Stratosphärische Sternwarte

Fliegendes Jumbo-Observatorium SOFIA besteht ersten Testflug und fliegt einer spannenden Zukunft entgegen

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Mehrfach stand das Flugzeugobservatorium SOFIA (Stratospheric Observatory for Infrared Astronomy) vor dem finanziellen Absturz. Als Gemeinschaftsprojekt der NASA und des DLR (Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt) konzipiert, sollte der umgebaute Jumbo-Jet bereits 2001 seinen Jungfernflug feiern. Erst letzte Woche zelebrierte er seinen ersten Testflug – erwartungsgemäß mit Erfolg. 2009 feiert SOFIA seinen Jungfernflug...

Die Ära der Flugzeugobservatorien begann im Jahre 1969. Damals erhob sich ein umgerüsteter Learjet in den Himmel und startete den Versuch, Infrarotwellen aufzuspüren. Aber das umfunktionierte Geschäftsflugzeug bot gerade einmal einem 30-Zentimeter-Teleskop und maximal zwei Astronomen Platz, während sein Nachfolger, das Kuiper Airborne Observatorium (KAO) immerhin mit einem eingebauten 91,5-Zentimeter-Reflektor den Infrarotkosmos ausspähen konnte und, nebenher bemerkt, als erste Mission die Uranus-Ringe entdeckte. Im Zeitraum von 1974 bis 1994 absolvierte der modifizierte Truppentransporter jährlich 60 bis 80 Einsätze.

KAO mitsamt Loch. Bild: NASA

Testflug gut überstanden

Über den Wolken soll alsbald ein weitaus größeres Teleskop an Bord eines weitaus größeren Trägerflugzeuges die grenzenlose Freizeit genießen und dabei den Infrarothimmel durchleuchten. Spätestens im übernächsten Jahr soll endlich die fliegende Sternwarte SOFIA ihren bereits des Öfteren verschobenen Jungfernflug feiern. Die Chancen, dass SOFIA nach Jahren der Diskussion über die Finanzierbarkeit des Projekts alsbald den Himmel erobert, sind seit Ende letzter Woche am Donnerstag entscheidend gestiegen, seit SOFIA seinen ersten Testflug nach dem Umbau, an dem aus Sicherheitsgründen neben zwei NASA Piloten nur drei Flugingenieure der NASA teilnahmen, mit Bravour meisterte.

SOFIA bei seinem ersten Testflug. Bild: DLR

"SOFIA und das in Deutschland entwickelte Teleskop haben den ersten Testflug gut überstanden", freut sich Prof. Hans-Peter Röser, Leiter des Instituts für Raumfahrtsysteme (IRS) der Universität Stuttgart. Sein Team unterstützte und koordinierte die Vorbereitung und Durchführung der wissenschaftlichen Flüge mit SOFIA auf deutscher Seite.

Klaffendes Loch am Heck

Dass nach dem Start von SOFIA von der Heimatbasis Waco (Texas, USA) die verantwortlichen NASA- und ESA-Ingenieure das Flugverhalten der Boeing 747 vom Typ SP, das in einer Flughöhe von etwa 4.000 Metern am strahlend blauen texanischen Himmel seine Kreise zog, mit Argusaugen, Messinstrumenten und Sensoren studierten, hatte einen triftigen Grund. Schließlich klafft am Heck der verkürzten Jumbo-Version, die von 1977 bis 1995 bei den US-Fluggesellschaften PANAM und United Airlines als Linienmaschine im Einsatz war, ein sechs Meter großes Loch, was das Flugverhalten nicht nur in punkto Aerodynamik nachhaltig beeinflusst. Es ist ein Loch, das nicht zum Spaß, sondern ganz im Dienste der Wissenschaft den Rumpf des Jumbo-Jets ziert. Denn hinter der Öffnung starrt das 17 Tonnen schwere SOFIA-Infrarotteleskop gen Himmel.

