Stille Revolution

Telepolis enthüllt Entwurf für Informationsfreiheitsgesetz

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Die Schweden führten das Öffentlichkeitsprinzip der Verwaltung vor über 200 Jahren ein. Australien, Belgien, Dänemark, Finnland, Frankreich, Neuseeland, Norwegen, Kanada, Irland, Ungarn, die USA, Südafrika, die Schweiz und Italien bieten ihren Bürgern ebenfalls den raschen, kostenlosen und einfachen Zugang zu amtlichen Dokumenten. In Südafrika gilt das Informationsfreiheitsgesetz sogar gegenüber der Privatwirtschaft.

Nun hält diese Idee langsam auch in Deutschland Einzug. In drei Bundesländern, in Brandenburg, Berlin und Schleswig-Holstein ist sie bereits verwirklicht - nur auf Bundesebene: Fehlanzeige. Den noch unter Verschluss gehaltenen Entwurf für ein Informationsfreiheitsgesetz gibt es allerdings bereits. Telepolis liegt er jetzt vor: Entwurf für ein Informationsfreiheitsgesetz

(Anm: In der Zwischenzeit hat das Bundesinnenministerium den Entwurf ins Netz gestellt: Entwurf für das Informationsfreiheitsgesetz. Dazu gibt es auch ein Diskussionforum. Siehe dazu folgenden aktuellen Artikel: Bundesinnenministerium will Diskussion über Informationsfreiheitsgesetz)

Verwaltung und Demokratie - ein Widerspruch?

Angekündigt war das Informationsfreiheitsgesetz bereits in der Koalitionsvereinbarung der Regierung - doch die Umsetzung schleppt sich lustlos dahin: Das Bundesinnenministerium hat Ende Dezember den Entwurf für ein Informationsfreiheitsgesetz den Ressorts vorgelegt. Ursprünglich sollte bereits im Januar der interne Umlauf beendet sein. Bis heute stehen jedoch noch zwei Stellungnahmen aus. Über einen neuen, endgültigen Veröffentlichungstermin wollte sich das Ministerium gegenüber Telepolis nicht äußern. Da sich bis heute auch kein Politiker das Gesetz auf die Fahnen geschrieben hat, nimmt dies Telepolis zum Ansatz, den Entwurf nun zu veröffentlichen.

Das Ziel des Gesetzes ist klar: Der Bürger soll in die Lage versetzt werden, das Verwaltungshandeln zu durchschauen und zu kontrollieren. Schon 1975 urteilte das Bundesverfassungsgericht:

"Die parlamentarische Demokratie basiert auf dem Vertrauen des Volkes. Vertrauen ohne Transparenz, die erlaubt zu verfolgen, was politisch geschieht, ist nicht möglich."

Und ein russischer Spezialist im Informationsrecht formulierte, "der Sonnenschein der informierten Gesellschaft kann sowohl den Rost der Korruption als auch den Schimmel der Inkompetenz in der Tätigkeit der Staatsmacht wirkungsvoll bekämpfen."

Mit der Informationsfreiheit wird ein demokratisches Prinzip verwirklicht - gegen das herkömmliche Prinzip der Aktengeheimhaltung. Sie operiert in dem Bewusstsein: "Die Verwaltung weiß schon besser, was für den Bürger gemacht werden muss", so der Jurist Ulrich Battis von den Berliner Humboldt-Universität. Der schleswig-holsteinische Datenschützer Helmut Bäumler, der auch für den Informationszugang zuständig ist, konnte die Verwaltung allerdings damit gewinnen, dass es sich dabei nicht um ein "Kampfinstrument gegen die Verwaltung" handelt, sondern um eine Chance, den Bürgern mehr Service zu bieten - und mehr Transparenz zu zeigen wie ein privates Unternehmen. (Positive Bilanz nach einem Jahr Informationsfreiheit in Schleswig-Holstein)

Dass nun die Bundesverwaltung dieses demokratische Prinzip ohne nennenswerte politische Vorgaben in einem Gesetzesentwurf umsetzen soll, muss dennoch zunächst mit Skepsis beobachtet werden. Bislang konnten sich die Beamten nur auf ein Personalakteneinsichtsrecht einlassen sowie eine beschränkte Aktenöffentlichkeit durch das Verwaltungsverfahrensgesetz, was ihre Priviligien nicht in Frage stellte. Daneben gibt es noch das Umweltinformationsgesetz, das in Deutschland aber erst auf Drängen der Europäischen Union und dann auch nur sehr zögernd umgesetzt wurde - und jetzt nach sechs negativen Gerichtsurteilen nachgebessert werden muss (Bundesratsdrucksache 674/2000).

