Tsipras träumt vom Ende des Sparprogramms

Alexis Tsipras will Optimismus verbreiten. Bild: W. Aswestopoulos

Varoufakis lehnt auch die neuen Sparbeschlüsse ab, Schwierigkeiten gibt es mit der Umsetzung der Privatisierungen

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Der frühere Finanzminister Yanis Varoufakis hat sich mit einer Reihe von Interviews wieder in den Fokus der finanzpolitischen Diskussion in Griechenland gerückt. Seine Vorstöße fallen in die Diskussion um die neuen Sparbeschlüsse für Griechenland. Erneut betont er die Unmöglichkeit, das nun von den Kreditgebern Geforderte zu vollbringen. Zusätzlich teilt er gegen seine einstigen Parteifreunde aus.

Währenddessen verkündete Premierminister Alexis Tsipras in einem Interview gegenüber der Sonntagszeitung Real News, dass das Land bereits ein Jahr früher als geplant, nämlich 2017, an die internationalen Finanzmärkte zurückkehren würde und dann die Sparprogramme beendet seien.

Soviel Optimismus ist der Nea Dimokratia, die als Regierung 2014 vollkommen gleiche Parolen verkündete, suspekt. Sie kritisiert Tsipras scharf und wirft ihm vor, das Land nicht zu retten, sondern gemeinsam mit Yanis Varoufakis in den Abgrund getrieben zu haben. Tsipras hingegen hat sich einen Schuldenschnitt auf die Fahnen geschrieben. Diesen möchte er mit allen Mitteln erreichen. Dafür nimmt er nahezu sämtliche Forderungen der Kreditgeber in Kauf. Wenn die Schuldenlast erst einmal tragfähig wird, so die Theorie, dann könnte es auch mit dem Wirtschaftsaufschwung klappen.

Im Gegenzug für den Rabatt bei der Abzahlung der Kredite bietet Tsipras sogar einen Primärüberschuss von 3,5 Prozent im Staatshaushalt an. Eine automatische Kostenbremse soll diesen über Jahrzehnte hinaus garantieren.

Yanis Varoufakis meldet sich zurück

Genau da setzt Varoufakis Kritik an. Er postuliert, dass der Schuldenschnitt ebenso wie 2011, als Zinsen gekappt wurden, oder 2012, als die Privatanleger zum Schuldenerlass gezwungen wurden, zu spät kommt. Varoufakis bezeichnet den avisierten Schuldenschnitt zudem als anämisch und verweist auf die toxische Wirkung der mit dem Schuldenschnitt verbundenen Austerität.

Der Schuldenschnitt selbst sei eine notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung für einen Aufschwung, meint Varoufakis in einem Beitrag in der Efimerida ton Syntakton. Nur gemeinsam mit einem Ende der Austerität kann gemäß Varoufakis, die Abwärtsspirale Griechenlands gestoppt werden.

Dabei erhält der viel kritisierte, streitbare Ökonomieprofessor in der Sache Rückhalt von ungewohnter Seite. Das von Tsipras versprochene Primärplus im Staatshaushalt ab 2018 wird selbst vom bislang härtesten Befürworter der Sparmemoranden mehr als nur in Zweifel gestellt. Der Namensvetter von Varoufakis, Yannis Stournaras, hatte sich früher als Finanzminister selbst die höchst möglichen Ziele gesetzt. Einen Wirtschaftsaufschwung hält er jedoch nur für möglich, wenn das zu erfüllende Primärplus auf zwei statt wie von Tsipras versprochen für 2018 und alle Folgejahre bis zur Abzahlung der Hilfskredite auf 3,5 Prozent festgeschrieben wird. Damit stellt sich Stournaras faktisch hinter Varoufakis, indem er im aktuellen Sparplan eine Gefahr für die wirtschaftliche Erholung sieht.

Gegen ein Gelingen des dritten Sparmemorandums seit 2010 sprechen zudem die Wirtschaftszahlen. Die europäische Statistikbehörde Eurostat verzeichnet für Griechenland im ersten Quartal 2016 nach kurzer Erholung 2015 wieder die Rückkehr zur Rezession. In einem seiner Interviews, welches er Athens Live gab, erklärt Varoufakis, warum es so weit kommen konnte. Er erklärt, dass er als Finanzminister in enger Absprache mit Tsipras gegenüber den Partnern der Eurogruppe hinter verschlossenen Türen betont habe, bis zum Äußersten gehen zu wollen. Dass er beiläufig Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble jegliche ökonomische Kompetenz abspricht und der Kanzlerin vorwirft, dass ihr politischer Horizont immer nur maximal drei Monate betrage, hat vor allem in deutschen Medien für Furore gesorgt.

