Tierisch künstlich

Biobots auf dem Vormarsch

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In der schottischen University of Sterling reagiert eine Robotergrille auf den Lockruf eines Artgenossen. In den Labors der Universität Cambridge schwingt eine künstliche Motte ihre mechanischen Flügel. Und in Massachusetts wühlt sich ein blecherner Tunfisch durch das kühle Nass. Die Entwicklung der sogenannten Biobots hat allerorten bizarre Blüten getrieben, führt aber auch immer häufiger zu bemerkenswerten Erkenntnissen, die nicht nur für Naturwissenschaftler fast aller Disziplinen, sondern auch für Psychologen und Verhaltensforscher interessant sind. Ob es den Wissenschaftlern allerdings gelingt, ihre künstlichen Geschöpfe zu einer eigenen Evolution zu animieren, und die Roboter Hans Moravecs Thesen bestätigen und den Menschen bis zum Jahr 2050 tatsächlich den Rang ablaufen, darf gleichwohl bezweifelt werden.

Ein von Barbara Webb für das Grillenexperiment benutzter Kephera-Roboter

Denn die Ergebnisse der bisherigen Forschungen, die Barbara Webb von der University of Sterling in Nature vorstellte, sind dann auch wieder nicht so überzeugend, dass man befürchten müsste, Moravecs (Horror-?) Vision würde in absehbarer Zeit Wirklichkeit werden.

Der Versuch, einen Tierroboter zu erschaffen, der sich exakt so verhält, wie sein natürlicher Bauplan, hat das Anfangsstadium trotzdem weit hinter sich gelassen. Denn die bizarren Objekte aus Metall, Silizium, Kleinstmotoren und Gummireife, können scheinbar sehen und hören und diese Signale in der Schaltzentrale ihres neuronalen Netzes offenbar auch in entsprechende Bewegungen umwandeln.

Webb selbst ist es gelungen, die schon angesprochene Robotergrille auf natürliche Lockrufe der Gryllus bimaculatus reagieren zu lassen. Mit Hilfe von Miniaturmikrophonen nimmt sie die Schallwellen ebenso phasenverschoben wahr wie ihr biologisches Vorbild. Die künstliche Grille kann nach Auskunft von Barbara Webb nicht nur die Richtung erkennen, in die sie sich bewegen muss, sondern sogar zwischen verschiedenen Klangquellen unterscheiden und auf grundlegende Umweltbedingungen reagieren.

Eben deshalb hält die Verhaltenspsychologin Experimente mit Robotern für wesentlich erfolgversprechender als Computersimulationen. Die Neuralverbindungen wirbelloser Tiere könnten mit ihren Forschungsmodellen sehr präzise nachgebaut und deshalb so gut erforscht werden, weil sich die Pseudogrillen in einer normalen Umgebung zurecht finden müssen, in der sie jederzeit auf unvorhersehbare Hindernisse stoßen können. Erst dann erweist sich Webbs Meinung nach die wahre Qualität der Biobots, wohingegen ein Rechner nur die Hindernisse simulieren kann, die vorher programmiert wurden. Ob sich eine Robotergrille durch Lockrufe so irritieren lässt, dass sie vom Labortisch fällt, sei aber nur am realen Modell zu überprüfen.

Nur sind wirbellose Tiere keine Wirbeltiere und schon gar keine Menschen, und für das Credo der Robotiker, sämtliche Organismen funktionierten im Grunde sehr viel einfacher, als die selbsternannte Krone der Schöpfung bislang glauben wollte, gibt es noch immer keine überzeugenden Belege. Überdies gehen maßgebliche Kognitionsforscher davon aus, dass die von manchen KI-Experten angestrebten koevolutionären Prozesse in Endlosschleifen stecken bleiben, weil die Roboter vorerst nicht in der Lage sein dürften, beispielsweise ihren Körper selbsttätig zu verändern und sich damit variablen Umweltbedingungen anzupassen.