Spionage für Russland? Journalist seit drei Monaten in polnischer Kontaktsperre

Foto mit freundlicher Genehmigung von Oihana Goiriena

Gilt die Grundrechtecharta der EU in Polen nicht? Ohne Beweise für die angebliche Spionage vorzulegen, hat ein polnisches Gericht in Polen die Untersuchungshaft um weitere drei Monate verlängert

Polen hatte Ende Februar den baskisch-russischen Journalisten Pablo González verhaftet, wie Telepolis berichtete. Jetzt hat das zuständige Gericht, wie befürchtet worden war, entschieden, die Untersuchungshaft um drei Monate zu verlängern. Vorgeworfen wird González Spionage für Russland.

Beweise für den Vorwurf werden von den polnischen Behörden aber weiterhin nicht vorgelegt. Anfänglich hatten sie sich auf seine beiden Pässe gestützt, in denen unterschiedliche Namen stehen. Doch das ist mittlerweile geklärt. Sie sind auch nicht gefälscht. Dass der in Russland geborene Journalist im russischen Pass Pavel heißt und dort den Familiennamen des Vaters Rubtsov trägt, ist genauso normal, wie er im spanischen Pass Pablo González stehen hat.

An seiner Situation hat sich wenig geändert. Er hat noch immer keinerlei Kontakt zu seinem Vertrauensanwalt in Madrid, wie der Anwalt Gonzalo Boye gegenüber Telepolis bestätigt. Auch gibt es nach drei Monaten (!) noch immer keinerlei Kontakt zur Familie, sogar an seinem 40. Geburtstag (vor einem Monat) durfte Pablo González weder mit seiner Frau noch mit seinen Kinder, Eltern oder Freunden sprechen. "Wir wissen, dass ihm nicht einmal unsere Briefe ausgehändigt werden", erklärt seine baskische Frau Oihana Goiriena.

Allerdings ist González nun nicht mehr vollständig isoliert. Er ist mit einem weiteren Gefangenen auf einer Zelle. Freunde haben ihm inzwischen mit Bartosz Rogasa auch einen polnischen Anwalt besorgt, mit dem er bereits in Kontakt steht. Die Behörden hatten ihm zuvor zwei Pflichtverteidiger zugewiesen, die zunächst nicht einmal auffindbar waren und dann schnell die Mandate niedergelegt haben.

Justiz: Was gilt in Polen?

Für den Madrider Rechtsanwalt Boye ist es unglaublich, dass einem Journalisten sogar in einem EU-Land praktisch alle Verteidigungsrechte verweigert werden. Um die Untersuchungshaft zu verlängern, argumentierte die Staatsanwaltschaft mit "Flucht- und Verdunkelungsgefahr". Sie hat aber auch dem polnischen Anwalt keinerlei neue Dokumente oder Beweise vorgelegt.

Pablo González' Vertrauensanwalt weiß nicht, warum er als "zuvor bestellter Anwalt ihn nicht besuchen und auch die eigene Familie nicht mit ihm kommunizieren kann". Er fragt: "Gilt die Grundrechtecharta der EU in dem EU-Mitgliedsstaat nicht?" Die soll die "Unschuldsvermutung und Verteidigerrechte" garantieren.

"Es wurde keine einzige europäische Vorschrift über die Grundrechte der Behandlung von Gefangenen, keine einzige Vorschrift der Charta der Grundrechte in Bezug auf ein ordnungsgemäßes Verfahren beachtet", erklärt Boye. Auch die spanische Regierung kritisiert er. Die setzte sich nicht für die Wahrung der Grundrechte des Journalisten ein, lasse Polen das "Fundament der EU aushöhlen".

Für Boye, einem Anwalt, der sich einen internationalen Namen verschafft hat, ist klar, dass man nicht will, dass er mit Pablo González sprechen oder ihn sehen kann, er also die Verteidigung nicht führen kann. Aus polnischer Sicht, wo man offenbar nichts vorzuweisen hat, ist das verständlich. Schließlich gewann der Anwalt die Verfahren für Exil-Katalanen oder für den Sänger Valtònyc.

Gerade hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) das Europaparlament und Spanien dafür abgewatscht, dass dem katalanischen Exil-Präsidenten Carles Puigdemont und zwei seiner Mitstreitern die Immunität aberkannt wurde. Die wurde ihm nun wieder zugesprochen, woran Boye großen Anteil hatte. Spanien hatte europäische Gerichte belogen und weiter versucht, die drei Parlamentarier zu verhaften.

Weichkochen

Boye vermutet, dass González über die Haftbedingungen weichgekocht werden soll, damit er etwas zugibt, was nicht stimmt. Die Untersuchungshaft könne um zwei weitere Dreimonatszeiträume bis auf ein Jahr verlängert werden, bevor er vor Gericht gestellt wird. Boye wurde auch mitgeteilt, dass weiterhin weder er noch seine Frau González besuchen dürfen, wofür immer neue Ausreden angeführt werden.

Der polnische Anwalt wird binnen der Frist von einer Woche Widerspruch gegen die Haftverlängerung einlegen. Hoffnungen darauf, dass González freikommt, haben weder Rogasa noch die Familie. "Offen gesagt, sind wir sehr besorgt über die Entwicklung des Prozesses", erklärt Boye.

Komitee zum Schutz von Journalisten fordert Beweise

Wenn man Beweise habe, solle man die endlich auf den Tisch legen, fordert auch das Komitee zum Schutz von Journalisten (CPJ). Das CPJ ist "besorgt", wie der Europa-Repräsentant Attila Mong erklärt.

Die polnischen Behörden müssen sicherstellen, dass González Zugang zu einem angemessenen Rechtsbeistand und einem fairen und transparenten Gerichtsverfahren hat und dass er nicht für seine journalistische Tätigkeit bestraft wird. Berichterstattung ist kein Verbrechen.

CPJ

Die Reporter ohne Grenzen (RSF) fordern längst die sofortige Freilassung des Reporters, "maximale Transparenz" und eine Behandlung nach "EU-Rechtsstandards".

Polnische Justiz in der Sackgasse?

Allem Anschein nach hat man sich in Polen in einer Sackgasse verrannt. Sogar Piotr Niemczyk, Ex-Direktor eines polnischen Geheimdienstes, hat in einem Beitrag in der Gazeta Wyborcza seine ehemaligen Kollegen wegen des Vorgangs verhöhnt und glaubt, dass die sich "lächerlich" machen. Kein russischer Dienst würde es einem Spion erlauben, zwei Pässe mit sich zu führen, schon gar keinen für ein Land, für das er spioniert.

Niemczyk macht sich auch darüber lustig, dass ein angeblicher Agent Berichte zur Verteidigung der Menschenrechte schreibe oder ukrainische Flüchtlinge unterstütze, die vor Putins Krieg fliehen. Denn aus Przemysl, der Grenzstadt zur Ukraine, hatte González unter anderem für den spanischen TV-Sender La Sexta, die baskische Tageszeitung Gara oder die spanische Online-Zeitung Público über die Flüchtlinge berichtet.

Zuvor hatte er die Ukraine verlassen, weil er vom dortigen Geheimdienst wegen seiner Recherchen im Osten schon einmal festgenommen worden war.