bisher als "blutrünstige Terroristen" gebrandmarkt hatte und normalerweise mit "Terroristen" nicht verhandelt.

In Sachen psychologischer Kriegsführung hat die Hisbollah Israel geschlagen. Noch nie war Israel in einer so depressiven Situation. Israel ist in die Falle der Hisbollah gegangen. ... Sie schafften es, dass sich Israelis über die "Gefangenenaffäre" zerstritten haben. Darüber hinaus drohten sie, mehr Gefangene zu kidnappen, kletterten einfach über den israelischen Grenzzaun, legten bewusst leicht zu entdeckende Landminen und beschossen israelische Verteidigungskräfte bei den Shebaa Farmen.

Kommentar von Zeev Schiff in der israelischen Tageszeitung "Haaretz"

So etwas Provokatives, hieß es zum Abschluss des Artikels, würde sich sonst kein arabisches Land trauen. "Und Israel schweigt dazu".

Die israelische Lobeshymne auf die psychologische Kriegsführung der Hisbollah geht noch einen Schritt weiter. Guy Bentwich von der Zeitung "Yediot Ahronot" beklagt, dass der brillanteste Führer nicht auf israelischer Seite zu finden sei.

Er ist im Norden von uns, in Beirut. Sein Name ist Sheik Hassan Nasrallah und er ist darin spezialisiert, uns Lektionen zu geben.

Die psychologische Kriegsführung der Hisbollah hat nur deshalb Erfolg, "weil ihre Drohungen bewiesenermaßen Substanz haben", bestätigt Amal Saad-Ghoryaeb, Assistenzprofessorin an der Fakultät für Politik an der "Libanese American University" in Beirut. "Es ist die tatsächliche Bedrohung mit Gewalt."

Die Hisbollah habe ihren Feind sehr gut studiert und analysiert, erklärt die Politikwissenschaftlerin weiter, die auch ein Buch über Hisbollah veröffentlicht hat. "Die Organisation hat eine größere Distanz zu den Israelis als die Palästinenser beispielsweise und ist daher besser in der Lage ihre Strategie zu planen."

Tatsächlich hält die Hisbollah, die oft mit einer palästinensischen Organisation verwechselt wird, nichts von diesen "Tit-for-Tat-Racheakten", wie sie etwa die Hamas durchführt. Auch unternimmt die Hisbollah keine Selbstmordattentate gegen israelische Zivilisten. Erst vor einer Woche, kurz nach den Attentaten in Saudi-Arabien, hat der libanesische Grand Ayatollah Mohammed Hussein Fadlallah, ein spiritueller Führer der Gruppe, erneut betont, dass die "moslemische Religion keine Selbstmordattentate" rechtfertigt.

Die Hisbollah hält es anstatt stupider und mörderischer "Rückschlagpolitik" mit taktisch wohldurchdachten Operationen ausschließlich gegen militärische Ziele und obendrein mit clever lancierter Propaganda. Neben ihren 52 Webseiten produzierte sie ein Computerspiel, das den "Widerstand gegen die israelische Okkupation" feiert (Es wird zurückgeschossen), und unterhalten ihren eigenen Fernsehsender, TV-Manar, der weltweit über Satellit zu empfangen ist.

Im ersten Jahr der "Al-Aqsa Intifada" strahlten sie angesichts der palästinensischen Selbstmordattentate auf Russisch und Hebräisch Warnungen aus, wie gefährlich es sei, in Israel zu leben. Andere auf Englisch gesendete Warnungen lauteten: "Achtung Touristen! Tourismus in Israel bringt euer Leben in Gefahr!"

Man kann von der libanesischen Hisbollah halten, was man will, aber in den letzten 15 Jahren hat sich diese Organisation zu einem entscheidenden Faktor im Nahost-Konflikt entwickelt. Sollte der Gefangenenaustausch tatsächlich zustande kommen, würde das ihre bedeutende Rolle noch unterstreichen.