Gleicher Zugang für alle

Positiv im Gesetzesentwurf des Bundes ist der voraussetzungslose Zugang. Niemand muss sein Interesse an den Akten begründen. Dass dies nicht selbstverständlich ist, zeigt der Gesetzesentwurf der CDU in Nordrhein-Westfalen. Dort muss der Antragsteller ein "berechtigtes Interesse" geltend machen. Für Reinhold Thiel von Transparency International ist das Entscheidende bei einer solchen Regelung nicht, dass "bestimmte Personen, die ein Interesse an einem bestimmten Vorgang haben, das Recht auf den Zugang zu Informationen erhalten, sondern es muss um staatsbürgerliche Rechte gehen."

Bis heute kann zum Beispiel eine Gruppe wie Transparency International in Nordrhein-Westfalen keinen Antrag stellen, um festzustellen, ob ein Vergabeverfahren korrekt durchgeführt wurde. So könnte die Verwaltung aus Gründen persönlicher Bekanntschaft oder in Bezug auf Parteispenden die Angebote für einen öffentliches Bauprojekt so manipulieren, dass eine Firma, die ein höheres Angebot abgegeben hat, dennoch den Auftrag erhält. Möglich ist die Überprüfung nur Konkurrenten, die den Vergabeausschuss, - falls es einen solchen gibt - anrufen können. Sie haben "berechtigtes Interesse". Der Vergabeausschuss kann dann die Unterlagen prüfen und feststellen, ob etwas schief gelaufen ist.

Generell soll laut Gesetzesentwurf der Bürger Zugang zu allen amtlichen Informationen erhalten - egal auf welchem Medium sie gespeichert sind: Ob sie schriftlich, elektronisch, optisch oder akustisch vorliegen, in Akten, Schriftstücken, Magnetbändern, Disketten, Filmen, Fotos, Tonbändern, Plänen, Diagrammen, Bildern oder Karten vorliegen ist unerheblich. Laut Entwurf soll der Bundesbeauftragte für Datenschutz auch die Aufgabe des Bundesbeauftragten für Informationsfreiheit erhalten. Dafür sollen in der Behörde zwei bis drei neue Stellen im höheren Dienst eingerichtet werden.

Anders als in Brandenburg 1992 wird allerdings kein Menschenrecht auf Informationszugang in die Verfassung eingeschrieben. Auch wird zunächst nur Bürgern, also natürlichen Personen, Zugang gewährt. Von juristischen Personen wie beispielsweise Verbänden wie Transparency International ist nicht die Rede. Dies wäre jedoch Bestandteil des Rechts auf politische Mitgestaltung.

Ausnahmen über Ausnahmen

Allerdings dürfen die Bürger nicht in Vorentwürfe oder Notizen einblicken. Diese fallen in die "Vertraulichkeit der Beratung von Behörden". Ebenfalls ausgenommen ist der ominöse "Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung". Diese schwammige Formulierung kritisierte bereits Aktenermittler Burkhard Hirsch (FDP) (Interview mit Akten-Ermittler Burkhard Hirsch über die Datenvernichtungen und Aktenbeseitigungen im Bundeskanzleramt). Der Begriff rührt aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Er ist allerdings nicht exakt definiert. In den USA jedenfalls gelten sogar die Beratungen des Präsidenten nicht als geheim. Spätestens nach zwölf Jahren dürfen die Bürger in alle Dokumente einsehen.

Tatsächlich liest sich das Informationsfreiheitsgesetz eher wie ein Informationsverhinderungsgesetz. Zahlreiche Ausnahmen sollen die Gemeinwohlinteressen, wie auch Verwaltungsabläufe sowie personenbezogene Daten vor dem Aufklärungswillen des Bürgers schützen. Ebenfalls geschützt sind auch Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse. Demnach darf sogar eine Behörde für sich Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse in Anspruch nehmen. In Berlin hingegen können sogar Geschäftsgeheimnisse übergangen werden, wenn das Informationsinteresse überwiegt - ganz im Sinne der Korruptionsbekämpfung.

Kritisch ist auch, dass laufende Verwaltungsverfahren aus dem Informationszugang ausgenommen sind. Entsprechende Erfahrungen gibt es im Land Brandenburg und Berlin: Je nachdem, ob gerade ein Verwaltungsverfahren läuft oder nicht, haben Bürger dann vor dem Verfahren allgemeinen Informationszugang, im Verfahren haben dies dann aber nur Beteiligte und auch nur zur Rechtsverfolgung, und nach dem Verfahrensabschluss herrscht wieder allgemeiner Zugang. Dies kann in der Praxis zu schwer nachvollziehbaren Hemmschuhen kommen. Alexander Dix: "Das hat sich bei uns nicht bewährt."

