Trumps Trümpfe

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Wie Trump lernte das Virus zu lieben, um wieder gewählt zu werden

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Das Jahr begann gut für Trump. Er überstand unbeschadet den Impeachment-Prozess, der Aktienmarkt war auf einem Allzeithoch und die Arbeitslosenquote lag bei historisch niedrigen 3,5%. Dann kam das Virus und stahl Trump die Aufmerksamkeit. Er nahm's persönlich. Der gesundheitliche Notstand wurde auch zu seiner Krise und er reagierte erwartbar: Er leugnete, er zürnte, er verhandelte.

Trump nutzt die Corona-Krise als Chance, um das zu tun, was er am besten kann: schamlose Selbstdarstellung. Er oszilliert zwischen Regierung - wenn es um umfangreiche Geldgeschenke und Steuererleichterungen geht - und Opposition gegen diese Regierung - wenn es um die Lockerung von Lockdowns geht. "Mr. Teflon" ist nicht beim Wort zu nehmen. Wer das tut, dem dreht er einen Strick daraus. So kann er im Wahlkampf alle Positionen vertreten, die "Stimme" aller sein, es allen recht machen - den Vermögenden und der "Arbeiterklasse" - und schließlich auf ihre Stimmen zählen.

Geschenke an die Arbeiter

Rund 33,5 Millionen Menschen haben in den sieben Wochen seit Beginn des Coronavirus Arbeitslosenhilfe beantragt. Allein im April fielen 20,5 Millionen Jobs weg. Millionen Menschen waren vor der Pandemie schon arbeitslos. Rechnet man diese Zahlen zusammen, so ergibt dies mehr als 40 Millionen Arbeitslose, was einer realen Arbeitslosenquote von 24,9% entspricht. Jeder Vierte ist arbeitlos.

"Es ist wie erwartet. Es gibt keine Überraschung. Jeder weiß das. Sogar die Demokraten geben dafür nicht mir die Schuld", sagte Trump kurz nach der Veröffentlichung der Zahlen zu Fox News. "Was ich tun kann: Ich werde die Jobs zurückbringen."

Die Schaffung von Arbeitsplätzen ist freilich ein altbewährtes Kernthema eines jeden Wahlkampfes. Derzeit gibt es so viele Arbeitsplätze zu versprechen wie nie zuvor. Trumps Trumpf: Im Februar lag die Arbeitslosenquote bei unter 3,5 Prozent, ein historisches Minimum. Wenn es um Wahlkampfversprechen geht, wird er auf diese Zahl als seine Leistung verweisen. Zudem hat in seiner ersten Amtszeit die Arbeitslosenquote vor allem in den "red states" senken können.

Teil des zwei Billionen Dollar schweren CARES-Hilfsprogramms sind zusätzliche Arbeitslosengelder. Die "Pandemic Unemployment Assistance" (PUA) in Höhe von 600 Dollar pro Woche wird zum normalen Arbeitslosengeld ausgezahlt. Die Mehrheit der Bundestaaten gewährt ein durchschnittliches Arbeitslosengeld zwischen 300 und 500 Dollar pro Woche. Wenn man zum nationalen Durchschnitt von 371,88 Dollar pro Woche weitere 600 Dollar hinzufügt, kann das in vielen Bundesstaaten sogar mehr Geld bedeuten als das Monatsgehalt in einer Vollzeitstelle.

In insgesamt 37 Bundesstaaten kriegen Arbeitslose mehr Geld durch die Arbeitslosenunterstützung als in einem durchschnittlichen Vollzeitjob. Das betrifft vor allem Arbeitslose in den "red states". 29 dieser 37 Bundesstaaten haben 2016 Trump gewählt. Dieses Programm läuft bis zum 31. Juli. Der Anspruch auf PUA umfasst jedoch nicht diejenigen, die absichtlich ihren Job kündigen, um höhere Leistungen zu erhalten, sondern nur jene, die ihren Arbeitsplatz als direkte Folge von Covid-19 verlieren.

Der Kongress könnte überdies entscheiden, die Frist in einem weiteren Konjunkturpaket über den Juli hinaus zu verlängern, wenn es der Ansicht ist, dass die Wirtschaft immer noch stark angeschlagen ist, etwa wenn nach der Lockerung des Lockdowns die nächste Infektionswelle anrollt.

Diese Woche haben Demokraten zudem eine Erhöhung der Stimulus-Schecks vorgeschlagen: Personen, die weniger als 120.000 Dollar verdienen, sollen einen monatlichen Scheck über 2.000 Dollar erhalten, unabhängig davon, ob sie eine Sozialversicherungsnummer haben oder im vergangenen Jahr Steuern eingereicht haben. Die Zahlungen würden rückwirkend zum März erfolgen und bis zu drei Monate länger dauern, nachdem das Gesundheits- und Sozialministerium den öffentlichen Gesundheitsnotstand für beendet erklärt hat. Auch diesen Schecks könnten wieder Trumps Unterschrift tragen. Seine Unterschrift zierte die bisherigen Stimulus-Schecks, die 80 Prozent der Arbeitnehmer erhalten haben, als käme das Geld direkt vom Präsidenten.

