UMTS und die Wahrheit der Datenraten

Die Gewinner der UMTS-Auktion stehen nun fest

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Insgesamt haben sechs Firmen über 98 Milliarden Mark für jeweils zwei der heiß begehrten Frequenzpakete bezahlt. Doch die immer wieder erwähnte Geschwindigkeit von 2 MBit/s für die mobile Datenübertragung der Zukunft wird wohl Utopie bleiben und rechtfertigt keineswegs die teuer bezahlten Frequenzkosten.

Als gemeinsamer Nachfolger der heute verfügbaren Datenfunk-Systeme der zweiten Generation (GSM900, GSM1800, GSM1900, PDC, cdmaOne, D-AMPS) wurde der UMTS-Standard (Universal Mobile Telecommunications System) verabschiedet. Treibende Kräfte für den neuen Standard sind die Mobilfunkspezialisten Ericsson und Nokia sowie die japanische DoCoMo. Im Standard selbst ist die vielzitierte Datenrate von bis zu 2 MBit/s definiert, doch schon heute ist den Spezialisten klar, dass diese Geschwindigkeit nicht flächendeckend zu realisieren ist. Technisch unterscheidet das UMTS-System verschiedene Zellengrößen. In dünn besiedelten Gebieten wird die Grundversorgung mit Makro-Zellen sichergestellt, in Städten und Ballungsgebieten wird das Netz weit stärker ausgebaut und in Mikro-Zellen unterteilt.

Obwohl sich Funkwellen mit 300 Millionen Metern pro Sekunde verbreiten, wird die maximale Datenrate nur im Stand oder bei einer maximalen Fortbewegungsgeschwindigkeit von 10 km/h erreicht. In der Praxis bedeutet dies Übertragungsraten in den Makrozellen von 144 KBit/s bei einer Fortbewegungsgeschwindigkeit bis 500 km/h und in den Mikrozellen eine Übertragungsrate von 384 KBit/s bei bis zu 120 km/h. Die 2 MBit/s können nur in sogenannten Pikozellen erreicht werden. Interessant ist dieser Netzausbau aber nur in viel frequentierten Gebäuden wie Bahnhöfen oder Flughäfen, denn der Aufwand für eine derartige engmaschige Infrastruktur ist immens: Typischerweise müssen dabei die Zellen einen Abstand von 75 Metern haben. Für ein wirklich performantes Netz, das haben Hochrechnungen für Stuttgart ergeben, würde ein Netzbetreiber 900 Zellen benötigen, wobei jeder Sender 3 Zellen abdecken kann. Und die Probleme bei UMTS bleiben die gleichen wie im Festnetz: Der Flaschenhals ist die letzte Zelle. Sobald sich mehr als ein Datenfunker in derselben Zelle befindet, sinken die Übertragungsraten. Insoweit machte es für die Netzbetreiber bei der Auktion schon Sinn, möglichst mehr als zwei Frequenzblöcke zu ersteigern, damit es für die Kunden in Zukunft nicht zu oft heißt: "Kein Netz verfügbar".

Bereits im April 1999 haben Siemens und NEC einen Kooperationsvertrag zur Entwicklung von UMTS-Technik geschlossen. Die deutsche Telekom hat heute schon ein Testgelände in der Nähe von Düsseldorf aufgebaut. Doch hier ist sie erst bei einer maximalen Übertragungsrate von 470 KBit/s angelangt, und das Handy selbst lässt sich wegen Gewicht und Abmessungen im Moment nur mit einem Auto fortbewegen. Doch zugegebenermaßen war das bei der Einführung der ersten Mobiltelefone in Deutschland auch nicht viel anders. Es dürfte nur eine Frage der Zeit sein, bis die heutigen postmodernen Designstudien Wirklichkeit werden - egal bei welcher Datenübertragungsrate.

Was aber die "Killer-Applikation" für den neuen mobilen Standard sein soll, weiß noch niemand so genau. UMTS schafft unbestritten die technischen Möglichkeiten, das heutige Internet mobil zu machen. Dabei muss das mobile Internet aber neue Anwendungen bieten, die nicht über die bestehenden Festnetzanschlüsse mitgenutzt werden können. Denn dem Festnetz wird UMTS keine Konkurrenz bieten können. Erst im Jahr 2010 werden die UMTS-Netze die heutigen profitablen GSM-Netze ablösen. Mit einer durchschnittlichen Übertragungsgeschwindigkeit von 384 KBit/s - immerhin sechsmal schneller als ISDN - wird die Übertragung von Webseiten und Videobildern problemlos möglich sein, doch bis 2010 dürfte ISDN schon durch das nochmals doppelt so schnelle DSL abgelöst worden sein. Möglicherweise sorgen zahlreiche andere Festnetzzugänge mit Potential wie Kabel- und Stromnetze, Satelliten-Downlinks oder lokale Funklösungen noch für einige Geschwindigkeits- und Preisüberraschungen.

Mögliche Anwendungsgebiete ergeben sich aber dennoch, wenn sich das heutige Handy zum persönlichen Kommunikationsassistenten wandelt, mit dem wir mobile Videokonferenzen abhalten, in Datenbanken recherchieren oder Überwachungskameras und die heimische Alarmanlage kontrollieren, Haustür und Garagentor öffnen und individuelle Stau-Meldungen abrufen, weil das Handy weiß, an welchem Ort wir uns befinden. Ganz nebenbei dient es auch zum Telefonieren. Aber alles ist in der schönen neuen Mobil-Welt nicht möglich. Bei Funk und Fernsehen ist es egal, wie viele Menschen den Sender empfangen. "Bei UMTS bleibt aber der letzte Meter zum Kunden das Problem, und so wird es in Zukunft trotz allem auf eine sinnvolle Verknüpfung aller bestehenden Systeme ankommen", ist Thomas Schierbaum vom Institut für Rundfunktechnik in München überzeugt.

Dass das Festnetz auch weiterhin erhalten bleibt, bestätigt auch Gerhard Schmid, Vorstandvorsitzender der MobilCom AG: "Man braucht auf jeden Fall eine Telekommunikationsverbindung zu Hause - um dort erreichbar zu sein und nicht nur mobil erreichbar zu sein. Ob die Signale über Festnetz, über Glasfaser oder über die Luft per UMTS gehen, das ist doch unerheblich. [...] und – sehr wichtig – das wird miteinander verknüpft sein."