Einen Abruf der Verwaltungsinformationen über das Internet sieht der Entwurf nicht vor. Wie jedoch der US-amerikanische Electronic Freedom of Information Act zeigt, würde dies zu einer erheblichen Entlastung der Verwaltung führen. Dort müssen Behörden Unterlagen ins Netz stellen, wenn bereits mehrfach danach gefragt wurde. In Berlin sieht das Gestz vor, Aktenpläne ins Netz zu stellen. Nur will etwa der Bund mit seinen Informationen erst dann ins Netz, wenn jede Kommune und jede Behörde eine eigene Homepage gebastelt hat?

Saftige Gebühren

Grundsätzlich muss erst einmal die Frage gestellt werden, ob ein Grundrecht auf Informationszugang mit Kosten belegt werden darf. Offensichtlich hat das Bundesinnenministerium diese Frage bereits entschieden: Einen Teil der zusätzlichen Personal- und Sachkosten will der Bund durch die Erhebung von Gebühren abdecken. Aus den Ländern gibt es keine amtlichen Statistiken, aus denen sich der Aufwand abschätzen lassen könnte. Anders als von Kritikern vermutet, ist die Verwaltung ob des Ansturms der Bürger keinesfalls zusammengebrochen. Der brandenburgische Datenschützer Alexander Dix weiß: "Die Kommunalverwaltung funktioniert weiter so gut wie bisher."

Da sich die Gebühren nach dem Umweltinformationsgesetz richten, sind sie mehr als erklecklich: Die Verwaltungsgebühren sehen derzeit bei der "Erteilung einfacher schriftlicher Auskünfte" Gebühren von 0 bis 50 Mark vor. "Umfangreiche schriftliche Auskünfte" kosten bereits 50 bis 1000 Mark. Bis zu 4000 Mark können "außergewöhnliche Maßnahmen zur Zusammenstellung von Unterlagen" auch schon mal laut Tarifverordnung kosten. In Berlin sind die Gebühren übrigens auf maximal 1000 Mark begrenzt - ohne allerdings nach Aufwand konkret abzustufen und ebenfalls ohne Ausnahmeregelung. Ebenfalls keine Ausnahmeregelung sieht der Gesetzesentwurf der CDU in Nordrhein-Westfalen vor.

In Schleswig-Holstein, das letztes Jahr sein Informationsfreiheitsgesetz einführte, liegen die Tarife in einem ähnlichen Rahmen - allerdings gibt es hier eine wichtige Ausnahmeregelung: "Im Einzelfall aus Gründen der Billigkeit" oder wenn es aus "öffentlichen Interessen" geboten ist. Der schleswig-holsteinische Datenschützer Helmut Bäumler versteht unter "öffentlichen Interessen" nicht nur Anfragen von Journalisten oder gemeinnützigen Einrichtungen, sondern auch Anfragen von Bürgern, wenn sie denn ein öffentliches, und nicht nur rein privates Interesse verfolgen.

Im persönlichen Gespräch zweifelten übrigens Angestellte des Berliner, wie auch des Schleswig-Holsteinischen Datenschützer an, dass die Presse generell öffentliche Interessen verfolge. Zur Klarstellung könnte jedoch ein Urteil des Bundesverfassungsgerichtes herangezogen werden, das erst kürzlich feststellte, dass die Presse immer ein Informationsinteresse hat.

Allerdings sollen sich die Kosten nach Umweltinformationsgesetz nach der erzwungenen Nachbesserung des Gesetzes nach unten bewegen. Gerichtlich wurde festgelegt, dass die Kosten keineswegs abschreckend wirken dürfen. Auch dürfen negative Bescheide nicht mit Gebühren belegt werden. Waren im Umweltinformationsgesetz zunächst Beträge sogar bis 10.000 Mark vorgesehen, will sich der Bund nun auf eine Höchstsumme von 1000 Mark festlegen - doch die Diskussion darüber ist noch nicht abgeschlossen.

Fazit

Es ist höchste Zeit für eine öffentliche Debatte über die Ausgestaltung des Informationsfreiheitsgesetzes. In Schleswig-Holstein übrigens wurde Das Gesetz kurz vor der Wahl - ohne jede Debatte und Abstimmung - durch den Landtag gepeitscht. Mehr Diskussion hätte dieser "stillen kleinen Revolution" (Helmut Bäumler) aber sicher gut getan. Angesichts der immer knapper werdenden Zeit vor den nächsten Bundestagswahlen muss die Debatte auf Bundesebene endlich beginnen. Gelegenheit dazu hätte es angesichts des CDU-Spendenskandals längst gegeben.