TV-Star und Schmuddelkind: Wie Putins Propagandist Solowjow Russland aufmischt

Wladimir Solowjow in seiner Sendung. Bild: Screenshot Youtube

Er ist der Stimmungsmacher für den Kreml. TV-Moderator hetzt gegen die Ukraine und den Westen, aber auch nach innen. Damit macht er sich nicht nur Freunde.

Fast immer, wenn in westlichen, sozialen Netzwerken Videos mit besonders harten, aufsehenerregenden Aussagen aus dem russischen Fernsehen auftauchen, stammen sie aus Talkshows des bekanntesten Propagandisten des Kreml: Wladimir Solowjow.

Nato nuklear auslöschen

Manchmal geht es darum, die Nato nuklear auszulöschen (sogar inklusive Invasion der Schweiz) oder Solowjow sieht den Westen als Hort des Satanismus und will Berlin erobern.

Dass sich diese Aussagen so rasend verbreiten, liegt neben ihrer viralen Brutalität auch an der Tatsache, dass sie von radikalen Förderern Kiews offensiv in Umlauf gebracht werden. Nichts befördert im Westen das pauschale Bild vom "bösen Russen" so gut wie Ausschnitte und Zitate vom tobenden Moderator des Kreml-Fernsehens.

Sie eignen sich ausgezeichnet dafür, deutschen Konsumenten den "Kampf bis zum Sieg" gegen Russland näherzubringen, egal wie viele Opfer eine langfristige Fortführung des Krieges in der Ukraine noch bringen mag.

Der Aufstieg des Wladimir Solowjow

Wer ist Wladimir Solowjow und warum bekommt er in Russland für seine Tiraden gegen den Westen und russische Liberale so viel Sendezeit?

Nach einem Studium an der Sowjetischen Akademie der Wissenschaften verschlug es den aus einer jüdischen Familie stammenden Solowjow in den 1990er-Jahren in die USA, wo er sich interessanterweise aktiv für den Wahlkampf von George Bush Senior engagierte. Nach zwei Jahren kehrte er nach Russland zurück und begann seine Medienkarriere.

Dort nutzte er seine US-Kontakte und interviewte George W. Bush. Seine Karriere als Moderator lief ausgezeichnet und er nutzte sie für einträgliche Nebenjobs, etwa "Beratertätigkeiten" der russischen Sberbank.

So gelangte er zu einem beträchtlichen Wohlstand, zwei Villen besitzt er unter anderem in Italien. Auch an privaten Skandalen mangelt es der schillernden Figur nicht. Und natürlich ist er auf den westlichen Sanktionslisten verzeichnet.

In seinen Sendungen wechselt er zwischen eigenen, scharfen Monologen und einer Rolle als Schiedsrichter zwischen seinen Gästen, die sich oft aus einem Pool russischer politischer Akteure aus der zweiten Reihe rekrutieren. Dabei profiliert er sich stets als Vertreter konservativer Werte und dreht gerne unliebsamen Gästen das Wort im Mund herum.

Emotionaler Hofberichterstatter für regierungsnahe Ältere

Beim Publikum des russischen Staatsfernsehens kommt seine emotionale Art gut an. Ansonsten gibt er sich wandelbar, einmal als guter Patriot, dann wieder als strenger Antinationalist – immer voll von sich überzeugt.

Egal, wie sehr sich seine Positionen widersprechen. Vor allem ältere und regierungsnahe Russen schalten seine Sendungen im Fernsehen an, während das jüngere, urbane oder oppositionelle Russland sich schon lange eher online informiert.

Wichtig für Solowjow war, dass er schließlich auch ganz oben im Kreml gut ankam. 2015 interviewte er zweifach Putin, eines der Interviews floss ein in einen pathetischen Dokumentarfilm, in dem Solowjow seinen Präsidenten als Wiederhersteller der russischen Großmacht pries.

Sendereihe: "Moskau. Kreml. Putin"

Solowjow erhielt dafür die entsprechende Belohnung, moderierte ab 2018 eine neue Kreml Haus- und Hofreihe namens "Moskau. Kreml. Putin.", wo er, stets unkritisch und bewundernd, schildern durfte, wie Putin seine letzten Tage verbrachte.

Der russische Journalist Dmitri Kolesew vergleicht diese einstündige Sendung sehr treffend mit dem Personenkult der UdSSR zur Breschnew-Zeit.

Die Filme sind eine Mischung aus "Insideraufnahmen", wohlwollenden Kommentaren und Beurteilungen kremlnaher "Experten". Putin wird zum mythischen Helden verklärt.

Seine guten Kontakte zum Kreml brachten Solowjow in die Position, die er vor allem seit Beginn der russischen Ukraine-Invasion erfolgreich ausübt: die des prominenten TV-Propagandisten mit 1,4 Millionen Followern allein im sozialen Netzwerk X, der seit zwei Jahren gegen die Ukraine, die "Diener Satans", zum "Heiligen Krieg" bläst.