Ein Loch im Dienste der Wissenschaft. Bild: NASA/DLR

Besagte jalousieähnliche Tür schiebt sich im hinteren Teil des Flugzeugs nach oben, sobald die ehemalige US-Linienmaschine ihre Dienstgipfelhöhe (12 bis 14 Kilometer) erreicht hat. Während ein Schott die Forscher und Instrumente vor dem niedrigen Luftdruck und der Kälte schützt, blickt das Infrarot-Teleskop durch das künstliche Loch im linken hinteren Rumpf des Jumbo-Jets. Das Herzstück von SOFIA respektive der aus glaskeramikgefertigten 800 Kilogramm schwere Hauptspiegel von 2,7 Meter Durchmesser hat dann einen nahezu störungsfreien Blick ins All. Vor der Landung wird die Rolltür wieder geschlossen und schützt auf diese Weise das "Fernrohr" vor Feuchtigkeit und Schmutz.

Wertvoller Informationsgehalt

Dabei muss das Teleskop Temperaturen von etwa minus 60 Grad Celsius, dem Fünftel des Luftdrucks am Erdboden, trotzen. Gewappnet sein muss es – ebenso wie die beiden kleineren Sekundärspiegel – gegen die starken Luftturbulenzen, die in der Stratosphäre vorherrschen. Funktioniert alles nach Plan, dann kann das Flugzeugteleskop die empfindlichen aus dem Weltraum eintreffenden Infrarotstrahlen, deren Spektralbereich etwa zehn Mal größer ist als das sichtbare Licht, nahezu ungefiltert einfangen. Ungefiltert deshalb, weil SOFIA in seinem Operationsgebiet, in der Stratosphäre, bereits 99 Prozent des Infrarot schluckenden Wasserdampfs unter sich gelassen hat.

Im Innern des SOFIA-Trägerflugzeugs. Bild: NASA/DLR

Dass der Informationsgehalt der Wärmestrahlung für Astronomen von unschätzbarem Wert ist, hängt damit zusammen, dass viele astronomische Himmelskörper lediglich im infraroten Bereich des Lichtes emittieren. Da Wärmestrahlung problemlos dunkle Gas- und interstellare Staubwolken durchdringt, werden junge Sterne und Planetensysteme, ferne Galaxien und Staubnebel oder das Zentrum unserer Milchstraße, in dem ein Schwarzes Loch vermutet wird, mit einem Male "sichtbar".

Flexibel einsetzbar

SOFIAs Vorteile liegen auf der Hand: Während bei der Satellitentechnik schon viele Jahre vor dem Starttermin das Instrumentenkonzept eingefroren wird – wohl wissend, dass im nächsten Jahr weitaus bessere Hard- und Software auf dem Markt sein wird -, lässt sich bei einem Flugzeug jeder Baustein kurzfristig austauschen. SOFIA kann also bei Bedarf ohne großen Aufwand mit neuester Technik nachgerüstet werden. Ein weiterer Vorteil ist, dass SOFIA auf jedem größeren Flughafen starten und landen kann und sich deshalb weltweit zur Beobachtung von kurz andauernden Ereignissen wie etwa Sonnen- und Mondfinsternissen einsetzen lässt.

Das NASA-Infrarotteleskop Spitzer ist gewiss (noch) sensibler als SOFIA; dafür aber nicht so flexibel und „mobil“ einsetzbar wie die fliegende Sternwarte, bei der sich alle Elemente bei Bedarf austauschen lassen... Bild: NASA/Spitzer

SOFIA ist ein Gemeinschaftsprojekt des DLR und der NASA. Es wird auf Veranlassung des DLR mit Mitteln des Bundes (BMWi), des Landes Baden-Württemberg und der Universität Stuttgart durchgeführt. Der wissenschaftliche Betrieb wird auf deutscher Seite vom Deutschen SOFIA Institut (DSI) der Universität Stuttgart koordiniert, auf amerikanischer Seite von der Universities Space Research Association (USRA).

SOFIA nach seinem zweistündigen Testflug Bild: DLR

Die Entwicklung der beiden deutschen SOFIA-Instrumente FIFILS (Far-Infrared Field-Imaging Line Spectrometer) und GREAT (German REceiver for Astronomy at Terahertz Frequencies) wurden von deutschen Wissenschaftlern konzipiert und mit Mitteln der Max-Planck-Gesellschaft und der Deutschen Forschungsgemeinschaft finanziert. Ob SOFIA seinem symbolträchtigen Namen (griechisch-lateinisch: Sophia = Weisheit) zur Ehre gereicht, wird die Zeit zeigen. Zunächst einmal sind weitere Testflüge vonnöten. Bereits in den nächsten Monaten soll SOFIA vom NASA Dryden Flight Research Center in Südkalifornien abheben.