Spin Doctoring im GDL-Arbeitskampf

Der "Diktator Weselsky" und die große "schmutzige Politik"

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Auch während des soeben beendeten neunten Streiks der GDL war wieder eine "Mobilmachung" gegen die GDL zu beobachten. Dass das nicht von ungefähr kommt, sondern von handfesten Interessen herrührt, zeigt ein Blick hinter die Kulissen: Bundesregierung, Deutsche Bahn, die Spitzen der "Großgewerkschaften" IGM und IG BCE und die DGB-Spitze selbst, die EVG und nicht zuletzt die Konzerne und Banken - sie alle hatten und haben ein jeweils eigenes, konkretes Interesse daran, die GDL "totzuverhandeln", in immer neue Streiks und möglichst in eine schwere Niederlage zu treiben. Gleichzeitig agieren die führenden Medien wie gleichgeschaltet. Sei es, weil das der Chefredaktionslinie entspricht. Sei es, weil eine wirksame Opposition im Lande weitgehend fehlt. Oder sei es, weil die Materie vielen Medienleuten einfach zu kompliziert erscheint. Jens Wernicke sprach mit dem Bahnexperten Winfried Wolf, der die "STREIKZEITUNG - JA zum GDL-Arbeitskampf - NEIN zum Tarifeinheitsgesetz" herausgibt, über Hintergründe und Geschehen.

Herr Wolf, Sie sind Initiator und Chefredakteur der vor wenigen Tagen erschienenen 6. Streikzeitung zum aktuellen Arbeitskampf der GDL. Wieso engagieren Sie sich für diesen Streik?
Winfried Wolf: Das hat mit drei Dingen zu tun. Erstens bin ich Verkehrsexperte und leidenschaftlicher Bahnfreund. Und eine Bürgerbahn und Flächenbahn, also eine Eisenbahn, die für die Menschen vor Ort da ist, kann nur überzeugen, wenn die Leute, die das Rad am Rollen halten, engagiert, gut ausgebildet sowie mit Lust und Leidenschaft pro Eisenbahn dabei sind.
Das ist heute aber nicht mehr eine Selbstverständlichkeit. Die Verantwortung dafür trägt ein Bahnmanagement, das seit 1994 die Belegschaft mehr als halbierte, die Arbeitsplätze abqualifizierte, den Stress bei der Arbeit erhöhte und den Schienenbetrieb unter anderem durch Fahren auf Verschleiß schwer beschädigte. Die GDL kämpft hier für Arbeitszeitverkürzung, für Überstundenbegrenzung und für Neueinstellungen. Das ist gut so. Die Grundlagen für das Schlichtungsverfahren, die am 21. Mai beschlossen wurden, sind daher ein guter Schritt in diese Richtung.
Zweitens bin ich linker engagierter Gewerkschafter - seit mehr als 30 Jahren bei ver.di - und Chefredakteur von Lunapark21 . Der Gegensatz Lohnarbeit und Kapital - und meine Parteinahme für die Sache der Arbeitenden und Erwerbslosen - bestimmt mein Handeln und Denken seit meinem neunzehnten Lebensjahr.
Aktuell erleben wir beim Arbeitskampf zwischen GDL und Bahn einen exemplarischen Machtkampf- mit der großen Gefahr, dass im Fall einer Niederlage der GDL der Angriff auf das Streikrecht verallgemeinert und ein weiterer wichtiger Schritt beim allgemeinen reaktionären Rollback, das wir seit Mitte der 1980er Jahre erleben, vollzogen wird. Es ist tragisch, dass diese Einsicht bei der DGB-Spitze und bei der IG Metall, der IG BCE, bei der IG Bau und bei der EVG fehlt. Diese Gewerkschaften agieren inzwischen immer mehr als Sherpa für die Unternehmertruppe beim neoliberalen Vormarsch denn als Interessenvertretungen der bei ihnen organisierten Arbeitnehmer.