Geschenke für Arbeitgeber und sonstige Vermögende

Die neuesten Arbeitslosenzahl überraschte Analysten nicht, die Börse reagierte unaufgeregt. Es wurde sogar ein Anstieg der US-Aktienindex-Futures verzeichnet. Auch hier kann Trump punkten. Überhaupt scheinen Dow-Jones und Nasdaq sich vom Crash im Februar/März erholt zu haben. Nasdaq liegt nur etwa 10% liegt sie unter dem Rekordwert vom Februar, ähnlich erholt sieht der Dow Jones aus. Beide haben seit Trumps Wahl in 2016 enorme Sprünge gemacht.

Das sorgt auch für Trumps wichtigste Wählerschaft für Beruhigung bzw. zur Vorfreude über weiter steigende Kurse, wenn die Wirtschaft wieder volle Fahrt aufnimmt. Denn es ist ein Mythos, dass Trumps Wahlsieg von 2016 wesentlich auf der Zustimmung der nun "blue collar worker", der "working class", basierte. Die meisten Wähler Trumps waren nicht aus der Arbeiterklasse.

Zum Beispiel zeigte eine NBC-Umfrage vom März 2016, dass nur ein Drittel der Trump-Anhänger ein Haushaltseinkommen von oder unter dem nationalen Medianwert von etwa 50.000 Dollar hatten. Ein weiteres Drittel verdiente 50.000 bis 100.000 Dollar, und ein weiteres Drittel verdiente mehr als 100.000 Dollar. Wenn man annimmt, dass Arbeiterklasse zu sein bedeutet, in der unteren Hälfte der Einkommensverteilung zu sein, dann war die große Mehrheit der Trump-Anhänger während der Vorwahlen keine Arbeiterklasse.

Zur schweigenden Mehrheit der Trump-Wähler zählen also jene gut situierten, die sich nicht die Blöße geben würden auf den Wahlkampfveranstaltungen Fahnen schwenkend "USA! USA!" zu rufen. Der New Yorker kommentiert: "Die Geschichte des Aufstiegs von Trump wird oft als eine feindliche Übernahme erzählt. In Wahrheit handelt es sich eher um ein Joint Venture, bei dem Mitglieder der amerikanischen Elite die Bedingungen des Trumpismus als Preis der Macht akzeptierten."

Derzeit sind 88% der Aktien im Besitz der reichsten 10 Prozent der Bevölkerung. Denen macht das CARES-Paket bereits Steuergeschenke. Nun könnten weitere Steuererleichterungen winken, wenn die Kapitalertragssteuer gesenkt wird.

Die Senkung der Kapitalertragssteuern wurde von den Republikanern traditionell als Mittel zur Förderung von Investitionen bevorzugt. Kapitalertragssteuern werden auf die Differenz zwischen dem, was eine Einzelperson ursprünglich für eine Immobilie oder Investition bezahlt hat, und dem, wofür sie verkauft wird - zum Zeitpunkt des Verkaufs. Der derzeitige Spitzensatz für Kapitalgewinne liegt bei 23,8 Prozent. Diese Art der Steuersenkung könnte sowohl Einzelanlegern, die Aktien kaufen und verkaufen, als auch institutionellen Anlegern wie Investmentfonds-, Hedgefonds- und Private-Equity-Investoren helfen.

Für Unternehmen könnte zudem die Senkung der "Payroll Tax" kommen. "Das ist eine Sache, die sich viele Menschen wünschen", sagte Trump. Eine Aussetzung der Lohnsummensteuer könnte Arbeitgeber dazu veranlassen, mehr Arbeitnehmer einzustellen, indem sie ihre Lohnkosten senken und gleichzeitig die Gehälter der Arbeitnehmer erhöhen. Dies könnte dazu beitragen, eine wirtschaftliche Erholung voranzutreiben und Unternehmen in Schwierigkeiten Liquidität zu verschaffen. Die Payroll Tax fließt jedoch in die Finanzierung der Social Security und der Medicare.

Weitere Geschenke macht Trump der Öl-, Kohle- und Auto-Industrie. Die Trump-Regierung hat laut einer Aufstellung der NY Times fast 100 Umweltschutzregularien aufgehoben. Die Umweltschutzbehörde EPA stellt es den Kohle-, Öl- und Gas- sowie Stromerzeugern frei, die Überwachung der Umweltverschmutzung und die Meldepflicht zu ignorieren - solange sie die Coronavirus-Pandemie als Vorwand benutzen.

Alles in allem zählt eine Analyse der New York Times, die auf Forschungen der Harvard Law School, der Columbia Law School und anderen Quellen basiert, mehr als 60 Umweltvorschriften und -bestimmungen, die unter Herrn Trump offiziell aufgehoben, widerrufen oder anderweitig zurückgenommen wurden. Weitere 34 Rücknahmen sind noch im Gange.