Steinigungen von untreuen Frauen befürwortet

Frankreich will Imame besser ausbilden

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Man müsse nicht zweimal darüber nachdenken, ob man einen Prediger aus dem Ausland ausweisen solle, wenn er für Gewalt eintritt, sagte Dominique de Villepin, früherer Außenminister Frankreichs, jetzt als Innenminister dabei, sich ein markantes Profil zu verschaffen. Im besonderen Visier von Villepin: die Imame der fünf Millionen Muslime Frankreichs. Der Staat soll dafür sorgen, dass sie künftig im Sinne eines moderaten Islam ausgebildet werden. Ein "französischer Islam" soll daraus hervorgehen.

Nur von zehn Prozent der 1.000 bis 1.500 Imame glaubt man nach Angaben des Guardian, dass sie die französische Staatsbürgerschaft haben, weniger als die Hälfte würde französisch sprechen, die Mehrheit wahrscheinlich illegale Einwanderer. Seit 2001 wurden 27 Muslimprediger ausgewiesen; die meisten seit letztem Sommer. Grund: radikale Äußerungen, die weder mit Menschenrechten noch mit dem französischen Recht zu vereinbaren sind.

Letzte Woche wurde ein algerischer Imam ausgewiesen. Der 52jährige Abdelkader Bouziane hatte in einem Interview erklärt, dass Frauen nicht den Männern gleichgestellt werden könnten, Männer Frauen gegenüber Gewalt anwenden dürften und er Steinigungen von untreuen Frauen befürworte.

Doch so schnell, wie es de Villepin möchte, laufen auch in Frankreich die Pferde nicht: ein französisches Gericht hat die Ausweisung des mehrfachen Vaters am Freitag suspendiert. Die Gründe müssten in einem eigenen Verfahren erst geklärt werden. Abdelkader Bouziane muss nach Frankreich zurückgeflogen werden.

Einige Zeit zuvor war der selbst ernannte Imam von Brest, Yahia Cherif, ausgewiesen worden, weil er seiner Gemeinde nahegelegt hatte, sich an den Bombenattentaten von Madrid zu "erfreuen". Nationales Aufsehen erregte auch der Fall von Imam Salem Chaftar, der in einer Reportage des Fernsehsenders France 2 mit dem Aufruf zum "Dschihad gegen die Ungläubigen" zu hören war.

Die Mehrheit der Imame, die in Frankreich predigen, hätten keine formale religiöse Ausbildung, die meisten seien Autodidakten, meint Abdellah Boussouf, ein Imam aus Straßburg, der mit dem moderaten französischen Nationalen Muslim Rat an einem Ausbildungsprogramm arbeitet.

Kritik und Sorge über eine zunehmende Radikalisierung von Muslimen im Land kommt in Frankreich nicht nur von den "üblichen Verdächtigen" sondern auch aus muslimischen Kreisen selbst.

Während die muslimischen Organisationen in Deutschland schon stolz darauf sind, dass sie sich endlich öffentlich entschieden gegen die Terrorakte abgegrenzt ("Das hat nichts mit dem Islam zu tun") haben, gehen prominente französische Muslime sowohl in der analytischen Durchdringung des Phänomens des militanten Islams und in dessen Kritik einige, wesentliche Schritte weiter (ohne dabei in irgendeiner Art apologetisch zu sein), wie ein Interview mit dem Rektor der Großen Moschee in Paris und Vorsitzenden des Muslim-Rates, Dalil Boubakeur zeigt:

Das ist nicht der traditionelle Islam, ausgewogen und ruhig, der momentan im Aufwind ist, in Frankreich wie anderswo. Es ist vielmehr eine sozio-politische Sicht, die am meisten präsent ist. Eine meist harte, radikale ("dure") Form des Islam, die wir heute beobachten, wie sie sich unter den Muslimen in Frankreich entwickelt, besonders unter den jungen. Das ist ein Islam der starken Forderungen ("revendication"), der andere Ziele hat als das spirituelle oder religiöse Leben in den Moscheen.

Man finde darin, so Boubakadeur, auch eine Forderung nach Identität. Diese Art von Islam nehme außerdem die Form eines Protestes an - gegen den Rassismus, gegen den Ausschluss, gegen die Stigmatisierung des Islam. Es sei ein Islam der Aktion, dem die sozio-ökonomischen Bedingungen angesichts der Bilder, welche die Verhältnisse in Palästina und im Irak zeigen, eine Färbung geben - im Extremfall bis zur Unruhe.