Tomatenpflücker gegen Taco Bell

Landarbeiter in den USA arbeiten für einen Hungerlohn und haben zum Boykott von Taco Bell aufgerufen

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Die Tex-Mex Fastfood-Kette kauft die Tomaten zu Billigpreisen und ist deshalb nach Meinung der Pflücker mitverantwortlich für die Arbeitsbedingungen ihrer Zulieferer

Taco Bell gehört zum größten Restaurant-Konzern der Welt. Tricon Global besitzt auch die Ketten Kentucky Fried Chicken (KFC) und Pizza Hut, nach eigenen Angaben gibt es weltweit 30 417 dieser Restaurants. McDonalds bringt seine Hamburger "nur" in 29 000 Verkaufsstätten an die Hungrigen. In Deutschland ist Tricon Global Restaurants mit Kentucky Fried Chicken und Pizza Hut vertreten.

Die Landarbeiter aus Florida, die in der "Coalition of Immokalee Workers" (CIW) zusammen geschlossen sind, haben sich einen mächtigen Feind ausgesucht, denn sie rufen zum nationalen Boykott der Taco Bell-Restaurants auf.

Florida ist ein Staat, der wenig Industrie hat, dafür viel Tourismus und Landwirtschaft. Außer mit Zitrusfrüchten wird auch mit Tomaten eine Menge Geld verdient. Aber am wenigsten davon landet in den Lohntüten der Arbeitern auf den Feldern.

Lucas Benitez von der CIW erläutert, worum es den Landarbeitern geht:

Taco Bell ist eine multinationale Gesellschaft mit $5,2 Milliarden Umsatz und Teil von Tricon, der weltgrößten Restaurant-Kette mit $22 Milliarden jährlichem Umsatz. In einem signifikanten Umfang beruht Taco Bells enormer globaler Gewinn auf den billigen Zutaten für ihre Mahlzeiten, und dazu gehören auch die billigen Tomaten, die von Landarbeitern in Florida gepflückt werden. Diese Landarbeiter verdienen unterhalb der Armutsgrenze. Nach dem letzten Bericht des U.S. Department of Labor an den US-Kongress verdienen Landarbeiter durchschnittlich $7 500 pro Jahr, und das ohne weitere Vergünstigungen und ohne rechtlichen Anspruch auf Überstundenbezahlung oder kollektive Vertretung in Verhandlungen mit dem Arbeitgeber. Nun gut, wir als Landarbeiter sind es leid, Taco Bells Profite mit unserer Armut zu subventionieren. Wir rufen heute zu diesem Boykott auf, weil das ein erster Schritt ist, um zu erreichen, was unser gutes Recht wäre: ein fairer Lohn und Respekt für die harte und gefährliche Arbeit, die wir tun.

Taco Bell steht auf dem Standpunkt, dass ihre eigenen Firmenpolitik sauber ist und sie alle ihre Mitarbeiter fair entlohnen. Für die Lohnpolitik und die Arbeitsbedingungen ihrer Zulieferer seien sie nicht verantwortlich, ließen sie verlauten. Taco Bell kauft zu Dumpingpreisen und als große Restaurantkette hat sie eine gute Position in Verhandlungen mit den Tomatenbauern. Die Firma kauft von einem der größten Tomaten-Produzenten des Landes (Six L's Packing Co.), der den Pflückern $0,42 für jeden 32-Pounds-Korb (1 Pound sind 453,6 g) zahlt. Entscheidend war für Taco Bell bisher immer nur möglichst gute Qualität für möglichst wenig Geld zu bekommen, aber das könnte sich ändern.

Die Landarbeiter haben im vergangen Jahr versucht mit der Tex-Mex-Fastfood-Kette zu reden. Sie wollten Verständnis für ihre Position wecken und Taco Bell bewegen, sich für sie und ihre Forderungen bei den Tomatenproduzenten einzusetzen. Die Vorstellung war, dass die Restaurants als wichtigster einzelner Tomaten-Einkäufer in Florida verlangen könnten, dass ihnen die Zulieferer garantieren, ihre Arbeiter angemessen zu entlohnen. Aber Taco Bell hatte kein Interesse und ließ die CIW-Vertreter abblitzen. Studenten solidarisierten sich, schrieben Briefe an die Firma, aber die antworte nur, die Bezahlung der Farmarbeiter sei nicht ihre Angelegenheit, sie würden nur die Tomaten ankaufen, die Farmen seien nicht ihr Eigentum und deswegen seien sie auch für die internen Vorgänge dort nicht verantwortlich. Nachdem alle Dialogversuche gescheitert waren, rief die Vertretung der Farmarbeiter zum nationalen Boykott gegen Taco Bell auf. Studentenvertretungen haben sich bereits solidarisiert.

