Sound für feinfühlige Männer

Die HiFi-Messe "High-End 2004" hat in München eröffnet

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

"High Fidelity" ist nicht nur ein netter Film, sondern immer noch eine relativ ungefährliche Freizeitbeschäftigung – vom Kontostand und dem Verhältnis zu den Nachbarn in dünnwandigen Mehrfamilienhäusern einmal abgesehen.

Der Geek von heute hackt auf Keyboards herum, schraubt Festplatten in Computer und versucht, sein Handy zur Fernsteuerung des Toasters zu verwenden. Die CD-Sammlung hat dagegen wegen des anhaltenden Ärgers mit dank Kopierschutz nicht spielbarer Un-CDs über die Jahre schwer an Attraktivität verloren, was besonders auf hochwertigen Abspielgeräten auftritt, die neben der CD noch mehrere andere Formate wie DVD-Video, DVD-Audio oder SACD (Super Audio CD) beherrschen.

Leuchtet wie ein Weihnachtsbaum: Verstärker Emitter "Blue Edition" von ASR Audiosysteme im Transparentgehäuse (Bild: W.D.Roth)

Immerhin: Hybrid-SACDs, die mit einem zweiten Layer auch in normalen CD-Playern oder Computern laufen, sollen laut Aussage von Sony zukünftig ohne derartigen Kopierschutz auf den Markt kommen – der eigentliche Wert dieser Tonträger liegt ja in dem neuen Super Audio-Layer, der höhere Abtastraten und Auflösungen als beim CD-Standard mit seinen 44,1 kHz und 16 Bit bringt und teilweise auch Mehrkanalton wie bei den verschiedenen DVD-Varianten.

Spielt mit 10 Atü – und 1g Auflage: "Vyger Indian"-Plattenspieler von "Living Sound" (Bild: W.D.Roth)

Viele HiFi-Fans sind allerdings ohnehin nie von der analogen PVC-Langspielplatte abgegangen, auch wenn diese nicht nur aufwendiger zu fertigen, sondern auch komplizierter zu pflegen und abzuspielen ist. Ebenso sind im HiFi-Bereich neben kraftvollen kompakten Mehrkanal-Verstärkern in Digitaltechnik mit der Ausgangsleistung eines Heizlüfters und Verstärkern in konventioneller analoger Halbleitertechnik auch wieder Röhrenverstärker zu finden, die zwar die Eingangs- und Wärmeleistung des bewussten Heizlüfters aufweisen, jedoch bei den Ausgangsleistungen im zweistelligen Bereich bleiben – es soll ja gut klingen und nicht laut.

Alien? Raumschiff? Telefon? Nein, Lautsprecher! (Bild: W.D.Roth)

Zwar erinnern manche High-End-Plattenspieler, Lautsprecher und Röhrenverstärker ebenso wie die teils armdicken Spezialkabel mitunter an die Technik eines Dampfkessels oder Atomkraftwerks, die meisten Geräte sind dagegen extrem edel und schön. Der Klang ist ohnehin bei allem, was auf der High-End zu sehen ist, über jeden Zweifel erhaben.

Die Größe macht’s – und die Technik: Spezial-Audioröhre von KR Audio (Bild: W.D.Roth)

Der Begriff "High Fidelity" entstand schon in den 50ern. Da die damals geschaffene "HiFi-Norm" DIN 45500 jedoch für heutige Begriffe einen so niedrigen Maßstab ansetzt, dass ihr jedes bessere Kofferradio gerecht wird, wurde für wirklich gute Musikwiedergabe ein neuer Name geprägt: High End. Das Kriterium für ein High-End-Gerät ist dabei weder Preis noch Größe oder gar Statussymbol-Charakter. Trotzdem ist "High End" natürlich nicht billig. Die bayrische Kulturministerin Monika Hohlmeier sagte in ihrer Eröffnungsansprache deshalb, dass sie froh sei, dass diese Messe Qualität und Kultur vertrete und nicht die "Geiz ist geil"-Mentalität.

Wer hätte gedacht, dass sie einmal öffentlich "geil" sagt: Monika Hohlmeier (Bild: W.D.Roth)

Die Messe wurde von der High-End-Society, einem Zusammenschluss von High-End-Händlern gegründet und wird seit 22 Jahren traditionell am Vatertag eröffnet. Die erste High-End-Messe war das Ergebnis einer Unzufriedenheit insbesondere der kleineren Anbieter hochwertiger HiFi -Komponenten mit den damals vorhandenen Messeangeboten. Sie wurde deshalb auch nicht in klassischen Messehallen, sondern als Hotelmesse im Kempinski-Hotel in Gravenbruch bei Frankfurt am Main ausgerichtet, das mittlerweile als Standort jedoch zu klein wurde. Deshalb ist die "High End" nun ins Modemessezentrum M.O.C. in München-Freimann umgezogen, wo sie noch bis Sonntag auch für normale Besucher geöffnet ist. Der Eintritt ist mit 10 Euro dabei glücklicherweise nicht im High-End-Bereich.

Zwar ist "High End" eine Männerdomäne – doch Exzesse wie sie aus dem Autoanlagen-Bereich bekannt sind, wurden hier nur vereinzelt gesehen: Die Technik zählt (Bild: W.D.Roth)

Inzwischen zählt auch der Heimkino-Bereich zur High End. Wer nicht in München wohnt und bereits eine Surround-5-Kanal-Anlage und einen digitalen Satellitenreceiver hat, kann zumindest etwas High-End-Luft schnuppern: Der bayrische und der westdeutsche Rundfunk arbeiten ausnahmsweise einmal zusammen und haben eine 60 Minuten dauernde Dolby-Digital-Radiodemo produziert, die von experimentellen und Kinderhörspielen bis zu Konzerten alles Mögliche in 5-Kanal-Sound als Fernsehsignal abstrahlt. Was mit Quadrophonie und Kunstkopfstereophonie also nicht geklappt hat, könnte nun doch noch Realität werden: Das Hörspiel, in dem der Mörder sich gruselnderweise von hinten anschleicht!

Sondersendung mit Mehrkanalton: Nur zu Messen aktiv

Während der Testkanal nur zu Messen aktiviert und wenige Tage nach der High End wieder stillgelegt wird, wird das ARD-Nachtkonzert auf Bayern 4 Klassik auch weiterhin alle 14 Tage in 5-Kanal-Ton übertragen. Die Sendedaten: Astra 1H, 11,837 Ghz, Transponder 71H. Allerdings muss man dazu entweder um 2 Uhr nachts aufstehen oder mit einem Festplattenreceiver aufnehmen: Für eine 5-Kanal-Radioübertragung am Tage reicht nämlich die Bandbreite auf dem Satelliten bislang nicht. Im Fernsehen dagegen schon – "Wetten dass" oder "Musikantenstadel" in 5-Kanal-Dolby sind dann zugegeben auch etwas zum Gruseln...