Tauschen oder Kaufen?

Eine Online-Umfrage will das Verhalten gegenüber Tauschbörsen klären

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Obwohl Napster nun von Bertelsmann gebändigt und kommerzialisiert wurde, bleibt das Thema des Musiktausches über das Internet ein umstrittenes Thema für die Musikindustrie. Denn Napster ist nicht die einzige Tauschbörse; Tauschbörsen wie Gnutella sowie andere Filesharing-Seiten und auch WWW-Seiten zum freien Herunterladen von urheberrechtlich geschützten Titeln wird es sicher weiterhin geben. Dieses Tausch- und Nutzungsverhalten soll mit einer Online-Umfrage untersucht werden.

Nicht nur in rechtlicher Hinsicht sind solche Tauschprozesse interessant. Aus sozialwissenschaftlicher Sicht stellt sich die Frage, wer aus welchen Gründen und in welchem Umfang überhaupt am Tausch teilnimmt. Telepolis berichtete in der Vergangenheit schon mehrfach über diese Frage; einschlägig ist auch die Gnutella-Studie von Eytan Adar und Bernardo A. Huberman aus dem Jahr 2000. Hierbei zeigte sich, dass zumindest die Gnutella-Nutzer in erster Linie Dateien herunterladen und nur ein relativ geringer Nutzeranteil tatsächlich selbst Dateien zur Verfügung stellt.

Dieses Nutzerverhalten stellt die von vielen Internetenthusiasten geäußerte These in Frage, dass ein völlig freies Internet ein allgemeines Geben und Nehmen befördern würde. Eher ist zu vermuten, dass sich die meisten Internetnutzer als rationale Egoisten erweisen. Andererseits ist es, zumindest aus der Sicht von Vertretern der Theorie des rationalen Handelns, schon erstaunlich, dass überhaupt ein derartiges Angebot im Internet zustande kommt. Denn immerhin nehmen diejenigen, die zum Aufbau von Tauschbörsen beitragen, einige Mühen und Kosten auf sich, ohne eine direkte Gegenleistung zu erhalten. Dieses Verhalten widerspricht dem Handlungsmodell des Homo oeconomicus, nach dem nur Handlungen ausgeführt werden, die sich auch auszahlen.

Im Prinzip stellen alle Möglichkeiten, im Internet kostenlos Musik herunterzuladen, ein sogenanntes öffentliches Gut dar. Öffentliche Güter zeichnen sich dadurch aus, dass niemand von der Nutzung ausgeschlossen werden kann. Insofern müsste theoretisch ein hohes Interesse an der Nutzung einhergehen mit einem gleichzeitig eher geringen eigenen Engagement. Lässt sich dieses Muster in der Realität der Internetnutzung beobachten?

Was motiviert jemanden dazu, auf freiwilliger Basis und ohne kommerzielle Interessen eigene Ressourcen für die Allgemeinheit zur Verfügung zu stellen? Und was hält andere davon ab, sich daran zu bereichern? Um diese Fragen zu untersuchen, führen Sonja Haug (Universität Leipzig) und Karsten Weber (Europa-Universität Frankfurt/Oder) eine Online-Umfrage durch. Hier soll der Bekanntheitsgrad von Tauschbörsen und anderen Musikangeboten im Netz erfragt werden, außerdem die Nutzungshäufigkeiten und Einstellungen zu solchen Angeboten. Zum Vergleich mit herkömmlichen Nutzungsgewohnheiten wird der Kauf oder Tausch von Musik- CDs herangezogen.

Die Autoren bitten um rege Teilnahme an der Umfrage. Zwischenergebnisse und Auswertungen können auf den WWW-Seiten der Umfrage eingesehen werden, sobald solche vorliegen.