Drittens schließlich arbeite ich seit ziemlich genau 15 Jahren punktuell mit GDL-Leuten zusammen und habe dabei sehr gute Erfahrungen gemacht. 2001 gründete ich die Bahnexpertengruppe Bürgerbahn statt Börsenbahn, die bis heute bei vielen Aktivitäten gegen die Bahnprivatisierung und für eine Bürgerbahn eine wichtige Rolle spielt. Von Anfang an war hier ein prominenter GDL-Mann mit bei uns dabei, der damalige Vorsitzende der GDL in Berlin-Brandenburg und Sachsen. Und heute ist ein Lokführer in unserer Gruppe aktiv. Auch deshalb engagierte ich mich bereits 2007/2008 im Arbeitskampf der GDL - damals mit einer eigenen Website sowie einem StrikeBlog. Da lag es auf der Hand, dass ich im November 2014, als sich der Konflikt zuspitzte, erneut den GDL-Arbeitskampf unterstützte. Dieses Mal nochmals prononcierter - mit einer Streikzeitung, von der inzwischen sechs Ausgaben erschienen sind.
Ich erlebe gerade allerorten, abends beim Bier, in öffentlichen Verkehrsmitteln, bei Telefonaten mit Freunden, dass mir entgegengebracht wird: "Mann, dieser Weselsky, langsam ist es echt genug, der Mann nervt einfach nur noch!" Was erleben wir denn hier?
Winfried Wolf: Das kann ich so kaum umfassend beantworten. Da spielt verdammt viel mit herein. Zunächst einmal würde ich die Grundaussage wenn sie denn verallgemeinert wird, schlicht in Frage stellen. Nervt der Mann wirklich? Und wenn, dann wen?
Die Tatsache, dass nach dem vorletzten Streik, dem 6-Tage-Streik, eine repräsentative Umfrage ergab, dass 52 Prozent der Befragten für den GDL-Streik "kein Verständnis" hatten und dass umgekehrt fast die Hälfte der Befragten sehr wohl Verständnis aufbrachten, finde ich vor dem Hintergrund der Dauer dieser Tarifrunde, der vielen Streiks, die es bislang gab, und der medialen Hetze, die gegen die GDL auf fast allen Kanälen betrieben wurde und wird, sogar erstaunlich positiv für die GDL.
Ich würde mal sagen: Der Mann hat Ecken und Kanten; aber er ist authentisch und glaubwürdig. Vergleichen Sie den doch mal mit einem DGB-Hoffmann oder einem EVG-Kirchner. Diese Bürokraten sind doch derart blass und unglaubwürdig, dass es gar nicht lohnt, sich bei denen genervt zu zeigen.
Weselsky mag undiplomatisch sein. Er mag mal im Ton daneben liegen. Seine Aussage zur EVG mit dem Vergleich mit Behinderten war unsäglich. Doch er hat sich glaubwürdig entschuldigt. Und er agiert ohne Visier, ohne Redemanuskript; kompetent und offen. In der heutigen politischen Landschaft finde ich das ausgesprochen erfrischend. Und wenn der Autovermieter Sixt ihn dann zum "Mitarbeiter der Woche" kürt, dann ist das einerseits originell, andererseits aber auch eine Art Ritterschlag. Auf den entsprechenden Sixt-Plakaten ist Weselsky recht positiv abgebildet.

