UK: Tories auf dem Weg in den Untergang?

Grafik: TP

In den Umfragen für eine Unterhauswahl ist die Partei hinter Labour und die Brexit Party auf Platz drei zurückgefallen

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Letzte Woche gab der britische Vizepremierminister David Lidington bekannt, dass sein Land am 23. Mai auf jeden Fall an der Europawahl teilnehmen wird. Selbst dann, wenn sie Premierministerin Theresa May und Labour-Chef Jeremy Corbyn bis dahin auf einen Ausstiegsmodus aus der EU einigen. In einer für die Times durchgeführten YouGov-Umfrage zu dieser EU-Wahl baute Nigel Farages Brexit Party darauf hin ihren Vorsprung von 30 auf jetzt 34 Prozent Stimmenanteil aus - und die Tories sackten mit nun nur mehr zehn Prozent hinter Labour (16) die Liberaldemokraten (15) und die Grünen (11) auf den fünften Platz ab.

Alarmierender ist für die Partei jedoch eine für den Express durchgeführte ComRes-Umfrage zur Unterhauswahl. Bei der gilt (anders als bei der Europawahl) ein First-Past-the-Post-Mehrheitswahlrecht, das den Wählern einen starken Anreiz setzt, sich zwischen einem der Kandidaten von zwei großen Parteien zu entscheiden. Hier sanken die Tories mit 19 Prozent Stimmenanteil auf Platz drei ab - hinter der Labour Party (für die 27 Prozent stimmen würden) und der Brexit Party (die dort auf 20 Prozent käme).

In britischen Medien ist deshalb die Rede von "Kanada": Dort, wo ebenfalls ein Mehrheitswahlrecht gilt, ging die vorher jahrzehntelang abwechselnd mit der Liberal Party regierende Progressive Conservative Party 1993 praktisch unter. In einem System mit Mehrheitswahlrecht muss sich viel Unzufriedenheit anhäufen, bevor so etwas mit einer von zwei großen Parteien geschieht. Aber wenn es geschieht, dann kann es sehr plötzlich und umfassend von Statten gehen.

Amerikanisches Zweiparteiensystem vermied Austausch durch Integration neuer Strömungen

In einem anderen Land mit Mehrheitswahlrecht - den USA - muss man weiter in die Geschichte zurückgehen, um so einen Parteienaustausch zu finden: Bis in das Jahr 1854, als sich das Zwei-Parteien-System aus Demokraten und Republikanern herausbildete, das die US-Politik bis heute bestimmt. Im Laufe der letzten 162 Jahre standen die Parteien allerdings für unterschiedliche Positionen: Die Republikaner waren unter Abraham Lincoln die Partei der Abschaffung der Sklaverei, unter Teddy Roosevelt die der Kontrolle der Kartelle und der großen Unternehmen und unter Ronald Reagan die der Steuersenkungen (in der Theorie, aber nicht unbedingt in der Praxis). Die Demokraten transformierten sich von der weißen Südstaatenpartei des 19. Jahrhunderts über die Sozialstaatsexperimente Franklin Delano Roosevelts hin zur heutigen Partei.

Dass sich die Parteien veränderten, lag auch daran, dass sie neu entstehende Bewegungen nicht zu Konkurrenten werden ließen, sondern in sich aufnahmen: Die abolitionistische Free Soil Party ging beispielsweise in den Republikanern auf, die Greenback Party, die für Papiergeld eintrat, in den Demokraten. Später gelang das auch wegen der Vorwahlen, in denen sich ein Außenseiter wie Donald Trump von der Basis an der etablierten Parteibürokratie vorbeiwählen lassen konnte.

Integration der Austrittsbewegung versucht, aber vorerst gescheitert

David Cameron schien das selbe zu machen wie die amerikanischen Demokraten und Republikaner, als er die Bewegung für eine Volksabstimmung über einem Austritt aus der EU, die Nigel Farages damalige Partei UKIP bei der Europawahl 2014 mit 27 Prozent stärkste Partei werden ließ, in seine eigene Partei integrierte und die Volksabstimmung am 23. Juni 2016 durchführen ließ. Tatsächlich verschwand UKIP bei den Kommunalwahlen danach weitgehend in der Versenkung (vgl. Englische Kommunalwahlen: UKIP praktisch verschwunden).

Doch dann gelang es Camerons Nachfolgerin Theresa May nicht, den vom Volk beschlossenen Brexit zum geplanten Termin zu vollenden - und der eigentlich schon ins Privatleben zurückgekehrte Nigel Farage (vgl. Der Führer, der anscheinend doch keiner sein wollte) gründete eine neue Partei, die ohne den ideologischen und personellen Ballast, der sich im Laufe der Jahre bei UKIP angesammelt hatte, anscheinend noch sehr viel mehr Wähler anspricht als seine alte.

Damit die Brexit Party nicht die Rolle der Tories übernimmt, so wie 1922 die Labour Party die Liberal Party beerbte, wollen viele Tories die Notbremse ziehen und May dazu bringen, ihren Hut auch dann zu nehmen, wenn sie vorher keinen Ausstiegsmodus findet, dem das Parlament zustimmen will. Das 1922 Committee hat ihr dazu eine Frist bis Mittwoch gesetzt. Nennt May bis dahin kein Rücktrittsdatum, könnte das Komitee die Regeln ändern, und ein parteiinternes Misstrauensvotum auch innerhalb von zwölf Monaten nach dem letzten gescheiterten zulassen (vgl. May übersteht Misstrauensvotum). Ende April hatte es so eine Regeländerung noch mit Verweis auf die anstehenden Kommunalwahlen am 2. Mai verweigert. Den Tories hatte das nichts geholfen: Sie verloren dort 1.334 Sitze und die Kontrolle über 44 Kommunalparlamente (vgl. Engländer bestrafen Tories und Labour).

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