Türkei droht Syrien und zwingt eine syrische Passagiermaschine zur Landung

Während das Pentagon die Anwesenheit von US-Soldaten in Jordanien bestätigt, scheint die Türkei durch den Rückhalt der Nato den Konflikt mit Syrien weiter zu schüren

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Die Auseinandersetzungen an der syrisch-türkischen Grenze verstärken sich. Nach wiederholtem Beschuss aus Syrien hat nun das türkische Militär gewarnt, stärker zurückzuschlagen, wenn weiter Granaten aus Syrien über die Grenze kommen. Der türkische Generalstabschef, General Necdet Özel, erklärte gestern während eines Besuchs der Grenzstadt Akçakale, wo durch eine Granate am 3. Oktober 5 Menschen getötet wurden: "Wir haben bereits reagiert und werden mit größerer Gewalt reagieren." Bislang beschoss die türkische Armee Ziele an der Grenze mit Artillerie - mit welchem Ergebnis ist unbekannt.

Noch freilich ist weiterhin unklar, ob die syrischen Truppen gezielt Granaten zur Provokation in die Türkei schießen, ob diese versehentlich bei Kämpfen zwischen Truppen und Rebellen über die Grenze kommen oder ob sie vielleicht von Rebellen stammen, um die Türkei in einen Krieg hineinzuziehen.

Zuvor hatte die Nato, die bislang sehr zurückhaltend reagierte, einen Ton zugelegt. Generalsekretär Rasmussen sagte am Dienstag während einer Pressekonferenz, dass man zwar weiterhin eine politische Lösung anstrebe, aber man habe alle Pläne vorbereitet, "um die Türkei zu schützen und zu verteidigen". Und am Mittwoch stellte sich demonstrativ auch der US-Verteidigungsminister Panetta hinter die türkische Regierung. Die USA hätten der Türkei auch bislang bei der Bewältigung der Folgen geholfen, die aus der Krise in Syrien entstanden sind. Man würde dies auch weiterhin tun, sagte er am Ende der Nato-Konferenz gestern, ohne genauer zu werden. Er sprach dabei die chemischen und biologischen Waffen Syriens und deren Beobachtung an.

Dass die Türkei nun ihrerseits zu provozieren beginnt, zeigt der Vorfall, dass türkische Kampfmaschinen im türkischen Luftraum eine syrische Passagiermaschine zur Landung auf dem Flughafen in Ankara gezwungen haben.

Das von Moskau kommende Flugzeug könnte, so wurde diese Maßnahme begründet, Waffen an Bord gehabt haben. Die Russen reagierten erwartungsgemäß konsterniert. Der türkische Außenminister erklärte dazu im Sender TRT, man habe Informationen erhalten, dass das Flugzeug "gewisse Gegenstände in Verletzung der Regeln der zivilen Luftfahrt" transportieren würde. Zudem ließ die türkische Regierung verlauten, dass aufgrund mangelnder Sicherheit türkische Flugzeuge nicht mehr den syrischen Luftraum passieren dürfen. Gemunkelt wird, dass die Aktion möglicherweise auch deswegen geschehen sei, weil der russische Präsident Putin gestern einen geplanten Besuch in der Türkei abgesagt habe.

Angeblich wurden in dem Flugzeug tatsächlich militärische Kommunikationsgeräte und Teile gefunden und beschlagnahmt, die sich für Raketen verwenden lassen. Die Maschine durfte mit den 37 Passagieren nach der Durchsuchung weiter nach Damaskus fliegen.

US-Soldaten in Jordanien

Gleichzeitig bestätigte Panetta, was die New York Times zuvor gemeldet hatte. Dort hieß es, das Pentagon habe um die 150 "Planer und andere Experten" nach Jordanien entsandt, um dort zu helfen, mit den Flüchtlingsströmen zurechtzukommen, aber auch, um das jordanische Militär darauf vorzubereiten, wenn die chemischen und biologischen Waffen nicht mehr vom Assad-Regime kontrolliert werden können oder wenn der Konflikt auf Jordanien übergreifen sollte. Aufgabe sei es auch, so die NYT, Jordanien von den Unruhen zu isolieren und zu verhindern, dass das Königreich wie die Türkei in den Konflikt mit hineingezogen wird. Am Montag ist bereits eine Granate aus Syrien in der Grenzstadt Turra eingeschlagen. Schon zuvor war dies mehrmals aufgrund von Kämpfen in Syrien vorgekommen.

Der US-Posten befindet sich zwischen der Hauptstadt Ammann und der etwa 50 km entfernten Grenze zu Syrien und ist seit Mai im Land. Bislang soll die Amerikaner vor allem beim Training von jordanischen Soldaten und bei der Bewältigung der Flüchtlingsströme geholfen haben. Letzteres ist nicht selbstlos, denn durch eine zu große Belastung des Landes durch Flüchtlinge könnten schnell im Land Konflikte entstehen. Zudem könnte der Arabische Frühling auch die Haschemitische Monarchie ins Schwanken bringen. Die USA fürchten, ähnlich wie Israel, dass die Region dann noch instabiler würde und auch Islamisten in Jordanien stärker werden könnten. Denkbar ist auch, dass militante Islamisten aus Syrien oder dem Irak in Jordanien ihren Kampf fortsetzen könnten.

Panetta bestätigte, dass das Pentagon schon seit einiger Zeit mit Jordanien im Hinblick auf das, was in Syrien geschieht, zusammenarbeite. Er nannte ebenfalls die humanitäre Hilfe für die Flüchtlinge, die Beobachtung der Orte, wo Syrien die chemischen und biologischen Waffen gelagert hat, und die Vorbereitung des jordanischen Militärs auf eventuelle Notfälle. Es soll ein Stützpunkt eingerichtet und sichergestellt werden, dass "die Beziehung zwischen den USA und Jordanien stark bleibt, sodass wir mit allen möglichen Folgen der Geschehnisse in Syrien umgehen können."

Derweil setzt al-Arabyia seine Verschwörungsserie fort, in der das Assad-Regime durch angeblich von Rebellen gefundene Dokumente aller möglichen Verbrechen beschuldigt wird. So soll das Assad-Regime, wie der saudische Sender am Montag berichtete, einige Agenten nach Jordanien geschickt haben, um dort bislang friedliche Proteste vor allem der Muslimbrüder zu radikalisieren, den Widerstand mit Geld und Waffen zu stärken und die Sicherheit und Stabilität Jordaniens zu erschüttern, weil sich hier auch Rebellen aus Syrien zurückziehen würden und Unterschlupf fänden. Überdies sollte die syrische Armee die jordanische provozieren. Man habe dabei mit Iran und Russland zusammengearbeitet, hieß es am Dienstag.