"Die Medienkampagne hat funktioniert, weil es auch um einen Ost-West-Kulturkonflikt geht"

Und diese "positive Darstellung" hatte und hat eher Seltenheitswert?
Winfried Wolf: Allerdings. Relativ grundsätzlich sind die Medien in diesem Arbeitskampf dadurch aufgefallen, dass sie eher unobjektiv und gelegentlich sogar richtig verletzend und hetzerisch gegenüber der GDL im Allgemeinen und Weselksy im Besonderen agierten. Und das wirkt ja auch massiv zurück auf die Bevölkerung selbst, womit wir wieder bei Ihrer letzten Frage sind…
Dennoch aber gibt es weiterhin erheblich Zustimmung für diese Truppe. Vor der letzten großen Pressekonferenz etwa mussten die Medienleute 25 Minuten auf den Beginn der Veranstaltung - auf der dann der neue Streik verkündet wurde - warten. Ich war dabei und vertrat mir da im "Forum" des Beamtenbunds die Füße. Da wurde ich Zeuge des kurzen Wortwechsels zwischen einem Journalisten und einer Journalistin, beide mit je zwei schweren Nikon-Kameras behängt. Er zu ihr: "Du bist doch jetzt nicht auch bei der GDL?". Sie: "Nein. Aber schämen würde ich mich nicht, wenn ich bei denen dabei wäre." Und das ist - nun, nicht alles, aber doch wichtig und auch sehr viel wert.
Und diese "Hetze", von der Sie sprachen: Wie wird da agiert?
Also, ich persönlich bin - als Wessi übrigens - davon überzeugt, dass die Medien-Kampagne gegen die GDL und Claus Weselsky insbesondere deshalb so gut "funktioniert" hat und wirksam war, weil es da auch um einen Ost-West-Kulturkonflikt geht.
Sehen Sie: So gut wie alle Kommandohöhen in dieser seit 1990 neu vereinten Republik sind von Wessis besetzt. Die meisten Firmenchefs im Osten sind Wessis. Die meisten führenden Gewerkschaftsleute im Osten sind Wessis. Selbst der erste Ministerpräsident der Linkkspartei in Ostdeutschland ist ein Wessi - und jetzt der von der GDL benannte Schlichter.
Ganz Deutschland ist von den Wessis besetzt … ganz Deutschland? Da gibt es diese kleine Gallier-Gewerkschaft: Unbezwungen, kämpferisch, authentisch. Die Mitglieder dieser Gewerkschaft sind zu einem großen Teil Ossis. Selbst bei der GDL in Bayern sind rund 30 Prozent Ostdeutsche, Menschen, die aufgrund des Kahlschlags bei der ehemaligen DDR-Reichsbahn und der hohen Arbeitslosenquoten im Osten in den Westen gingen und hier Arbeit fanden. Der GDL-Boss redet irgendwie anders. Ja, er sächselt. Wenn bei uns ein Top-Politiker oder Top-Manager oder Top-Gewerkschafter Dialekt spricht, dann wird das ja durchaus akzeptiert - solange es Schwäbisch - Kretschmann - oder Bayerisch - Seehofer - ist. Aber wehe, da sächselt einer - und dann auch noch in der Tagesschau. Aber, hallo, ist das denn die "Aktuelle Kamera"?
Der Dialekt ist bei diesem Kulturkonflikt aber nur die eine Seite. Es geht weiter mit der Grund-, ja, der Körperhaltung. Ein Ossi hat nach den Westvorstellungen devot zu sein. Es geht gerade noch, wenn der Ossi als Charmeur und Moderator auftritt, Rollen, die etwa Gregor Gysi gut verkörpert. Aber diese offensive Haltung von Weselsky, in einem Interview in "Bild" zu sagen: "Grundsätzlich habe ich ein Vorbild - Luther. Seinem Ausspruch 'Hier steh ich und kann nicht anders' fühle ich mich verbunden", das stößt in den zu 98 Prozent westlich dominierten Herrschaftskreisen unangenehm auf. Besonders, wenn das noch mit einer Körperhaltung des aufrechten Gangs - wie das Ernst Bloch vor allem im übertragenen Sinn meinte - unterstrichen wird. Genau dies war auch dem "Bild"-Politik-Chef aufgefallen, sodass der einleitende Satz des Interviews dort lautete: "Durch die Drehtür sehe ich Claus Weselsky (56), hünenhaft, breitbeinig."

Verhandlungsziel: Das Gegenüber "bewusst in eine Sackgasse" zu manövrieren?

