Talfahrt des Euro

Abbau von Carry-trades treibt Yen und Dollar auf Rekordstände

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

In den letzten Wochen erlebte der Euro den stärksten Einbruch seit seiner Einführung. Nachdem der gerade noch so starke Euro am Freitag mit 1,26 Dollar auf den niedrigsten Stand seit zwei Jahren gefallen war, gilt es an den Märkten fast schon als gewiss, dass die Notenbanken der USA, Japans, Großbritanniens und der Schweiz sowie die EZB erstmals seit September 2000 koordiniert an den Währungsmärkten intervenieren werden, um der Aufwärtsbewegung des Dollars entgegenzutreten. Schon damals war es darum gegangen, den zerbröselnden Euro, der damals nur noch knapp 85 US-Cents wert war, aufzufangen, was gelang.

Diesmal wird weniger das jüngste Euro-Massaker als Problem gesehen, sondern der zum Teil noch stärkere Zerfall der Währungen etlicher Emerging Markets, die gerade schwer unter dem Einbruch der Rohstoffpreise leiden. Dieser Preisrückgang macht die Euroabwertung aus europäischer Sicht allerdings eher erträglich und stärkt die zuletzt durch den starken Euro angeschlagene Weltmarktposition der europäischen Exporteure.

In der Finanzmarktberichterstattung wurde vorerst die Spekulation über weitere Zinssenkungen der EZB als wichtigste Ursache für den jüngsten Abwärtsdruck auf den Euro genannt, die nach Ansicht vieler Marktteilnehmer angesichts des höheren Leitzinsniveaus von 3,75 Prozent mehr Spielraum für Zinssenkungen habe als die US-Notenbank. Außerdem hätten sich die Konjunkturaussichten in Europa viel später eingetrübt als in den USA, wodurch sich der relative Wert des Dollar steigere. Ob das allein ausgereicht hätte, um die Last des nach wie vor bei mehr als 700 Mrd. USD liegenden Handelsbilanzdefizits der USA auszugleichen, erscheint jedoch zweifelhaft

Viel mehr dürfte sich der Euro-Einbruch besser unter dem Aspekt des globalen „Deleveraging“, dem weltweiten Abbau von Fremdfinanzierungen, erklären lassen. Denn angesichts der genannten Zinsdifferenz wurden der Dollar und der Yen von den Finanzmarktteilnehmern weltweit wesentlich stärker als Refinanzierungswährung genutzt als der Euro. Wird diese Verschuldung zurückgeführt, müssen die damit finanzierten Assets verkauft werden. Und sollten wie bei den Carry-trades die Erlöse in einer anderen Währung anfallen, müssen damit Dollar bzw. Yen gekauft werden. Schätzungen zufolge müssen aus Gründen der Bilanzverkleinerung derzeit rund zweimal so viele Dollar gekauft werden wie Euros, um die Schulden zu tilgen – erzwungen unter anderem durch den Rückzug von Investorengeldern aus Hedge-Fonds.

Hintergrund ist, dass die USA ihre internationale Vermögensposition in der vergangenen Dekade erheblich ausgeweitet hat. Makroökonomisch bedeutet das, dass Überschussländer wie China nicht nur den Konsum der US-Amerikaner finanziert haben, sondern auch deren Auslandsinvestitionen.

Insofern lohnt sich ein Blick in die internationale Vermögensposition der USA. Die Fed veröffentlicht die Analyse der U.S. Net International Investment Position at Yearend 2007lerdings die jüngste Verkaufswelle nicht umfasst.

Demnach hielten die USA direkt ausländische Vermögenswerte im Wert von 15, 355 Billionen Dollar, und weitere 2,284 Billionen in der Form von Finanzderivaten. Demgegenüber hielten Ausländer US-Assets im Gegenwert von 20,081 Billionen USD, woraus sich ein Negativsaldo von 2,442 Billionen USD ergibt. Der Abgang hatte sich gegenüber dem Vorjahresstand nur um bescheidene 216 Mrd. USD ausgeweitet – nach einer ökonomischen Identität sollte sich das Saldo eigentlich um das Leistungsbilanzdefizit von mehr als 700 Mrd. USD erhöhen – dies wurde aber durch die starken Aufwertungen der meisten Investitionswährungen kompensiert. Sowie dadurch, dass die Aktienkurse in den meisten Zielländern deutlich stärker angestiegen waren, als die US-Aktien in ausländischem Besitz.

Auf Direktinvestitionen, also die Investitionen US-amerikanischer Multis, entfielen davon 3,332 Billionen Dollar, wobei von der Vorjahreszunahme von 396 Mrd. USD 263 Mrd. aus reinvestierten Gewinnen stammten, immerhin 88 Mrd. USD hatten die US-Unternehmen aber auch direkt investiert. Auf 2,284 Billionen USD mehr als verdoppelt hatten sich die US-Forderungen aus derivativen Positionen, von denen 707 Mrd. allein auf Counterparts aus der Londoner City entfielen. In der Form von Wertpapieren hielten die USA 6,648 Billionen USD, wobei die Nettokäufe sich im Vorjahr auf 288 Mrd. USD beliefen. Rund drei Viertel entfielen dabei auf Aktien, wovon mit 2,550 Billionen USD mehr als die Hälfte auf europäische Titel entfiel, in die die USA 2007 so wie schon im Jahr zuvor immerhin rund 90 Mrd. USD an frischem Kapital investiert hatten.

Immerhin hatten Auslandsinvestitionen aus US-amerikanischer Sicht nun jahrelang den doppelten Charme von höheren Renditen und Wechselkursgewinnen besessen. Diese Investitionen wurden zu einem großen Teil mit Dollar-Krediten finanziert, die in großem Umfang letztlich über die neuen Kreditfazilitäten der Fed finanziert wurden. Im Zuge des Deleveraging müssen diese Positionen nun getilgt werden, was die aktuell hohe Dollar-Nachfrage erklärt. Dementsprechend verlieren jetzt genau die Währungen am stärksten, deren Länder jahrelang hohe Dollar- oder Yen-fnanzierte Investitionen empfangen haben, allen voran Island, Australien, Neuseeland, Südkorea, Südafrika, Brasilien und zuletzt Euro-Europa. Wenn Treasuries wie Dollar gleichzeitig so stark notieren,wäre es für China jedenfalls ein guter Zeitpunkt, seine Dollar-Papiere in Euroanlagen zu tauschen.