Solare Torschlusspanik, striktere Klimaziele, Golf-Öl fließt jetzt Richtung Europa

Die Energie- und Klimawochenschau: Ab dem ersten Juli sollen die neuen Spielregeln des Erneuerbare Energien Gesetzes gelten. Das löst hektische Bautätigkeit aus, um noch vor dem Stichtag ans Netz zu gehen und die bisherige Einspeisevergütung zu bekommen

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Die Wirtschaftskrise senkte durch die damit zusammenhängenden Produktionsrückgänge nebenbei auch die weltweiten CO2-Emissionen. Die EU will die Chance nutzen und die Emissionsgrenzwerte weiter anzuziehen. Sie sollen zukünftig weiter unter die aktuellen niedrigeren Werte absinken. Die Industrie protestiert und möchte nach dem Ende der Krise lieber wieder Abgase ausstoßen "wie in den alten Zeiten" vor der Krise.

Am Golf ist noch immer keine Lösung in Sicht das Bohrloch im Golf zu stopfen. Die US-Regierung taktiert und führt BP und die Offshore-Exploration insgesamt als gefährlich vor, gerät aber zunehmend wegen des eigenen Missmanagements selbst in die Kritik. Der 50/50-Mix aus Öl und BP-Dispergiermittel hat währenddessen den Loop Current vor Florida erreicht und tritt jetzt die Reise mit dem Golfstrom Richtung Europa an.

Der Golfstrom fließt mit 1,8 m/s aus dem Golf von Mexiko Richtung Europa. Thermographiebild: Nasa

Torschlusspanik - Unverhoffter Solarboom bis Jahresmitte

Die Fördersätze für Solarstrom werden zum 1. Juli um rund 16 Prozent gesenkt. Für die Anlagenbetreiber macht das Photovoltaik auf einen Schlag wesentlich unwirtschaftlicher. Außerdem steht neben den aktuellen Kürzungen schon die nächste reguläre Kürzung in sechs Monaten ins Haus. Und niemand kann im Moment mit Sicherheit sagen, dass der rapide Preisverfall des letzten Jahres bei Solaranlagenkomponenten, welcher der Koalition den Anlass gab, am EEG zu drehen, wirklich weiter anhält oder doch nur eine vorübergehende Folge der "Krise" ist.

Immer mehr Anlagenbetreiber haben es deshalb zur Zeit besonders eilig, ihre Solargeneratoren vor dem 1. Juli ans Netz zu bringen und so die bisherige Einspeisevergütung zu bekommen. Bundesweit sind daher die Installationszahlen auf einem Rekordniveau angekommen. In Sachsen etwa berichten die beiden regionalen Stromnetzbetreiber Enso und Envia-M, dass seit März die Zahl neuer Solarstromanlagen dreimal so hoch liegt wie vor einem Jahr.

Die Entwicklung war bereits zu Jahresbeginn auf bisher unbekannte Zuwachszahlen gestiegen. Grund dürfte auch hier sein, dass zunächst noch Kürzungen der Einspeisevergütung um 30 und mehr Prozent im Gespräch waren. Nach Angaben der Bundesnetzagentur wurden daher in den ersten beiden Monaten des Jahres 2010 insgesamt 386 Megawatt Photovoltaik-Leistung installiert. Das ist zehnmal mehr als in den entsprechenden Monaten des Vorjahres.

Das Marktforschungsunternehmen iSuppli Corp. aus Kalifornien geht davon aus, dass die installierte Leistung von Photovoltaikanlagen in Deutschland durch diesen Boom auf das Jahr 2010 hochgerechnet um 71 Prozent wachsen wird. Für 2010 soll der Photovoltaik-Zubau dann bei 6,6 Gigawatt gegenüber 3,9 Gigawatt im Jahr 2009 liegen. Denn die Kürzung der Solarstrom-Einspeisevergütung werde nicht nur die hohen aktuellen Anschlusszahlen auslösen, auch in der zweiten Jahreshälfte werde die Nachfrage an Aufdach-Solaranlagen wegen der nächsten EEG-Kürzung wieder steigen. Allerdings geht iSuppli nicht von reinen "Panikinstallationen" angesichts der EEG-Kürzungen aus, sondern rechnet auch 2011 in Deutschland mit einem weiter steigenden Zubau von 9,5 Gigawatt solarer Leistung.

