Streit um die Leyenquote

Die Arbeitsministerin will einen Mindestanteil von 30 Prozent Frauen in den Vorständen und Aufsichtsräten deutscher Aktiengesellschaften gesetzlich festschreiben

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Dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) zufolge liegt der Frauenanteil in den Vorständen der 100 umsatzstärksten deutschen Firmen derzeit bei 2,2 Prozent. Arbeitsministerin Ursula von der Leyen will Unternehmen bei Führungspositionen nun zu einer Frauenquote in Höhe von 30 Prozent zwingen.

Als Argument für solch eine Maßnahme nennt von der Leyen unter anderem die EU-Kommission, in der Justizkommissarin Viviane Reding im Herbst das Planziel einer Aufsichtsrats-Frauenquote in Höhe von 30 Prozent bis 2015 und 40 Prozent bis 2020 ausgab. In Frankreich wurde am 13. Januar ein Gesetz verabschiedet, dass diese Quote sogar schon früher verwirklichen soll.

Manuela Schwesig, die Vize-Vorsitzende der SPD, begrüßte von der Leyens Vorstoß im öffentlich-rechtlichen Frühstücksfernsehen und schlug vor, die ihrer Ansicht nach „längst überfällige“ Quote sogar noch um 10 Prozentpunkte zu erhöhen. Trotzdem, so verlautbarte gestern Regierungssprecher Seibert, wird sich die Arbeitsministerin im Kabinett nicht durchsetzen können: Denn dort sitzt nicht mehr die SPD mit am Tisch, sondern die FDP.

Deren bayerische Landesvorsitzende Sabine Leutheusser-Schnarrenberger lehnte die Quote in der FAZ ab und meinte, es reiche nicht aus, „mit dem Finger auf die Unternehmen zu zeigen und die Rahmenbedingungen nicht zu diskutieren". Intelligente Lösungen könnten der Bundesjustizministerin zufolge nicht in "starren und pauschalen Quoten" liegen, sondern müssten auch Faktoren wie Bildungspolitik, Familienpolitik und Unternehmenskulturen berücksichtigen, in denen es einen Wettbewerb um möglichst lange Arbeitszeiten gibt.

Wirtschaftsminister Rainer Brüderle zeigte sich der Auffassung, dass man lieber das Angebot an Kinderbetreuungseinrichtungen und Ganztagsschulen verbessern und dadurch das Angebot an weiblichen Führungskräften erhöhen sollte. Zudem erinnerte Brüderle die Arbeitsministerin daran, dass es wichtigere Probleme gibt - etwa den Bereich der Zeitarbeit, wo man durch die im Mai anstehende Öffnung des Arbeitsmarktes für Polen und andere Osteuropäer ein Sinken der Löhne ins Bodenlose befürchtet. FDP-Generalsekretär Christian Lindner sieht in der Leyenquote sogar einen staatlichen Eingriff, der nicht nur über ein notwendiges Maß hinausgeht, sondern auch Grundrechte Dritter verletzen und sich als wirtschaftlich schädlich erweisen könnte.

Ganz einig im Widerstand zum Quotendirigismus ist sich aber auch die FDP nicht: Die Europaparlamentsabgeordnete Silvana Koch-Mehrin sagte dem Radiosender NDR Info, dass sie die Überlegungen der Arbeitsministerin für „sehr gut“ halte. Koch-Mehrin gilt jedoch insofern nicht als ideale Vorsprecherin dieses Anliegens, als sie mit dem Umgang mit ihrer Schwangerschaft und ihrer Anwesenheitspraxis im Europaparlament ungewollt auf Probleme hinweist, vor denen viele Arbeitgeber bei der Einstellung oder Beförderung von weiblichen Arbeitskräften Angst haben.

Dass Frauen nicht in jedem Fall fähigere Führungskräfte sein müssen als Männer bewies eindrucksvoll Leutheusser-Schnarrenbergers Vorgängerin Brigitte Zypries, die nicht wusste, was ein Browser ist. Auch im universitären Bereich, wo man den Frauenanteil in manchen Fächern schon vor vielen Jahren mit Hochdruck erhöhte, gibt man mittlerweile hinter vorgehaltener Hand zu, in diesem Rahmen Fehler gemacht und überstürzt gehandelt zu haben. Andererseits wäre beispielsweise Constanze Kurz möglicherweise eine sehr viel bessere Innenministerin als Karl de Maizière. Von Angela Merkel dazu berufen werden dürfte sie jedoch mit oder ohne Quotendruck wahrscheinlich nicht, weil sie nicht in der CDU ist.

Auch ohne Quotenregelungen erwarten deutsche Unternehmen in den nächsten Jahren größere Veränderungen in der geschlechtlichen Zusammensetzung: Einer Statistik des Instituts für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (IAB) nach drängen die zahlreichen in den 1980er Jahren ins Management eingestiegenen Frauen erst jetzt in die Führungsetage. Und laut Hans Heinrich Driftmann, dem Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), werden derzeit vier von zehn deutschen Unternehmensgründungen von Frauen durchgeführt, weshalb jedes Jahr 160.000 weiblich geführte Unternehmen neu hinzukommen. Im letzten Jahrzehnt ergab sich durch diesen Effekt Driftmann zufolge eine Steigerung von 30 auf 40 Prozent.

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