Südamerika kämpft gegen die Fluten

Regenfälle führen in Kolumbien und Venezuela zu Überschwemmungen. UN-Kommission CEPAL warnt vor weiteren Folgen des Klimawandels

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Massive Regenfälle haben in Südamerika hunderte Todesopfer gefordert, Hunderttausende wurden obdachlos. Betroffen sind vor allem die Nachbarstaaten Kolumbien und Venezuela. Beide Regierungen kämpfen gegen die Wassermassen, um größeren Schaden abzuwenden. Dabei werfen die Folgen der Katastrophe ein Schlaglicht auf das massive soziale Gefälle in den postkolonialen Gesellschaften Lateinamerikas. Auch in diesen Tagen sind die Bewohner der planlos errichteten Armensiedlungen besonders schwer von den Umwettern betroffen. Und auf dem Klimagipfel im mexikanischen Cancún warnt die Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen für Lateinamerika (CEPAL) bereits vor schlimmeren Folgen des Klimawandels für die Region.

Vor allem in den vergangenen Tagen hat es in Kolumbien und Venezuela an einem Stück gegossen. In den Ländern Südamerikas sind Starkregen dabei nicht ungewöhnlich. Verantwortlich dafür ist das permanente Tiefdruckgebiet in Äquatornähe, die sogenannte innertropische Konvergenzzone. Doch die Stärke der Regenfälle in diesem Jahr ist selbst für die betroffenen Staaten ungewöhnlich. Kolumbiens Präsident Manuel Santos spricht vom "schlimmsten Winter", den das Land jemals erlebt hat. In Venezuela sind acht Bundesstaaten von den sintflutartigen Regenfällen betroffen.

Die Zahl der Unwetteropfer muss in beiden Ländern fast täglich nach oben korrigiert werden. In Kolumbien sind bislang mehr als 200 Menschen in den Fluten ums Leben gekommen. In diesem südamerikanischen Staat sind 28 der 32 Departements betroffen, vor allem im Norden und im Zentrum des Landes. Gut 1,6 Millionen Menschen haben Schäden ihrer Häuser zu beklagen oder das Heim ganz verloren. In Venezuela sind nach offiziellen Angaben bislang 35 Tote zu beklagen, die Zahl der mittelbar betroffenen wird von der Regierung unter Präsident Hugo Chávez mit 118.000 angegeben. Gestern rief auch Panama den Notstand wegen des anhaltenden Regens aus.

Maßnahmen in Kolumbien und Venezuela

Am Dienstag rief Kolumbiens Präsident Manuel Santos den nationalen Notstand aus. Die Maßnahme ist zunächst auf 30 Tage ausgelegt und kann nach Bedarf auf 90 Tage ausgeweitet werden. In einer Rede an die Nation erklärte der konservative Politiker den Schritt mit mehr Rechten, die den staatlichen Institutionen dann zum Katastrophenschutz zur Verfügung stehen. Den Opfern der Unwetter will die Regierung in einem Drei-Phasen-Plan zur Hilfe kommen. Zunächst sollen den 330.000 geschädigten Familien Nothilfe zukommen. Im zweiten Schritt will die Regierung die beschädigte Infrastruktur wieder instand setzen. Und schließlich sollen geringere Schäden ausgebessert werden.

Die Katastrophe "überschreitet schon jetzt unsere Möglichkeiten", sagte Santos nach Angeben internationaler Nachrichtenagenturen. Die zwischenstaatliche Interamerikanische Entwicklungsbank (BID) hat der Regierung in Bogotá inzwischen einen Kredit in Höhe von 350 Millionen US-Dollar angeboten. Weitere Finanzhilfen könnten für die Nothilfemaßnahmen freigemacht werden, hieß es von dem Kreditinstitut.

Venezuelas Regierung wies indes auf die sozialen Folgen der Umweltkatastrophe hin. Ebenfalls in einer Rede an die Nation machte Präsident Chávez die Armut in den kleinen ländlichen und urbanen Siedlungen für die schweren Folgen des Regens verantwortlich. Der Staatschef besuchte am Dienstag das Gebiet um den Maracaibo-See im Nordwesten des Landes. Für diese besonders schwer betroffene Region will die Regierung Sondermittel freimachen. Umgerechnet zwölf Millionen US-Dollar wurden hier für den Wiederaufbau zur Verfügung gestellt.

In den Städten – vor im der Kapitale Caracas – übernahmen die neu geschaffenen Kommunalen Räte, basisdemokratische Strukturen, Maßnahmen der Nothilfe und Evakuierung. In der venezolanischen Nationalversammlung wird indes ein Gesetz diskutiert, das den Bau von sicheren Heimen in den urbanen und ländlichen Armensiedlungen erleichtern soll. Die Regelung soll es unter anderem möglich machen, dafür brachliegendes Land in den Städten zwangsweise zu verwenden. Geplant ist zunächst der Bau von rund 13.000 Wohneinheiten.

UN-Kommission CEPAL stellt auf Klimagipfel in Mexiko Bericht vor

Die Debatte über Konsequenzen aus der aktuellen Umwetterkatastrophe wird auch von einer neuen Studie der UN-Wirtschaftskommission für Lateinamerika (CEPAL) angeheizt. Demnach könnte der Klimawandel die Staaten Lateinamerikas wirtschaftlich besonders stark treffen. Durch den Anstieg der globalen Temperaturen, Regenfälle, Wirbelstürme und ausgedehnte Trockenperioden könnte der Region mindestens ein Prozent des Bruttoinlandsproduktes verloren gehen, heißt es in dem Bericht, der auf der im mexikanischen Cancún zu Ende gehenden Klimakonferenz vorgestellt wurde. Nach Schätzungen der UN-Kommission würde dieses Szenario eintreffen, wenn die Temperaturen um bis zu sechs Grad Celsius bis um Jahr 2100 ansteigen.

Besonders Lateinamerika ist demnach wegen seiner ausgedehnten Küstenregionen anfällig für de Konsequenzen der Veränderungen des Klimas. Zu den konkreten Folgen zählt die CEPAL Engpässe in der Trinkwasserversorgung, die Zunahme von Waldbränden und Rückschläge für die Agrarindustrie. Tatsächlich wurden nach Angaben der kolumbianischen Regierung durch die schweren Niederschläge in den vergangenen Tagen 180.000 Hektar Ackerland vernichtet.

Nach Ansicht der UN-Experten dürfte es bei solchen einmaligen Folgen nicht bleiben. Zu den möglichen Konsequenzen zählen sie den Rückgang der Gletscher etwa in chilenischen Andenraum und den Verlust der Mangrovenwälder in Ländern wie Brasilien, Kolumbien oder Ecuador. Es sei deswegen dringen notwendig, so die Mahnung der Autoren, dass die Regierungen der Region sich jetzt auf die Folgen des Klimawandels einstellen.