Deutschland werde im Photovoltaik-Markt weltweit eine führende Rolle spielen, weil durch das EEG und das Recht zum Anlagenanschluss sichere Investitionsbedingungen für Solaranlagenbetreiber bestünden. Insgesamt wird damit gerechnet, dass der Photovoltaik-Zubau in Europa 2011 80 Prozent des weltweiten Marktes ausmachen wird. Deutschland, Frankreich, Italien und Tschechien sind dabei die solaren Kernregionen, während andere EU-Länder wie Griechenland, Bulgarien, Spanien und Großbritannien zwar auf den ersten Blick mit Förderprogrammen locken, die Verwaltungen der Länder aber immer noch zu große Hürden und Einschränkungen beim Solaranlagenbau aufrechterhalten. Deshalb, so iSuppli, werde Deutschland trotz seiner EEG-Einschnitte sowohl in Europa als auch weltweit führend sein.

Mittelfristig geht iSuppli aber davon aus, dass die weltweite Produktion von Solarstrom sich mehr in Richtung thermische Solarkraftwerke entwickeln werde. Bis 2014 wird mit 10,8 Gigawatt und damit 37 Mal mehr installierter solarthermischer Kraftwerksleistung gerechnet als noch 2009. Photovoltaik werde bis dahin um das Sechsfache auf eine installierte Leistung von 45,2 Gigawatt zulegen. Um diese prognostizierte Leistung von 10,8 GW zu erreichen, seien gar keine neuen Anlagenprojekte nötig. Es reiche vielmehr aus, die bereits in der Planung befindlichen solarthermischen Kraftwerke fertigzustellen. Die meisten davon sind für Südkalifornien und Spanien projektiert. Weitere CSP-Kraftwerke seien bereits in Ägypten, Zypern, Malta, Marokko und Algerien in der Entwicklung. Neben den derzeit meistens eingesetzten Parabolrinnen-Anlagen würden zukünftig mehr Turmanlagen und Dish-Systeme zum Einsatz kommen.

Turmkraftwerke bündeln das Sonnenlicht auf einen Kessel im zentralen Turm der Anlage. Zwei kommerzielle Anlagen sind in der Nähe von Sevilla in Betrieb. Bild: Deutsches Zentrum für Luft und Raumfahrt

An soviel Zukunftsoptimismus für ihre Branche möchten hierzulande auch gerne die Projektierer großer Freiflächen-Anlagen teilhaben. Von den EEG-Änderungen ab Juli sind sie besonders betroffen, weil Solaranlagen auf Ackerflächen aus der Einspeisevergütung herausfallen sollen. Auslöser für diese Regelung war nicht etwa die Angst, Photovoltaik könnte zu Nahrungsmittelengpässen führen. Vielmehr machten niederbayerische Bauernvertreter den Vorstoß aus der Sorge heraus, dass die Flächenkonkurrenz zwischen Solaranlagenbetreibern und Landwirten zu höheren Pachtpreisen führen könnte.

Mehrere Bundesländer wollen deshalb Anfang Juni in einem Berufungsverfahren doch noch ein "Aus für das Aus" für Solaranlagen auf Ackerflächen zu erreichen. Obwohl das Gesetz im Bundesrat nicht zustimmungspflichtig ist, hoffen die Länder über politische Verhandlungen mit den Koalitionsfraktionen im Bundestag noch Änderungen durchsetzen zu können. Rheinland-Pfalz und Bayern haben dazu den Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat angerufen. Dieser soll am 4. Juni über die beiden Hauptforderungen entscheiden:

  1. Die zusätzliche Senkung der Einspeisevergütung für Solarstrom soll höchstens 10 Prozent betragen.
  2. Anlagen auf Ackerflächen sollen doch erlaubt bleiben.