Solowjow provoziert auch in eigenen Reihen

Ein Teil von Solowjows für westliches Publikum schwer erklärbares Unterhaltungspotential kommt daher, dass er mit persönlichen Angriffen auf Personen aus regierungsnahen Reihen nicht spart, auch nicht in Kriegszeiten.

Erst im Februar attackierte er den Militärkorrespondenten des Staatskanals Channel One Marat Chairullin in seiner Sendung. Solowjow behauptete, dieser arbeite tatsächlich für die Streitkräfte der Ukraine.

Chairullin schoss verbal scharf zurück gegen den Kollegen und kündigte eine gerichtliche Klage an. Der Schlagabtausch produzierte in einem Russland, wo viele Nichteinverstandene zurecht Angst haben, ihre Meinung außerhalb vertrauter Kreise überhaupt kund zu tun, viel Aufmerksamkeit. Denn an der Oberfläche des Systems ist Kritik in Kriegszeiten selten geworden.

Doch in jüngster Zeit schoss TV-Star Solowjow mit seinen Tiraden des Öfteren über das Ziel hinaus. Andeutungen über eine aserbaidschanische Spur beim Terroranschlag brachten dem Moderator scharfen Protest des aserbaidschanischen Presserates ein, der ihm "Fanatismus" und "Informationssabotage" vorwarf.

Dabei schaffte es Solowjow, sich zeitgleich mit dem aserbaidschanischen Erzfeind Armenien anzulegen, das kurzerhand die Ausstrahlung seiner Sendung auf dem staatlichen Auslandssender RTR Planeta für das eigene Staatsgebiet blockierte.

Angriff auf eine Frontstadt

Solowjows fehlendes Augenmaß kostete ihm nicht nur Punkte bei früheren und aktuellen russischen Verbündeten. Nach dem fortgesetzten Beschuss der russischen Grenzstadt Belgorod durch die Ukrainer bezichtigte Solowjow die dortigen Bewohner der "abscheulichen Hysterie", die Material für die "ukrainisch-nazistischen Medien" liefere.

Das brachte eine Menge der Bewohner verständlicherweise gegen den Salonpatrioten im fernen Moskau auf. Solowjows Seite im russischen Netzwerk VK wurde von aufgebrachten Kommentaren geflutet, er möge doch mit seinen Kindern in das Kampfgebiet ziehen, um den Einheimischen das korrekte Benehmen unter feindlichem Beschuss zu zeigen.

Der Hashtag #SolovievComeBelgorodWaiting trendete so gut, dass die Kommentare auf Solowjows Seite gesperrt wurden.

Guter Draht zum Kreml

Dass Solowjow trotz vieler Hater bis hin zu regierungstreuen Russen weiter die laute TV-Stimme geben kann, liegt vor allem an seinem guten Draht nach oben in den Kreml. Dieser finanziert all seine TV-Aktivitäten dauerhaft mit Millionen aus dem Staatshaushalt.

Was bei vielen von denen, die seine Ausfälle im Westen verbreiten, unterschlagen wird: Er besitzt keine aus einem politischen Amt abzuleitende eigene Macht. Deshalb kann er hemmungslos hetzen.

Das ist in Russland eine Gemeinsamkeit der meisten Scharfmacher. Sie befinden sich in einer Position ohne echte Macht und suchen nach Aufmerksamkeit von oben. Oder sie stehen auf dem politischen Abstellgleis wie Ex-Premier Dmitri Medwedew oder sind eigentlich reine Provinzfürsten wie Ramsan Kadyrow.

Wenn jedoch das eigene Schicksal ganz vom Draht von oben abhängt und keine echte eigene Macht bedeutet, kann es damit auch schnell vorbei sein. Finanziell hat Solowjow für diesen Fall gut ausgesorgt. Doch die große Bühne, die ihm die Behörden bieten, wird der Polterer des Staats-TV sicher vermissen, wenn sie ihm entzogen wird.

Nutzen für das System Putin ist fraglich

Am Ende stellt sich die Frage, inwiefern Solowjow für das System Putin überhaupt noch eine nützliche Rolle spielt. Begeistern kann er nur den Teil des älteren Publikums, das ohnehin treu zum Kreml steht.

Neue Zielgruppen erschließt er nicht, bringt in jüngster Zeit ausländische Partner und ganze Regionen Russlands gegen sich auf. Stößt Schwankende eher ab, als dass er sie überzeugt.

Für die größten Gegner Russlands im Westen liefert er Steilvorlagen zur Abrundung des russischen Feindbildes, die von diesen umfassend genutzt werden. Effektive Propaganda geht anders.

Es ist natürlich die Frage, inwiefern das die Strippenzieher bei den Medien, die selbst tief im System stecken, das erkennen. Eine solche Erkenntnis könnte jedoch das Ende von Solowjows Karriere sein.