Sudan kauft chinesisches Atomkraftwerk

Weitere Reaktoren in Pakistan, Saudi-Arabien, Kenia, Argentinien und Rumänien geplant

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Der Sudan ist eines der am wenigsten entwickelten Länder der Erde. Im Human Development Index steht er auf Platz 166. In dem arabischen Land herrscht seit einem Putsch 1989 der Islamist Omar al-Baschir, auf den Internationale Strafgerichtshof in Den Haag wegen des Verdachts von Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen im Darfur-Konflikt einen Haftbefehl ausgestellt hat.

Bislang bezieht das 36-Millionen-Einwohner-Land seine Elektrizität vor allem aus den Nilkraftwerken Merowe und Roseires. Nun hat die Nachrichtenagentur Xinhua gemeldet, dass der staatliche chinesische Energiekonzern CNNC mit der Regierung des Sudan ein Abkommen zur Errichtung eines Atomkraftwerks geschlossen hat.

Dass CNNC diesen Auftrag bekam, ist insofern wenig überraschend, als China der wichtigste Handelspartner des und Investor im Sudan ist: Schon in den Nuller Jahren gingen gut zwei Drittel aller sudanesischen Exporte ins Reich der Mitte. Die mit Abstand bedeutendste Rolle dabei spielt Erdöl, das zwischen sechs und acht Prozent des chinesischen Importbedarfs deckt. Da viele Ölfelder im Sudan noch nicht erschlossen sind, wird erwartet, dass der Anteil weiter steigt.

Welchen Reaktor China im Sudan errichten wird, steht noch nicht fest. Die meisten Medien gehen davon aus, dass es sich dabei um den Hualong-1 handeln wird, mit dem CNNC in den nächsten 15 Jahren mit Frankreich, Russland und anderen Nukleartechnologieexportnationen konkurrieren will.

Chinesische Ingenieure entwickelten den Hualong-1 aus französischen Druckwasserreaktoren, die China in den 1990er Jahren importierte. An einem Prototypen des Reaktors der dritten Generation wird seit dem letzten Jahr in der chinesischen Küstenprovinz Fujian gebaut. Im eigenen Land will China die Zahl der Atomkraftwerke bis 2013 auf 110 verdoppeln. Zu den ersten ausländischen Interessenten zählt neben der Atommacht Pakistan, dem islamistischen Gottesstaat Saudi-Arabien, dem afrikanischen Unruheland Kenia und dem mehrfach in die Staatspleite gefahrenen Argentinien auch das EU-Land Rumänien. Sogar das britische Bradwell ist als Standort im Gespräch.

Betreibt ein Land wie der Sudan ein Atomkraftwerk, bedeutet noch nicht, dass es Kernwaffen herstellen kann. Dazu sind weitere technische Anlagen wie beispielsweise Zentrifugen zur Urananreicherung nötig. Verhältnismäßig einfach möglich ist allerdings, dass aus einem Atomkraftwerk radioaktives Material zum Bau so genannter "schmutziger Bomben" abgezweigt wird.

Eine schmutzige Bombe bezieht ihre Sprengkraft nicht aus dem radioaktiven Material, sondern verteilt es mittels konventioneller Explosivstoffe. Sie ist deshalb sehr viel leichter zu bauen als eine Atombombe, kann aber auch nicht so viel Schaden anrichten. Der Berkeley-Physiker Richard A. Muller glaubt, dass man im Fall der Explosion so einer schmutzigen Bombe zwar eine "größere Gegend" evakuieren müsste - unmittelbar an Strahlungsvergiftung sterben würde seiner Ansicht nach jedoch niemand.

Das schließt freilich nicht aus, dass Menschen später an Krebs erkranken, die sonst gesund geblieben wären. Dadurch machen solche schmutzigen Bomben vielen Menschen Angst - und Muller vermutet, dass die "psychologischen Auswirkungen" bei ihnen größer sind "als der Schaden, den sie tatsächlich anrichten". Darauf kamen seiner Meinung nach möglicherweise auch tschetschenische Terroristen, die 1995 in einem Park in der russischen Hauptstadt Moskau eine kleine Menge Cäsium-137 zusammen mit Dynamit vergruben und den Sprengsatz danach nicht zündeten, sondern einen Fernsehsender informierten. "Wahrscheinlich", so der Berkeley-Physiker, "war den [Terroristen] klar, dass der Nachrichtenwert der Bombe größer war, wenn sie vor ihrer Explosion entdeckt wurde".

Radioaktives Material wird aber nicht nur in Kernkraftwerken und Atombomben verwendet, sondern auch in vielen anderen Bereichen - zum Beispiel in der Medizin und in der Industrie. Dass es dort abhanden kommt, passiert immer wieder. Alleine im Jahr 2012 wurden der Internationale Atomenergiebehörde IAEA zufolge 41 Vorfälle bekannt, bei denen relevante Mengen solcher Substanzen verschwanden (vgl. Irak: gammastrahlendes Iridium-192 gestohlen). Am häufigsten sucht die U.S. Nuclear Regulatory Commission in solchen Fällen nach Iridium-192.

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