Denn die großen Freiflächenanlagen seien die "Billigmacher" der Solar-Branche. Außerdem seien sonst durch die viel zu kurzen Übergangsfristen Planungskosten in großem Umfang verloren. Insbesondere bei den großen Anlagen, die nicht kurzfristig einfach auf einem Dach zu montieren sind, sondern eine längere Vorlaufzeit bei Planung, Finanzierung und Bau haben.

Proteste gegen EU-Pläne, die CO2-Grenzwerte weiter zu senken

CO2-Reduktion gab es zum Nulltarif. Allein die CO2-ausstoßenden Industrie-Anlagen in Deutschland, die in der Emissionshandelsliste geführt werden haben, haben im Jahr 2009 44,3 Mio. Tonnen weniger Kohlendioxid erzeugt als noch 2008. Grund für diese Minderung um 9,4 Prozent in nur einem Jahr sind die durch die Banken- und Wirtschaftskrise zurückgegangene Nachfrage und Produktion. Nach Ansicht der EU-Kommission sind dadurch bereits so günstige Voraussetzungen für die Klimaziele gegeben, dass die EU das CO2-Reduktionsziel freiwillig anheben will.

Die beiden einflussreichsten Industrieverbände in Deutschland, der Bundesverband der Deutschen Industrie und der Deutsche Industrie- und Handelskammertag, wehren sich gegen diese Pläne von Bundesregierung und EU-Kommission, den Klimaschutz in Europa stärker voranzutreiben. Sie lehnen das Vorhaben ab, die jährlichen CO2-Emissionen bis 2020 um 30 Prozent statt der bislang projektierten 20 Prozent gegenüber dem Referenzjahr 1990 zu senken.

Innerhalb eines Jahres gingen in Deutschland die CO2-Emissionen der größten Verursacher in der Industrie um 9,4 % zurück. Die beiden Industrieverbände BDI und DIHK möchten verhindern, dass die Politik in ihren Emissionsreduktionszielen daran anknüpft und die bisherigen Reduktionsziele anpasst. Bild: M. Brake

Bislang war geplant, die Anforderungen an die Verursacher nur zu erhöhen, wenn weitere Industrieländer außerhalb der EU, wie die USA und wenn auch die Schwellenländer sich ebenfalls zu mehr CO2-Minderung verpflichten. Ein weltweites Abkommen als Nachfolger zum Kyoto-Protokoll ist bisher aber nicht erreicht worden und nach dem Scheitern des Klimagipfels in Kopenhagen in weiter Ferne. Der BDI pocht auf die ursprüngliche Abmachung der EU.

Aber auch das Umweltministerium macht sich nun stark für mehr CO2-Reduktion und das vorgezogene 30 Prozent-Ziel. Am 11. Juni soll es dazu ein Treffen der EU-Umweltminister geben. Die deutsche Seite will ins Feld führen, dass striktere CO2-Grenzwerte nicht nur gut für die Umwelt, sondern auch Innovationsanreize sind, von denen letztlich die gesamte Wirtschaft profitiere. Auch der Maschinenbau-Verband VDMA teilt diese Ansicht, die deutschen Maschinenbauer seien bei energiesparenden Techniken Weltmarktführer und würden so von einer Modernisierung des Anlagenbestands in der EU profitieren. Der Bundesverband Erneuerbare Energie argumentiert, durch die Krise sei es leichter geworden, die bisherigen niedrigen Klimaschutzziele zu erreichen. So fehle der Anreiz in grüne Zukunftstechnik zu investieren.

Der BDI bestreitet dies, es sei falsch zu behaupten, Klimaschutz sei durch die Krise jetzt preiswerter zu haben, vielmehr gefährdeten zusätzliche Investitionen in Anlagenmodernisierung den Aufschwung. Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) hält das für bloß vorgeschoben. Tatsächlich sei die Anhebung des EU-Klimaschutzziels auf minus 30 Prozent CO2 bis 2020 besonders kostengünstig möglich, weil die emittierenden Betriebe u.a. durch die Produktionsrückgänge des letzten Jahres und die niedrigen bisherigen Emissionsziele einen Überschuss an Emissionszertifikaten angehäuft hätten, den sie nun mit einsetzen könnten.

