Syrische Rätsel

Stellt der Angriff von US-Truppen auf ein syrisches Dorf eine Erweiterung der Bush-Doktrin dar oder hat Syrien klammheimlich den Angriff auf al-Qaida-Anhänger unterstützt?

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Die Bush-Regierung spielt mit den Angriffen in Pakistan und Syrien ein gefährliches Spiel. Während Pakistan nun aufgrund der immer häufigeren Angriffe auf Häuser und Menschen in den Stammesgebieten auch formell Protest bei der US-Regierung eingelegt hat, weil dies die Antiterror-Bekämpfung und das Vertrauen in die pakistanische Regierung untergrabe, hat zwar die syrische Regierung den Angriff von vier Hubschraubern auf ein syrisches Dorf nahe der irakischen Grenze als Terrorakt verurteilt, aber ähnlich wie im Fall der Bombardierung der israelischen Luftwaffe einer vermeintliche Atomanlage in Syrien bleibt Vieles im Dunklen.

Die USA, so wird gesagt, habe mit dem Angriff ein Zeichen setzen wollen, um die syrische Regierung zu warnen, dass sie die Grenze stärker kontrollieren müsse. Angeblich sei es um einen Schlag gegen ein al-Qaida-Netzwerk gegangen, das Kämpfer aus der islamischen Welt in den Irak schmuggelt. Man habe den Leiter der syrischen Gruppe, Abu Ghadiya, fangen oder töten wollen.

Es wird nur gemunkelt, offen erklärt wird zu den Angriffen von amerikanischer Seite sicherheitshalber nichts. Kommentatoren sprechen davon, dass die Angriffe eine Erweiterung der Bush-Doktrin belegen würden, also präventiv im Prinzip überall auf der Welt militärisch zu intervenieren. Man weite nun das Selbstverteidigungsrecht auch so aus, Angriffe auf Ziele in souveräne Staaten ausführen zu können, ohne deren Regierungen vorher zu informieren oder um Genehmigung zu bitten. Möglicherweise sind diese Angriffe, so wird spekuliert, auch Tests, ob sich ähnliche Interventionen auch im Iran durch führen lassen könnten. Als Hinweis gilt ein Passus in der Rede von US-Präsident Bush vor den Vereinten Nationen.

As sovereign states, we have an obligation to govern responsibly, and solve problems before they spill across borders. We have an obligation to prevent our territory from being used as a sanctuary for terrorism and proliferation and human trafficking and organized crime.

Welche Regierung dies nicht macht, muss eben womöglich mit Sanktionen von den USA bis hin zu militärischen Angriffen rechnen. Eher verschwörungstheoretisch könnte man argumentieren, Bush suche die Konfrontation in letzter Sekunde, um dem republikanischen Präsidentschaftskandidaten McCain zu helfen oder um Fakten zu schaffen, die der neue Präsident nicht umgehen kann.

Seltsam bleibt, dass weder im Fall des israelischen Angriffs noch in der Hubschrauberattacke der Amerikaner irgendetwas vom syrischen Militär unternommen wurde. Das könnte darauf hinweisen, dass die syrischen Luftabwehrsysteme völlig veraltet sind oder aber, dass ähnlich wie in Pakistan auch die syrische Regierung heimlich den Angriff zugelassen hat. Das ist zumindest die Meinung des israelischen Geheimdienstexperten Ronen Bergman. Auch wenn offiziell die Beziehungen zwischen Syrien und den USA angespannt sind, ist man sich doch einig im Kampf gegen die islamistischen Terroristen. Die CIA hat heimlich Entführte nach Syrien bringen lassen, um sie dort zu verhören, womöglich könnte die syrische Regierung auch zugestimmt haben, um nicht selbst eingreifen zu müssen, das US-Militär gegen al-Qaida-Anhänger vorgehen zu lassen. Dann könnte man öffentlich auf arabischer Seite stehen und die USA verdammen, aber gleichzeitig ein eigenes Problem gelöst haben. Mit dem neuen Präsidenten könnte man dann auch neue Beziehungen auifnehmen.