Yanis Varoufakis strebte keinen Grexit an, sondern wollte die Staatspapiere abwerten. Bild: W. Aswestopoulos

Für Griechenland viel interessanter war, was er über die ursprüngliche Verhandlungstaktik der Griechen aus dem Jahr 2015 sagte. Demnach drohte er in Absprache mit Tsipras nicht mit dem Grexit, sondern mit einer einseitigen Abwertung der Staatspapiere, welche bei der EZB hinterlegt und die nicht, wie die Gelder aus den letzten Rettungspaketen mit englischem Recht abgesichert sind. Diese Schuldverschreibungen unterlagen zumindest seinerzeit dem nationalen griechischen Recht und waren somit Varoufakis‘ Faustpfand.

Die dem ursprünglichen, unter Papandreou, Papademos und Samaras eingeschlagenen Sparkurs wohl gesonnene, Tsipras gegenüber oppositionell eingestellte und Varoufakis verteufelnde griechische Presse fabulierte über eine offene Drohung Varoufakis mit einem Grexit. Dabei wurde in der englischen Ausgabe sinnigerweise Varoufakis Dementi ebenso verlinkt wie das strittige Interview.

Varoufakis Schachzug zielte nicht auf einen Grexit, sondern auf den EZB-Präsidenten Mario Draghi ab. Mit der Drohung, die alten Papiere zu entwerten, setzte er den Zentralbanker unter Druck. Denn genau diesem hätte er damit die größten Probleme bereitet. So jedenfalls erklärt es Varoufakis. In einem ersten Treffen mit Draghi möchte er mit diesem einen Burgfrieden geschlossen haben. Dies lässt sich auf den Satz: "Du schließt meine Banken nicht und ich mache keinen Haircut mit deinen Papieren" zusammenfassen. Draghi soll Varoufakis für diesen Waffenstillstand geradezu angebettelt haben.

Warum die Taktik nicht aufging, dafür hat Varoufakis auch eine Erklärung. Vizepremierminister Giannis Dragasakis soll ihn verraten haben. Dragasakis habe Draghi bei einem Geheimtreffen versichert, dass er gegen eine solche Aktion Varoufakis ein Veto einlegen würde. Damit, so Varoufakis, war für Draghi der Weg zur Bankenschließung im Sommer 2015 offen. Dragasakis hingegen bezichtigt seinen früheren Kabinettskollegen der Lüge und meint, so ein Treffen habe es nie gegeben. "Varoufakis fährt fort Mythen zu spinnen, und versucht die Geschichte umzuschreiben", meint der Vizepremier.

Wie geht es weiter in Griechenland?

Vor einem Abschluss der ersten Inspektion der Kreditgeber zur Freigabe der ausstehenden Tranche, und bevor überhaupt über das Schuldenproblem ernsthaft diskutiert wird, muss Tsipras zunächst noch einmal zahlreiche Sparmaßnahmen durch das Parlament bringen. Es gilt am nächsten Wochenende knapp 18 weitere Forderungen der Kreditgeber, sowie den gesetzlichen Mechanismus für einen Kostendämpfer zu verabschieden. Nur mit der Zustimmung des Parlaments zu neuen Austeritätsmaßnahmen in der Tasche, kann Finanzminister Euklidis Tsakalotos auf einen Abschluss der Inspektion bei der nächsten Eurogruppe am 24. Mai hoffen.

Darüber hinaus muss die Regierung weitere Privatisierungen vorantreiben. Darunter sind die Wasserwerke des Landes, die elektrischen Kraftwerke, die komplett fertig gestellte Egnatia-Autobahn, der Erdgasversorger DEPA sowie die Eisenbahnen.

Bei der Privatisierung der Staatsbahnen werden die Probleme des Verkaufs von Staatseigentum in Krisenzeiten jedoch besonders deutlich. Einer der wenigen ernsthaften Bewerber, das staatliche chinesische Cargo-Unternehmen Cosco, investiert lieber in ein eigenes Bahnunternehmen in Griechenland, statt sich mit dem Kauf der staatlichen TRAINOSE zu beschäftigen.

Für die griechische Regierung bedeutet so ein Fiasko, dass die für einen Verkauf geplanten Einnahmen dann auf einem anderen Weg in den Staatshaushalt gelangen müssen. Die bisher dabei geübte Praxis sind Steuererhöhungen. Für Tsipras gilt, dass wer den Schaden hat, sich um den Spott nicht auch noch bemühen muss.

In Umfrageergebnissen werden, wie in Thessaloniki, Einbrüche von bis zu 20 Prozent für SYRIZA verzeichnet, weil die Bürger mit Tsipras' Sparmaßnahmen hadern. Aber auch aus Brüssel kommt Tadel. Valdis Dombrovskis, seines Zeichens EU-Kommissar für den Euro und Soziales, wirft Tsipras vor, dass dieser die Steuern erhöht habe. Dombrovskis meint, die Regierung hätte besser ihre Ausgaben senken sollen.