Bleiben wir noch einen Moment beim Thema Mediendarstellung… Sie schrieben in der vierten Ausgabe der Streikzeitung, es gebe da eine Art Spin Doctoring bei der gesamten medialen und politischen Kampagne gegen die GDL. Das beträfe auch die Personalisierung, die hier vorgenommen werden würde. Wie haben Sie das gemeint?
Winfried Wolf: Die GDL hat im Februar aufgedeckt, dass Werner Bayreuther, der Vertreter des Arbeitgeber- und Wirtshaftsverbandes der Mobilitäts- und Verkehrsdienstleister - eine lächerliche und irreführende Konstruktion, hinter der sich ausschließlich die Deutsche Bahn AG und ihre Tochtergesellschaften verbergen - aktiv ist bei dem in Zürich ansässigen Schranner Negotiation Institute. Dieses Institut agiert offen gewerkschaftsfeindlich. Vor allem entwickelte es eine Verhandlungsphilosophie, die da lautet: "Keine Kompromisse".
Jüngst konnte der Institutsleiter Matthias Schranner im Spiegel erklären: "Deutschland leidet an seiner Kompromisskultur. Auch in den Konzernen." Bei Verhandlungen im Wirtschaftsleben, auch bei Tarifauseinandersetzungen, sei das wie bei Verhandlungen zwischen der Polizei und Geiselnehmern. Matthias Schranner selbst präsentiert sich als ehemaliger Verhandlungsführer der Polizei bei Geiselnahmen und Banküberfällen. Da kann sich die GDL aussuchen: Wird sie vom Bahn-Konzern als Geisel behandelt oder als Bankräuber?
Eine strategisch angelegte Verhandlung hat nach den Prinzipien dieses Instituts dabei auch das mögliche Ziel, das Gegenüber "bewusst in eine Sackgasse" zu manövrieren. Zum Beispiel: Man macht einige Zugeständnisse, der Streik wird abgebrochen, aber die eigentlichen Verhandlungen stehen noch aus. Nach zwei Monaten, wenn die Verhandlungen wieder beginnen, wird dann die frühere Vereinbarung widerrufen. Die Gewerkschaft muss also überlegen, ob sie umgehend neu streiken will.
Das kommt einem ja irgendwie bekannt vor…
Winfried Wolf: Genau. So in etwa verliefen die Verhandlungen zwischen DB und GDL nun über viele, viele Monate hinaus - und immer gelang es der Bahn, die GDL als Buhmann und nicht kompromissbereit darzustellen.
Auf besagter Instituts-Website ist übrigens an anderer Stelle konkret ausgeführt, wie man sein Gegenüber in einen Streik hineintreiben kann - nach dem Motto "Warum ein Streik nicht vermieden werden sollte". Und ganz nah an der Wirklichkeit des Verhaltens der Deutschen Bahn AG und der Rezeption der DB AG-Strategie in den Medien sind wir, wenn die Spin Doctors aus Zürich dann weiter ausführen, man müsse "die Motive hinter den Positionen" der Gegenseite ausfindig machen.
Dazu gehöre auch die Analyse der Persönlichkeitsstrukturen des Gegenübers: Er soll in der Öffentlichkeit möglichst als "schwierige Persönlichkeit" erscheinen. Und diese letztgenannte Zielsetzung haben diese Leute tatsächlich verwirklichen können. Weselsky wurde von den Medien als "der meistgehasste Gewerkschafter" des Landes, als "Diktator" sowie dem kleinen Mann auf der Straße entfremdeter Neureicher inszeniert, er stand unter Betrugsverdacht, war stets "kompromisslos" oder gar "erpresserisch" usw. usf.
Sehen Sie also einen regelrechten "PR-Plan" hinter all den Anfeindungen gegen Weselsky und die GDL?
Winfried Wolf: Natürlich können wir keinen durchgängigen Beweis dafür führen, dass bei dieser Auseinandersetzung das Drehbuch in Zürich geschrieben wurde. Oder dass hier andere Spin Doctors zu Werke gingen. Ganz sicher aber bin ich mir: Ein erheblicher Teil dieser Auseinandersetzung war inszeniert - und zwar von Seiten der Deutschen Bahn AG.
Da gibt es die streikgeile GDL. An deren Spitze steht ein uneinsichtiger Gewerkschaftsboss. Diese "lähmen die Republik". Der Gegenspieler Deutsche Bahn AG hingegen wird repräsentiert durch eine verhuschte Gestalt namens Ulrich Weber, dessen Schmierenkomödien-Auftritt immer in dem Satz gipfelt: "Ich bin vollkommen ratlos - wo wir doch gerade einen Millimeter vor einer Einigung standen…" Und ab und an sieht man noch Herrn Grube hinter einer Hecke hervorlugen, die Stirn in Sorgenfalten, von "der Verantwortung der Tarifparteien" redend.

"Was hier abläuft, ist offenbar hohe - also schmutzige - Politik"