Kein Plan B am Golf - das Öl ist auf dem Weg nach Europa

Die US-Regierung hat jetzt offiziell den Katastrophenfall für die Fischereiindustrie in Louisiana, Mississippi und Alabama ausgerufen. Allein die Fischer in Louisiana liefern rund 40 Prozent der Meeresfrüchte für den US-Markt. Katastrophenfall bedeutet, dass die betroffenen Unternehmen jetzt Staatshilfen beantragen können. Denn das Öl breitet sich immer weiter aus, so dass schon jetzt 20 Prozent der Fanggebiete vor der US-Golfküste für die Fischerei gesperrt sind.

Der Mix aus Öl und Dispergiermittel breitet sich mittlerweile durch die gesamte Meeressäule vom Grund bis zur Oberfläche aus und erreicht damit alle Ökosysteme im Golf. Was von BP vor allem als kosmetische Maßnahme gedacht war, um die Ölschwaden von den Küsten fern zu halten und absinken zu lassen, dürfte die ökologischen Auswirkungen letztlich noch verschlimmern. Abgesehen davon, dass die Lösungsmittel selbst auch nicht unschädlich sind und noch nie in solchen Mengen im Meer verteilt wurden, sind es von den Ölbestandteilen vor allem die polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffe, die jetzt Teil der Nahrungskette werden. Sie sind Krebs auslösend und führen zu Unfruchtbarkeit.

Vom Süden her wird der Golf von Mexiko von einer Warmwasser-Strömung aus der Karibik gespströmung gespeist. Sie tritt zwischen der Halbinsel Yucatan und Kuba in den Golf und bildet die "Gulf Loop Current", diese tritt südlich von Florida aus dem Giolf und mündet in den Golfstrom - Richtung Europa. Bild: Quelle: National Marine Sanctuary

Auch die Lebewesen an Land werden noch stärker betroffen werden. Vor den Bahamas braut sich gerade ein Tiefdruckgebiet zusammen, das spätestens ab Anfang Juni die Hurricane-Saison einleiten wird. Die Wirbelstürme werden die Ölschwaden dann noch weiter hinein in die empfindlichen Küstenökosysteme drücken. Dort ist zur Zeit die Brutsaison der Meeresvögel und die Meeresschildkröten gehen zur Eiablage an Land - 200 von ihnen wurden bereits verendet gefunden.

Heute will BP einen neuen Versuch starten das Loch abzudichten. Dazu soll schwerer Schlamm hinein gepumpt werden. Der Ölfluss soll so ausgebremst und das Loch danach per Zement verschlossen werden. Allerdings liegt die Erfolgschance nach BP-Angaben nur bei 60 bis 70-Prozent, denn es sei noch nie in einer Meerestiefe von 1500 Metern erprobt worden. US-Innenminister Ken Salazar drohte, BP die Leitung der Rettungsmaßnahmen zu entziehen, konnte allerdings selbst auch keine eigenen erfolgversprechenden Rettungspläne vorlegen. Letztlich sind sowohl der Ölkonzern als auch die US-Politik unvorbereitet in die Offshore-Exploration gegangen und haben damit maßgeblich erst zur Eskalation beigetragen. Auch zeichnet sich jetzt ab, dass der Konzern, entgegen seinen Ankündigungen, nicht alle Kosten tragen wird. Die US-Regierung plant bereits eine Vervierfachung der Mineralölsteuer, um die Folgekosten der Ölkatastrophe zu finanzieren. Was viel klingt, würde dann aber lediglich bedeuten, dass die Steuer auf 32 Cent pro Barrel angehoben würde.

Bereits letzte Woche erreichten die ersten Ölteppiche die "Loop Current" eine warme Oberflächenströmung, die das Öl Richtung Florida trägt und dann an Kuba vorbei in den Golfstrom mündet. Damit wird das Öl seine lange Reise über den Atlantik antreten.