Spione in Putins Land

Auch nach der Machtübernahme des Präsidentenamtes durch Dmitri Medwedew in Moskau, werden kritische, regierungsunabhängige Medien in Russland immer noch gegängelt und drangsaliert. Zwei russische Journalistinnen arbeiten wie Spione in Putins Land.

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Natalja Morar (24 Jahre), die seit sechs Monaten ein Einreiseverbot in die Russische Föderation hat und für das regierungskritische Magazin The New Times in Moskau schreibt, freut sich besonders darüber, dass einer der Gerd-Bucerius Förderpreise an ihre Redaktion ging, den „The New Times“-Verlegerin Irena Lesnevskaya in Hamburg entgegen nahm. Einerseits sei dieser Preis gut, da „wir eine freie Presse brauchen“. „Aber, wir werden danach noch mehr Probleme haben, in Russland frei zu recherchieren und zu schreiben. Denn die russische, politische Elite wird behaupten, dass wir nun Spione sind, vom Ausland gekauft und Opfer internationaler Interessen“, erklärt Morar nach der Preisverleihung. Obgleich sie mit der Übernahme des russischen Präsidentenamtes durch Dmitri Medwedew eine gute Chance sieht, dass sich auch in Russland bald die Demokratie verfestigt, beurteilt sie die Gegenwart weniger optimistisch, da Medwedew das System nicht ganz verändern könne und Putin weiterhin an der Macht bleibe.

Nachdem Natalja Morar während der Wahlen in Russland in mehreren Artikeln über „schwarze Kassen“ geschrieben hatte, womit sie aufdeckte, dass die russischen Parteien nicht über legale Mittel finanziert werden, bekam sie nach einer Auslandsreise keine Einreiseerlaubnis mehr nach Russland. „Bis heute darf ich nicht einreisen, da ich immer noch als eine Bedrohung für die öffentliche Ordnung und die nationale Sicherheit gelte“, sagt Morar, die sich augenblicklich in der Russischen Botschaft in Cisinau aufhält. Die Klage des Ehepaars gegen den Erlass des ehemaligen Vorsitzenden des ökonomischen Wirtschaftsdienstes des Inlandsgeheimdienstes und derzeit amtierenden Direktors des FSB Alexander Vasilyerich Bortnikov wurde bereits in zwei Gerichtsinstanzen, zuletzt im Moskauer Bezirksgericht Meschanski im April, abgelehnt.

Als nächste Klageinstanz wählt Morar das Straßburger Gericht. Doch hegt sie keine großen Hoffnungen, dass sie die russische Metropole jemals wieder betreten darf. „Solange Bortnikov Chef des FSB ist, werde ich nicht einreisen dürfen“, befürchtet sie. Dabei lebt die Journalistin aus Moldawien seit sechs Jahren in Moskau, hat dort ihr Arbeitsumfeld und ihre Freunde: „In Moldawien kann ich nicht als investigative Journalistin arbeiten. Das ist schlimm für mich, weil ich diese Arbeit liebe und ein Gegenbeispiel für viele russische Journalisten sein möchte, die korrupt sind.“

Natalja Morar gehört zu den Nachwuchsjournalisten, an die hohe Erwartungen gestellt werden. Sie hatte gerade erst ihr Studium in Soziologie an der Moskauer Universität beendet und war in mehreren Studentenrechtsbewegungen engagiert, als sie einen ungewöhnlichen Anruf erhielt. Die stellvertretende Chefredakteurin Eugenia Albats von „The New Times“ bot ihr vor zwei Jahren überraschend an, für das neu gegründete politische Magazin zu arbeiten. Die Redaktion bestand in den Anfängen nur aus einem kleinen Team. Die Journalisten arbeiteten rund um die Uhr und übernachteten in den Redaktionsräumen.

Das Magazin musste sich gegen die große Konkurrenz regierungstreuer, etablierter Medien in Moskau durchsetzen. Dabei investierte die ehemalige Chefin eines bekannten russischen Fernsehsenders und jetzige „The New Times“-Gründerin Irena Lesnevskaya ein kleines Vermögen in das Magazin-Projekt. Die Idee dafür kam ihr nach der Ermordung der Journalistin Anna Politkovskaya. Irena Lesnevskaya wollte ein unabhängiges, kritisches politisches Magazin und schaffte es, innerhalb kurzer Zeit auf dem russischen Medienmarkt eine bedeutende Rolle zu spielen. Die Redakteure bezahlt sie noch aus der eigenen Tasche. Anzeigenkunden habe es bisher keine gegeben. Einzig Gönner, die der Redaktion Geld unter der Hand zuschieben wollten. Dann schließlich erklärte sich ein bekannter Geschäftsmann bereit, in „The New Times“ eine Anzeige zu schalten. Verheerende Entscheidung, aufgrund dessen er durch Druck von außen kurz darauf bankrott war.

Die Nachwuchsjournalistin Natalja Morar steht als Symbol für eine junge Generation, die sich nicht kaufen oder bevormunden lassen will. Und das, obgleich sie als Journalistin ständig bedroht wird. Angst verspürte sie zum ersten Mal, als sie am Flughafen die Geheimpapiere des FSB in Händen hielt, in denen sie als „Bedrohung für die nationale Sicherheit“ bezeichnet wurde. Daraufhin verbrachte sie eine ganze Nacht am Flughafen allein in einem kleinen Raum und wartete vergeblich darauf, eine Maschine in Richtung Moskau nehmen zu dürfen. Ungern erinnert sie sich auch daran, als sie einen zweiten Einreiseversuch zusammen mit ihrem Mann unternahm und wieder abgeschoben wurde. Angst verspürt sie jedoch hauptsächlich um ihre Familie. Denn kurz darauf bekam ihre Mutter Drohanrufe von einer Männerstimme, dass man ihre Tochter umbringen würde. Natalja Morars Mutter erlitt daraufhin einen Herzinfarkt und wurde mit dem Notarzt ins Krankenhaus eingeliefert: „Ich mache nur meinen Job, und das auf professionelle Weise. Vielleicht bin ich ein bisschen verrückt, ein so großes Risiko einzugehen."