Streit um den Haushalt

Die SPD hat ihre innerparteiliche Krise schnell überstanden - unter Verzicht auf einen kritischen Rückblick

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Eben noch am Rande eines Abgrunds, jetzt fast schon wieder fast im siebten Himmel. Die SPD, gemeinhin selbst von ihren Sympathisanten als schwer beweglicher Tanker beschrieben, hat in die letzten Wochen beeindruckende Wandlungskünste durchgemacht und ist doch ganz die alte geblieben.

Nach der Wahlnacht brauchte sie einige Wochen, um in der Realität anzukommen und zu realisieren, dass sie die Wahlen doch nicht gewonnen hatte. Da schien sogar bei einigen aufstrebenden Nachwuchspolitikern die Bereitschaft zu wachsen, den Kurs der letzten 7 Jahre kritisch zu hinterfragen und vielleicht gar zu korrigieren.

Der Hoffnungsträger Mathias Platzeck. Bild: SPD

Tatsächlich war mit dem Widerstand gegen einen Generalsekretär von Münteferings Gnaden die Courage der Erneuerer auch schon erschöpft. Nachdem der Partei daraufhin der Vorsitzende abhanden gekommen war, beteuerten fast alle leisteten fast alle Abbitte. Nur Münteferings alter Parteifeind Zöpel mochte da nicht mittun und bekundete Zufriedenheit, den Parteivorsitzenden zum Rücktritt gezwungen zu haben. Der sei schließlich auch dafür verantwortlich, dass die Partei ihren linken Flügel verloren habe. Müntefering habe es versäumt, Lafontaine wieder in die Partei zu integrieren und trage daher mit Schuld an der Entstehung der Linkspartei. Das hätte der Stoff für eine heftige Auseinandersetzung über den Kurs der SPD geben können, doch Zöpel blieb der einsame Rufer in der Wüste. Niemand sonst wollte einen kritischen Rückblick auf die Vergangenheit wagen.

Der am Mittwoch zu Ende gegangene SPD-Parteitag hat das noch einmal eindeutig bestätigt. Da wurde Schröder noch einmal abgefeiert, auf der Leinwand ließ man die letzten 7 Jahre noch mal Revue passieren und am Schluss wurde Schröder fast wie ein Messias gefeiert, als er bekundete, die letzten 7 Jahre waren gute Jahre. Da blieb kein Raum für kritische Erinnerungen. Selbst die so genannten Parteilinken, die schließlich von Schröder noch als Begründung für seine Neuwahlentscheidung heran gezogen wurden, mochten da nicht abseits stehen. Am Ende wurde auch Andrea Nahles wieder in die Mitte der Partei aufgenommen. Doch mit der Karriereplanung muss sie wohl noch einige Jahre warten.

Dafür wurde mit Matthias Platzeck ein Mann mit einem Traumergebnis von 99 % zum Vorsitzenden gewählt, der wohl die beste Garantie dafür bietet, dass vom Schröder-Kurs nicht abgewichen wird. Man ist stolz darauf, weiterhin Verantwortung zu übernehmen und rühmt sich, wesentliche sozialdemokratische Grundsätze im Regierungsprogramm verankert zu haben.

Das hört man beim Regierungspartner nicht so gern. Die Unionspolitiker bemühten sich erst gar nicht, die ungeliebte große Koalition schön zu reden. Der Wähler habe es so gewollt und jetzt muss aus dem Ergebnis das Beste gemacht werden, gab man sich ganz pragmatisch. Merkel vergaß auch nie darauf hinzuweisen, dass man die Wahlkampfpositionen nicht aufgegeben habe, aber zur Zeit eben leider nicht durchsetzen könne. Damit sollten auch die innerparteilichen Kritiker besänftigt werden, die schon zu Wort gemeldet haben. Dabei handelt es sich um Friedrich Merz und den CDU-Wirtschaftsrat. Es ist aber davon auszugehen, dass noch viel mehr innerparteiliche Merkel-Gegner in Lauerstellung verharren und jeden Fehler der neuen Regierung genau registrieren werden.

Doch noch vor ihrer offiziellen Ernennung hat man sich über die Frage zerstritten, wie das Regierungsbündnis begründen soll, dass es für 2006 einen Etatentwurf vorlegen will, der wegen zu hoher Ausgaben verfassungswidrig ist. Während die Union, den geplanten Verstoß gegen das Grundgesetz offen einräumen will, forderte die SPD, die Vorlage des Etats mit einer Störung der Wirtschaftslage zu begründen. Im Hintergrund steht die Frage, wie man dem Wähler das neue Haushaltsdefizit erklärt. Die Unionspolitiker betonen, dass es sich um eine Erblast von 7 Jahren Rot-Grün handelt, was von der SPD wiederum heftig attackiert wird. Es scheint als würde hier schon Stoff für künftige Wahlkampagnen gesammelt.