US-Präsident Bush verhängt Sanktionen gegen Syrien

Die US-Regierung hält an der Politik der Stärke fest und liefert so radikalen Islamisten neue Legitimation

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Nach fünf Monaten Wartezeit war es am Dienstag soweit. US-Präsident Bush verkündete offiziell die schon länger geplanten Sanktionen gegen Syrien (Sanktionen gegen Syrien). Von ökonomischem Druck auf das arabische Land kann man kaum sprechen, eher haben die Sanktionen symbolischen Charakter und sollen eins deutlich machen: Syrien ist ein Feind der "freien Welt" im Kampf gegen Terror und für mehr Demokratie im Mittleren Osten.

Das Weiße Haus in Washington verhängte vorerst nur zwei von insgesamt sechs möglichen Maßnahmen. Alle US - Exporte nach Syrien sind von nun ab untersagt. Ausgenommen davon sind Lebensmittel, Medizin und Kommunikationstechnologie. Grossen Einfluss auf die syrische Wirtschaft wird das nicht haben. Die US-Importe nach Syrien werden auf rund 100 Millionen Dollar geschätzt. Leichte Probleme kann es vielleicht im Erdölbereich geben, der von amerikanischen Firmen dominiert wird, die jedes Jahr für 20 Millionen Dollar technisches Gerät aus den USA importieren. Laut Ahmed al-Hasan, dem syrischen Informationsminister, ist man aber schon dabei, die Lücke zu schließen. "Wir versuchen Vereinbarungen mit europäischen, japanischen und anderen asiatischen Firmen zu treffen". Der freie Markt des Kapitalismus eben, Angebot und Nachfrage.

Ironischerweise sind syrische Importe in die USA, die in etwa auch 100 Millionen Dollar umfassen dürften, weiterhin genehmigt. Dazu passt als zweite Sanktion, das Verbot von allen Direktflügen von Syrien in die USA. Im Flugplan von Syrian Airlines gibt es keinen einzigen Direktflug in die Vereinigten Staaten.

In Vorbereitung ist eine Überprüfung der Konten der Commercial Bank of Syria (CBS), die das größte Bankhaus des Landes ist, verantwortlich für alle Transaktionen der syrischen Regierung im Ausland. Die Geschäfte der CBS werden auf mögliche Geldwäsche hin untersucht. In einem Monat wird das Wirtschaftsministerium seine Untersuchungsergebnisse bekannt geben und gegebenenfalls Restriktionen implementieren. Das Einfrieren der Konten der CBS wäre dabei das "worst-case-scenario". Unklar ist, ob auch die Zusammenarbeit von CBS mit US-Banken wie "Bank of New York", "Morgan Guarentee Trust Company" oder "Citibank" auf der Liste der US - Ermittler stehen.

Bei der Begründung dieser Sanktionen, "Unterstützung des Terrorismus, Entwicklung von Massenvernichtungswaffen und Unterminierung der US-Politik zur Stabilisierung des Iraks", werden sich die meisten Menschen in der muslimisch-arabischen Welt lachend auf die Schenkel klopfen. Gerade nach dem Bekanntwerden der systematischen Misshandlungen von irakischen Gefangenen hat die US-Regierung jede Glaubwürdigkeit verspielt. Moralische Postulate gelten nur mehr als hohle Phrasen eines imperialistischen Staates, der gegen die Araber, gegen den Islam kämpft.

In Damaskus gibt man sich offiziell moderat und gesprächsbereit. Die Ausweisung militanter Palästinenser komme zwar nicht Frage, aber man sei, so der syrische Außenminister Farouk al-Sharaa, "zu einem konstruktiven und objektiven Dialog bereit, der die Probleme des Mittleren Ostens lösen kann".

Aber es gibt auch andere Untertöne, die eher das Meinungsspektrum in den arabischen Ländern widerspiegeln. "Der Druck der USA", sagte der Landwirtschaftsminister Syriens, Adel Safar, bei einem Besuch in Amman, "schmeckt ganz nach Ungerechtigkeit und den Doppelstandards", die im Mittleren Osten angesetzt würden. "Wir sind nicht in der Grundschule, wo der Lehrer einen undisziplinierten Schüler sanktioniert."

Frisches Wasser auf den Mühlen radikaler Islamisten

Auf den Punkt brachte die libanesische Tageszeitung "Al-Liwaa" den Ärger und die wachsenden anti-amerikanischen Ressentiments: "Würde es nur ein Minimum an Gerechtigkeit in dieser Welt geben, hätten alle freien Länder Sanktionen gegen die USA und Israel für ihr Verhalten und ihre Waffen im Kampf gegen andere beschlossen."

Auch der Generalsekretär des "Gulf Cooperation Councel", Abdulrahman al Attiya, meinte, anstatt Syrien müssten "Israel und die Regierung von Ariel Sharon wegen ihrer Angriffe auf das wehrlose palästinensische Volk und die andauernden Verstöße gegen internationale Normen und Gesetze mit Sanktionen belegt werden". Israel ist für viele Menschen in den arabischen Länder der große Nutznießer des "Kriegs gegen den Terror" der USA. Dass der israelische Außenminister Silvan Shalom die Sanktionen gegen Syrien als "eine wichtige Entscheidung" betrachtet, "nicht nur gegen Terrororganisationen, sondern auch gegen Staaten, die diese unterstützen", bekräftigt diese Ansicht.

Weder der wachsende militante Widerstand im Irak noch der Skandal um die Misshandlungen der Häftlinge im Gefängnis von Abu Ghraib haben die US-Regierung zu einem Umdenken geführt. Die Inkraftsetzung der Sanktionen zeigt, dass die amerikanische Regierung an ihrer "Politik der Stärke" im Mittleren Osten festhält. Man kann davon ausgehen, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis weitere Sanktionen folgen.

Seit dem ersten Tag der Befreiung im Irak, als die Bevölkerung die US-Truppen entgegen "aller Erwartung" nicht mit Blumen empfing, weiß man, dass Amerika nicht wirklich willkommen ist. Nicht nur im Irak, sondern auch in allen anderen arabischen Ländern. In der arabischen Welt werden die Konflikte in Afghanistan, im Irak und vor allen Dingen auch in Palästina zunehmend als ein einziger großer Kampf gesehen: die USA und Israel gegen die arabische Welt. Die Sanktionen gegen Syrien sind ein weiterer Puzzelstein in dieser Theorie, frisches Wasser auf den Mühlen radikaler Islamisten, die wie bin Laden zum Überlebenskampf der islam-arabischen Kultur aufrufen.