Aber wie kann ein Bahnkonzern eine solche Politik durchhalten - die kriegen für diese, wie Sie sagen, "Inszenierung" doch nichts bezahlt - im Gegenteil, das läuft doch voll ins Geld?
Winfried Wolf: Ja, das sieht nach einem Mysterium aus. Zumal es hier um gewaltige Summen geht. Aktuell steht die Zahl von 400 Millionen Euro im Raum, die der Deutschen Bahn AG durch die bislang neun Streiks an Verlusten entstanden sein sollen. Selbst wenn es an direkten Verlusten nur halb so viel sein sollte, so kommen ja noch erhebliche volkswirtschaftliche Verluste hinzu. Und es gibt enorme Imageverluste bei der Bahn, die im Fernverkehr den Trend hin zu den Bussen verstärken werden.
Nein, das ist keine rationale Konzernpolitik. Siemens oder Daimler würde sich einen solchen Arbeitskampf nie und nimmer leisten: Elf Monate Kampf und immer noch keine ernsthaften Gespräche über die eigentlichen Forderungen, aber Verluste im dreistelligen Millionenbereich, da würden die Aktionäre aufschreien und das Management binnen kurzem austauschen.
Was hier abläuft, ist offenbar hohe - also schmutzige - Politik. Provokateur und Eskalierender ist dabei gar nicht primär die Deutsche Bahn AG, sondern deren Eigentümer: die Bundesregierung. Es sind Merkel-Gabriel-Nahles. Diese bereiten seit einem Jahr und damit exakt parallel zur dramatischen Tarifrunde das "Tarifeinheitsgesetz" vor. Dessen Zielsetzung besteht darin, kämpferische Gewerkschaften wie die GDL existenziell zu bedrohen.
Die Bundesregierung kontrolliert das Unternehmen Deutsche Bahn AG in vollem Umfang - als Alleineigentümer sowie über den IM Ronald Pofalla, den Ex-Kanzleramtsminister, der seit Januar 2015 an der Seite Grubes die Konzernpolitik mit der Berliner Politik verzahnt. Bahnpolitik ist Bundespolitik. Und die Politik der großen Koalition mit dem Tarifeinheitsgesetz ist Politik im Interesse von Konzernen und Banken. Man kann daher mit Fug und Recht heute sagen, dass die GDL auch und vor allem um unser aller Grundrecht, das Grundrecht der Koalitionsfreiheit nämlich, streikt.
Auch da hat mich die mediale Gleichschaltung erstaunt. Der Tenor ist, die Bundesregierung mische sich nicht ein; es gelte, "die Tarifautonomie zu respektieren". Das ist doch ein saudummes Geschwätz. Es geht doch nicht um Tarifautonomie. Natürlich soll sich die Bundesregierung als Regierung aus dem Konflikt heraushalten. Es geht um ihre Verantwortung als Eigentümerin. "Eigentum verpflichtet", heißt es dazu im Grundgesetz. Das betonte auch Claus Weselsky auf der genannten Pressekonferenz. Die Bundesregierung ist verpflichtet, Schaden von der Deutschen Bahn abzuhalten.
Da ist es doch fast schon absurd, wenn ausgerechnet der FDP-Vize Kubicki im Blatt Focus (18.5.) ein paar Grundsätze erklären musste, als er sagte: "Der erneute Streik […] ist die Folge der grundgesetzlich garantierten Koalitionsfreiheit. Ein Streik, der nicht weh tut, taugt nichts. Es ist an der Bahn, hierauf angemessen zu reagieren." Kubicki verstand unter einer "angemessenen Reaktion" dabei die Präsentation eines "vernünftigen Angebots" seitens der Deutschen Bahn AG.
Und wie wird es nun weitergehen? Setzt die GDL sich durch; was meinen Sie?
Winfried Wolf: Es wird jetzt darauf ankommen, dass man wenigstens jetzt im Rahmen der Schlichtung zu des Pudels eigentlichem Kern vorstößt. Da die GDL im Vorfeld durchsetzen konnte, dass sie einen Tarifvertrag für das gesamte Zugbegleitpersonal abschließen wird können, dass es keine zwei Klassen von Lokführern mehr gibt, sie zukünftig also auch für die Rangierlokführer verhandeln darf, dass also diese Themen nicht Gegenstand der Schlichtung sind, sollte es jetzt tatsächlich zu substantiellen Verhandlungen kommen können. Matthias Platzek und Bodo Ramelow als Schlichter dürften Wert darauf legen, dass nicht noch weitere Zeit vertan wird.
Die Chancen für die GDL stehen also gut. Allerdings wird es weiter notwendig sein, wachsam zu bleiben, die Solidarität für die GDL weiter zu entwickeln und den Arbeitskampf bei der Bahn in den Zusammenhang zu stellen zu den anderen Kämpfen und Bewegungen, die es in den Bereichen Kitas, Sozialarbeit, Post, Amazon, Lehrkräfte usw. doch reichlich gibt. Eine enge Vernetzung dieser Kämpfe macht allen Beteiligten Mut und bringt den erforderlichen langen Atem. Auf diese Weise weht ein echt belebender neuer Wind in unserem Land.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

Mit Ihrer Zustimmmung wird hier eine externe Buchempfehlung (Amazon Affiliates) geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Amazon Affiliates) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.