Die Coalition of Immokalee Workers bezeichnet sich selbst als "community-based worker organization". Auf den Farmen arbeiten vor allem Migranten aus Mittelamerika oder der Karibik und sie verdienen bei extrem harten Arbeitsbedingungen oft unter dem gesetzlichen Mindestlohn. Der gesetzliche Mindestlohn wurde in den USA das letzte Mal 1997 erhöht: auf $5,15 pro Stunde. Manche Bundesstaaten haben gesetzlich einen höheren Mindestlohn festgelegt - Florida gehört nicht dazu. Außerdem sind viele Farmarbeiter davon ausgenommen, weil sie mit saisonal befristeter Arbeitserlaubnis nicht unter die Garantie dieser Mindestbezahlung fallen. Viele haben keinen Vertrag mit Stundenlohn, sondern werden z.B. beim Pflücken nach "Stückzahl", d.h. pro gefülltem Korb bezahlt.

Der soziale Status der Landarbeiter ist eine Katastrophe, wie auch der Bericht des Department of Labor im Dezember 2000 feststellte (The Agricultural Labor Market - Status and Recommendations). Das Ministerium für Arbeit untersuchte einen Zeitraum von 10 Jahren - mit dem Fazit, dass sich die Einkommensverhältnisse der Landarbeiter sogar noch verschlechtert hat. Arbeitsrechtliche Bestimmungen werden von den Arbeitgebern oft ignoriert. Mit einem durchschnittlichen Jahreseinkommen von $5'000-$7'250 (Familien $7'500-10'000) ist der Verdienst weit unterdurchschnittlich, 60% leben unter der Armutsgrenze.

Auch die Bezahlung gemäß erbrachter Leistung hat sich deutlich verschlechtert. Um auf den Mindestlohn zu kommen, muss ein Pflücker 13 Körbe (32-Pounds) à $ 0,40 pro Stunde pflücken.

Source: Center for Immigration Studies, Washington, DC, "Immigration Reform and Perishable Crop Agriculture: Case Studies, Volume II."

Die Coalition of Immokalee Workers setzt sich seit Jahren für die Rechte der Ärmsten der US-Gesellschaft ein. Sie hat in den ganzen Staaten mit Aktionen wie Hungerstreiks, Protest-Märschen und anderen Aktionen viele Unterstützer gewonnen und auch lokale Verbesserungen in einigen Bereichen durchsetzen können. Dialog und öffentliche Aufmerksamkeit gehören zu ihrer Strategie und die Leute von CIW wissen, dass sie letztlich für alle Farmarbeiter der USA sprechen, denn die Situation ist überall gleich katastrophal.

Für den Taco-Bell-Boykott haben sie Studenten als Unterstützer gewonnen und das ist eine sehr guter Ansatz. Taco Bells Kundschaft ist sehr jung, Studenten sind eine wichtige Zielgruppe und auf dem Campus vieler US-Colleges stehen diese Tex-Mex-Läden. Taco Bell könnte durch seiner Ignoranz beträchtlichen Image-Schaden erleiden, der sich möglicherweise in den Umsatzzahlen spiegeln wird. Studenten tendieren in den USA zu starker politischer Korrektheit.

Der Kampf um bessere Arbeitsbedingungen der Landarbeiter geht weiter und die einzige Waffe der beinahe Rechtlosen ist die Unterstützung der Öffentlichkeit. Romeo Ramirez von CIW: "Wenn man den Unterschied der Macht zwischen uns Landarbeitern und dem Milliarden-Dollar-Konzern Taco Bell betrachtet, muss man denken, dass wie verrückt sind, uns mit denen anzulegen. Die haben alle finanzielle und politische Macht und wir haben nur eine einzige Waffe. Aber diese Waffe - die Wahrheit - ist das Mächtigste auf der Welt und deshalb sind wir sicher, dass wir gewinnen werden."

Übrigens ist Tricon Global auch in Deutschland auf dem Vormarsch. Es gibt bereits über 100 Pizza-Huts und 27 Kentucky Fried Chickens. Weitere 10 Hähnchenfrittier-Läden sollen noch in diesem Jahr eröffnet werden.