Strafe für Majestätsbeleidigung

US-Präsident Bush, ein polnischer Bürgermeister und die Anmutung, dass Weltpolitik auf der Ebene eines Kindergartens funktioniert

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US-Präsident Bush sieht sich gerne als derjenige, der an der Spitze des auserwählten Volkes der Welt mit Kreuz und Schwert sowie mit Kapitalismus, züchtiger Sexualität, Klonverbot und genetisch veränderten Pflanzen Demokratie und Frieden bringt. Aber der demokratische Erlöser hat offensichtlich seine Schwierigkeiten mit abweichenden Meinungen und straft dann auch schon gerne persönlich und deutlich seine Widersacher ab.

Wohl oder übel muss Präsident Bush beim G8-Gipfel in Evian Gastgeber Chirac zumindest ein wenig entgegenkommen. Der Chef der Supermacht trifft sich zu einem Höflichkeitsbesuch mit dem französischen Abtrünnigen, dem man aber andererseits seine Unbotmäßigkeit weiter spüren lassen will. Auch Bundeskanzler Schröder wird kein persönliches Gespräch mit der amerikanischen Majestät gewährt, die dem zwar ziemlich, aber doch nicht ganz willfährigen Deutschen seine Haltung mit dem deutlichen Affront demonstriert hat, als er kürzlich zum Treff des hessischen Ministerpräsidenten Koch mit Cheney hinzugekommen war.

Bush, der sich gerne nur im Kreis der ihm Wohlgesinnten aufhält, ein Öffentlichkeitsmuffel ist und Kritiker nicht schätzt, scheint die Macht, die er seit dem 11.9. gewonnen hat, zu Kopfe gestiegen sein. Obgleich streng religiös, was aber die Demut und die Aufgeschlossenheit zu den Mitmenschen nicht zu fördern scheint, handelt der mächtigste Mann der Welt, über den man sich bis zur Stunde seiner Berufung durch die Terroristen eher lustig gemacht hat, wenig souverän, wenn es um Menschen geht, die nicht seiner Meinung sind. Manchmal kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass Kindergarten-Allüren nun die Weltgeschichte bestimmen.

Bush-Beraterin Condoleeza Rice meinte nun zwar vor der großen Reise des großen Mannes, dass der Irak-Krieg mitsamt Drumherum Vergangenheit sei. Und die US-Regierung sieht sich mit dessen Ausgang bestätigt, auch wenn der so oft beschworene Kriegsgrund der gefährlichen Massenvernichtungswaffen immer noch nicht herbeigeschafft worden ist und nun die Folgen der Besatzung deutlicher werden, die Kriegskritiker immer genannt hatten. Rice sagt aber einen denkwürdigen Satz, nämlich dass Bush "ehrliche politische Meinungsverschiedenheiten" verstehen würde. Aber die Ehrlichkeit ist halt doch vieldeutig, weswegen die treue Vasallin gleich nachschiebt: "Niemand versteht, wenn Dinge einen anti-amerikanischen Ton bekommen."

Verkörpert womöglich Bush Amerika, so dass eine Kritik an Bush und seiner Regierung automatisch anti-amerikanisch und damit unverständlich sowie abstrafbar wird? L'état c'est moi? Diesen Anschein macht eine Meldung, die den Besuch von Bush am Freitag und Samstag im polnischen Krakau betrifft. Polen, Heros des Neuen Europa und treuer Verbündeter der US-Regierung, soll von Bush durch seinen Besuch belohnt und als besonderer Freund ausgezeichnet werden. Wahrscheinlich wäre Bush gerne Sonnenkönig. Barock ist zumindest sein Verhalten, deutlich durch Audienzen, gemeinsame Pressepräsenzen oder Einladungen nach Camp David zu zeigen, wen man schätzt und wen man abstraft. Seltsam nur, dass bei diesem Zirkus oder Kindergarten alle mitspielen.

In Krakau gibt es einen Bürgermeister, der offensichtlich das demokratische Verständnis des amerikanischen Präsidenten überfordert hat. Jacek Majchrowski hatte, was der große Präsident anscheinend nicht sehr wohlwollend registriert hat, in einer polnischen Zeitung einen Artikel mit dem Titel "Pax Americana" geschrieben und darin den Krieg gegen den Irak kritisiert, an dem sich auch die polnische Regierung beteiligt hatte. Der Bürgermeister begrüßte Antikriegsdemonstrationen in seiner Stadt, die Demonstranten würden die "Ehre der Stadt" retten.

Aber diese Frechheit muss nun der wagemutige Bürgermeister büßen. Wenn Majestät Bush am Wochenende nach Krakau kommt, wird Majchrowski beim Empfang nicht dabei sein. Das hat sich Bush gewünscht, und das polnische Außenministerium ist willfährig dem Ansinnen nachgekommen und hat den Bürgermeister ausgeladen. Der findet das als eine respektlose Geste gegenüber der Stadt und ihrem gewählten Repräsentanten der Stadt und als eine "Verletzung der Demokratie". Möglicherweise hat der polnische Bürgermeister aber ein falsches Verständnis von Demokratie. Kritik ist Majestätsbeleidigung. Und wenn sie auch nur von einem Bürgermeister ausgeht, so darf dieser nicht in die Nähe Seiner Majestät kommen. Das könnte freilich auch die Frage aufwerfen, wie schwach oder gefährdet sich Bush und seine Getreuen fühlen. Souverän jedenfalls scheint die Supermacht derzeit nicht geführt zu werden - und ebenso wenig souverän sind die vielbenannten "Freunde und Alliierten", zumindest was die polnische Regierung angeht.

Schwierig ist nur, ob man angesichts solcher Verhaltensweisen weinen oder lachen soll. Doch das Lachen könnte einem schnell vergehen, wenn man sieht, wie entschlossen sich Majestät aufrüstet, um weiterhin Unbotmäßigkeiten - natürlich ganz demokratisch - ahnden zu können.