USA: Das Schlimmste hat gerade erst angefangen

Sturm aufs US-Kapitol am 6. Januar 2021. Bild: Tyler Merbler / CC BY 2.0

Demokraten träumen davon, dass mit einer möglichen Inhaftierung Trumps der rassistische Spuk vorbei ist. Doch das ist eine gefährliche Täuschung. Hier erfahren Sie, warum.

Donald Trump steht endlich vor Gericht. Momentan geht es um illegale Unterstützung während der Präsidentschaftskampagne, darunter Schweigegeld, das sein ehemaliger Anwalt in seinem Namen an eine klandestine Liebesaffäre geschickt hat.

In New York muss er sich zudem einer Anklage wegen Vergewaltigung stellen. Weitere Prozesse drohen. Gerade hat sein abtrünnig gewordener Vertrauter und ehemaliger US-Vizepräsident, Mike Pence, vor einer Geschworenenjury zum gewaltsamen Sturm auf das US-Kapitol am 6. Januar 2021 aussagen müssen.

Überraschend ist nichts davon. Schon lange vor seiner Amtszeit als US-Präsident hat sich Trump nicht vor der Illegalität gescheut. Seine Verachtung für Frauen ist offenkundig, seit er im öffentlichen Leben steht.

Von der unlauteren Finanzierung seiner Casinos bis hin zu mehr oder weniger offenem Schwindel wie der über seine sogenannte "Trump University": Er war schon immer ein Betrüger. Die Frage war dabei eher, wann und nicht ob es zu einer Verhaftung kommen würde.

Für viele Mitglieder und Anhängerinnen der Demokratischen Partei bietet das Medienspektakel seines Gerichtsprozesses nun die Möglichkeit, das zu tun, wovon sie seit acht Jahren träumen, nämlich den bösen Geist der Trump-Jahre endlich zu Grabe zu tragen. Mit der erträumten Inhaftierung des Demagogen endet der rassistische Spuk, sagen sie sich, nun kann das geschundene Land endlich heilen.

Diese Fantasie ist aber leider nichts als ein gefährlicher Tagtraum. Sie ignoriert nicht nur, dass sich die Trumpsche Ideologie schon über eine ganze neue Generation von Politiker:innen reproduziert, sondern übersieht vor allem auch die vielen Opfer, die sein Faschismus bereits gefordert hat.

Im Jahr 2021 haben sogenannte "Hate Crimes", also Straftaten, die der Herkunft oder sexuellen Orientierung einer Person zugrunde liegen, ihr höchstes Niveau seit 2008 erreicht. Allein zwischen 2021 und 2022 sind antisemitische Straftaten um ein Drittel gestiegen, im Vorjahr wurden mehr Transpersonen getötet als je zuvor.

All diese Zahlen gehen rapide seit dem Zeitpunkt nach oben, an dem Donald Trump mit seiner Misogynie, seinem Rassismus und Hass auf Minderheiten die politische Bühne betreten hat. Ungezählt sind die vielen Opfer seiner unmenschlichen Politik an der südlichen Grenze und in den Gefängnissen des Landes.

Mit der Fixierung auf Trump können sich Demokraten und was von den sogenannten "moderaten" Republikanern übrig geblieben ist, erzählen, dass das Schlimmste vorbei ist – dabei hat das Schlimmste gerade erst angefangen. Trotz der Biden-Präsidentschaft und der Mehrheit im Senat haben die Demokraten es nicht geschafft, das Ende von Roe. vs. Wade und dem damit verbundenen Schutz für Abtreibungen zu verhindern.

Mit den kürzlich erlassenen Einschränkungen gegen die Abtreibungspille Mifepristone nimmt der Kreuzzug der christlichen Rechten gegen Frauen weiter Fahrt auf. Beide Gerichtsurteile kamen durch Richter und Richterinnen zustande, die Trump ins Amt befördert hat.

Dass Marjorie Taylor Greene – eine offen antisemitische Abgeordnete aus Georgia, die ihre Politisierung in der QAnon-Szene erfahren hat – bei den Republikanern mittlerweile eine zentrale Position besetzt, zeigt, wo die Partei heute steht. Doch der ideologische Drift nach rechts ist bei den Demokraten genauso gut zu verfolgen.

Die Schwäche der Demokraten ist die Stärke der MAGA-Bewegung

Mit Donald Trump als Widersacher hatten die Demokraten über vier Jahre Zeit, sich der amerikanischen Wählerschaft als demokratisches und humanitäres Bollwerk gegen einen entfesselten Superschurken zu präsentieren. Für Joe Biden hat der inoffizielle Wahlkampfslogan "wenigstens bin ich nicht der Andere" im Jahr 2020 funktioniert, wenn auch knapp. Nun ermöglicht der schiere Extremismus des Vorgängers, von jedem allzu progressiven Thema abzurücken.

Dafür gibt es derzeit wohl kein besseres Beispiel als die Grenzpolitik. Während sich Biden als im Wahlkampf berechtigterweise über die gewaltsame Trennung von Asyl suchenden Kindern und deren Eltern brüskierte, erwägt seine Regierung jetzt, die Praxis wieder aufleben zu lassen.

Die Möglichkeit, an der südlichen Grenze Asyl zu beantragen, wird unter den von den Demokraten im Februar eingeleiteten Änderungen massiv eingeschränkt. Die ehemals bei einem Asylantrag üblichen Vorgespräche werden jetzt über eine App geregelt, die dunkelhäutige Menschen oftmals nicht richtig erkennen kann.

Auch mit allen Versprechungen, tiefgreifende Reformen bei Polizei und Justiz einzuleiten, hat Biden bis jetzt versagt. Anwandelungen an Black Lives Matter werden durch Solidaritätsbekundungen an die Sicherheitskräfte ersetzt – von strukturellem Wandel keine Spur.

Bei der Präsidentschaftswahl 2024 wird Joe Biden wieder damit angeben können, dass er wenigstens nicht so schlimm wie der andere ist. Damit hat er sicherlich auch irgendwie recht. Wie viel mehr er zu bieten hat, bleibt fraglich.

Die Fixierung auf die Person Trump lebt von einer Scheuklappen-Perspektive auf die amerikanische Geschichte. In dieser stellt Trump den Ursprung der White Supremacy dar. Dabei ist er schlicht und ergreifend dessen aktuelle Verkörperung.

Ob Donald Trump ins Gefängnis wandert, oder wider vieler Erwartungen zum zweiten Mal ins Weiße Haus gewählt wird, ist dabei weniger relevant als die Folgen seiner Zeit im Amt. MAGA ("Make America Great Again") lebt weiter, auch ohne ihren Chefideologen.

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