Sternschnuppen über Texas

Ein Fanal für das Ende der zivilen Supermacht?

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Mit der Columbia haben die USA die zweite Raumfähre mit sieben Insassen nach der Challenger vor 17 Jahren verloren. Damals handelte es sich um eine Explosion nach dem Start (durch einen undichten Ring an einer der Booster-Raketen). Diesmal handelt es sich um ein noch ungeklärtes Auseinanderbrechen der Fähre nach gelungener 16tägiger Mission am Ende der kritischen Eintrittsphase über Dallas, Texas um 15:00 MEZ. Dass ausgerechnet der bisher unproblematische Eintritt ein tödliches Desaster werden sollte, überrascht denn doch, obwohl es immer wieder Kritik an der Hitzeschild-Technologie und Berichte darüber gab, dass Teile davon bei Wiedereintritten abbrachen.

The STS-107 crew. Seated in front are astronauts Rick Husband, commander, and Willie McCool, pilot. Standing are (from left) mission specialists Dave Brown, Laurel Clark, Kalpana Chawla, Mike Anderson (payload commander) and payload specialist Ilan Ramon, representing the Israeli Space Agency. Photo: NASA.

Die Öffentlichkeit ist verunsichert. Die klassische Frage, ob ein menschliches Versagen oder ein technischer Defekt vorliegt, wird in neuer, trauriger Form gestellt: Ist ein terroristischer Akt, bei der Geschwindigkeit von 18,3 Mach, auszuschließen? Beim Start sicherten Militärmaschinen den Luftraum. Oder hat die NASA Sicherheitsstandards vernachlässigt, nicht zuletzt bedingt durch chronische Finanzknappheit?

Angesichts dieses letzten Einsatzes der dienstältesten Fähre stellen sich eine Reihe von Fragen: Sollte es wirklich Anhaltspunkte dafür geben, dass professionelle Flieger und Astronauten die Kontrolle über die Fluglage beim Wiedereintritt verloren haben? Oder machen sich einmal mehr Mängel bei der überalterten Shuttle-Technologie bemerkbar, die nun Piloten und internationalen Wissenschaftlern das Leben gekostet haben?

Warum können die EVAs (Extravehicular Activities) der Astronauten im Orbit nur innerhalb oder nahe der Ladeluke stattfinden, nicht aber rund um das eigene Schiff, um es im Bedarfs- oder sogar Routinefall von außen zu inspizieren? Auf diese Weise hätte man regelmäßig Übersicht über neueste äußere Schäden, Schrammen und Risse gewinnen können.

Die NASA hat schon dementiert: Die sichtlich ältere Columbia sei durch eine Generalüberholung auf den Stand der jüngeren Schwesterfahrzeuge gebracht worden. Mit bisher "nur" 28 Flügen auf dem Buckel sei sie gleich für den nächsten Einsatz am 20 Februar 2003 vorgesehen gewesen.

Hausgemachte Tragödie einer Supermacht ohne zivile Perspektive

Wie dem auch sei, das Symbol der über Texas in einem Radius von 320 Kilometer abstürzenden künstlichen Sternschnuppe ist eine hausgemachte Tragödie der zivilen Raumfahrt einer Nation, die sich nur noch als kriegsführende Supermacht ohne eine glaubwürdige zivile und astronautische Perspektive versteht. Dabei sonnte sich selbst Ariel Scharon im Lichtblick der Mission mit sechs amerikanischen Astronautinnen und Astronauten und Ilan Ramon, dem ersten Israeli im All. In der Luftwaffe galt der 48jährige Ramon als einer der (kriegs-) erfahrensten Militärpiloten.

Auf einem Wetterradarbild ist die Katastrophe (umringelt) zu sehen

Schon nach der Challenger-Katastrophe war die Vision einer wöchentlichen US-Busverbindung ins All endgültig passé. Die lange Flugpause nach dem Unfall, die drastische Erhöhung von Sicherheitsstandards, die sich vor allem restriktiv, in der geringen Zahl von Abstechern ins All (pro Jahr ca. 8) bei einem immer knapperen Etat bemerkbar machte, bekräftigte das Ende jener opulenten Visionen, die mit dem Apollo-Projekt der Mondlandung ihren kurzzeitigen Höhepunkt fand: Die konsequente Erforschung und Kolonisierung des Sonnensystems, der bemannte Flug ins All als eine abenteuerliche Massenbewegung der Menschheit und der Gewinnung eines solidarischen Blicks auf den blauen Heimatplaneten mit allen dort ausgefochtenen Problemen. Auch der Weiterbau der Internationalen Raumstation ISS schleppt sich - durch Finanzknappheit - dahin, wichtige Komponenten wie die im Orbit geparkte Rettungsfähre wurden bereits gestrichen.

George W. Bush kommt nicht zur Ruhe. Nun ist mit der Columbia ein Stück ziviler und internationaler Raumfahrtgeschichte just über dem Bundesstaat abgestürzt, in dem er seine Karriere begründete. Während dessen wird das geballte High-Tech-Wissen in die Vorbereitung für den Irak-Krieg gesteckt.