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USA, Großbritannien bombardieren Jemen: Ist die rote Linie zum großen Krieg überschritten?

Die USS Carney feuert eine SM-2-Rakete während einer Übung ab. Das Schiff wurde bei Huthi-Angriffen eingesetzt. Bild: Fred Gray, Pentagon / Public Domain

Biden und Sunak sprechen von Selbstverteidigung. Doch nicht nur im Nahen Osten wird vor Katastrophe gewarnt. Ist die Lunte am Pulverfass entzündet worden?

Die Vereinigten Staaten und Großbritannien haben Angriffe auf Ziele im Jemen durchgeführt, die mit den Huthi in Verbindung stehen. Es ist das erste Mal, dass die von Iran unterstützte Gruppe angegriffen wird, seit sie Ende letzten Jahres begonnen hat, Handelsschiffe im Roten Meer anzugreifen.

Die bewaffnete Rebellengruppe warnt, dass eine solche Aggression "nicht ohne Antwort bleiben wird". Der Sprecher der jemenitischen Huthi [1], Mohammed Abdulsalam, erklärte laut der Nachrichtenagentur Reuters [2] auf X, dass die Gruppe weiterhin Schiffe in Richtung Israel angreifen werde und es keine Rechtfertigung für den amerikanisch-britischen Angriff auf Jemen gebe.

Der stellvertretende Außenminister der Huthi, Hussein Al-Ezzi, stellte fest [3]:

Unser Land ist massiven Aggressionsakten US-amerikanischer und britischer Schiffe, U-Boote und Kampfflugzeuge ausgesetzt worden ... Die USA und Großbritannien werden sich darauf einstellen müssen, einen hohen Preis zu zahlen und die katastrophalen Konsequenzen dieser offenen Aggression zu tragen.

"Klare Verletzung der Souveränität"

Auch die Hisbollah im Libanon und die iranische Führung reagierten mit Verurteilungen auf die Bombardierungen von Huthi-Stellungen im Jemen. Irans Außenminister, Nasser Kanaani, betonte [4]: "Wir sehen darin eine klare Verletzung der Souveränität und territorialen Integrität des Jemen und einen Verstoß gegen internationale Gesetze, Vorschriften und Rechte."

Russland verlangt nun ein Treffen des UN-Sicherheitsrats, um die Militärschläge dort zu verhandeln. Die USA, Großbritannien und einige verbündete Nato-Staaten rechtfertigen [5] die Angriffe als notwendig bzw. als einen Akt der Selbstverteidigung.

Am Mittwoch hatten die USA mehrere Raketen der Huthi im Roten Meer abgefangen. Im Dezember hatten sie die militärische Koalition "Operation Prosperity Guard" gegründet. An ihr sind aber lediglich 20 Staaten beteiligt. Viele Nato-Staaten wie Frankreich, Spanien und auch Deutschland nehmen nicht daran teil [6].

Bei den seit drei Monaten laufenden Huthi-Angriffen sind bisher keine Opfer vermeldet worden [7]. Auch sind keine attackierten US-Schiffe beschädigt worden. Bei einem Entführungsversuch haben die USA Ende Dezember als Vergeltung drei Huthi-Boote versenkt [8] und Berichten zufolge zehn Kämpfer getötet.

60 Ziele an 16 Standorten

Saudi-Arabien hat vor einer weiteren Eskalation gewarnt [9]. Deutschlands Auswärtiges Amt stellte in einer Mitteilung demgegenüber klar, dass mit den Militärschlägen weitere Attacken vonseiten der Huthi verhindert werden sollen.

Nach Angaben der US-Luftwaffe [10] wurden "mehr als 60 Ziele an 16 Standorten der von Iran unterstützten Huthi-Milizen getroffen, darunter Kommando- und Kontrollpunkte, Munitionsdepots, Abschussanlagen, Produktionsstätten und Luftverteidigungsradarsysteme". Bei den Angriffen seien mehr als 100 verschiedene Typen präzisionsgelenkter Munition eingesetzt worden.

Die von den USA angeführten Angriffe auf den Jemen schüren die Angst vor einem größeren Krieg im Nahen Osten. Die Huthi-Truppen, die seit zehn Jahren einen Bürgerkrieg gegen die jemenitische Regierung und eine von Saudi-Arabien angeführte Koalition führen, begannen im Zuge von Israels Gaza-Krieg damit, Raketen und Drohnen auf Israel abzuschießen und den Schiffsverkehr im Roten Meer anzugreifen.

Anfang dieser Woche schossen die Huthi [11] 21 Raketen und Drohnen auf US-amerikanische und britische Kriegsschiffe ab, die an einer multinationalen "Sicherheitsinitiative" in der wichtigen Wasserstraße teilnehmen. Die Rebellengruppe hat immer wieder erklärt, die Angriffe zu stoppen, sobald ein Waffenstillstand für Gaza vereinbart werde.

Lunte an Pulverfass

Kenner der Region haben schon lange davor gewarnt, dass Angriffe auf den Jemen die Lunte an ein Pulverfass entzünden könnten. So sagte Trita Parsi [12], Vize-Präsident des Quincy Institute for Responsible Statecraft:

Wenn das Ziel darin besteht, die Angriffe der Huthi zu stoppen, ohne dass es zu einem regelrechten Krieg kommt, dann hat sich die Bombardierung der Huthi in der Vergangenheit als ziemlich ineffizient erwiesen. Fragen Sie einfach die Saudis.

Und er fuhr fort: "Das bedeutet, dass nicht nur die Anschläge nicht gestoppt werden, sondern dass der Krieg, den [US-Präsident Joe] Biden verhindern will, wahrscheinlich Realität wird." Um die Eskalation in einen großen Nahost-Krieg zu verhindern, brauche es dringend einen Waffenstillstand für Gaza.

CNN: "Endlich" haben Angriffe stattgefunden

Abgeordnete beider Seiten im US-Kongress, Demokraten wie Republikaner, haben die Biden-Regierung zum Teil scharf für die Angriffe kritisiert [13]. Biden hätte nicht die Befugnis besessen, sie zu starten. Er hätte vor der Durchführung von Militärschlägen im Jemen eine Zustimmung des Kongresses einholen müssen. Das verlange die Verfassung.

Dave DeCamp, Redakteur des Nachrichtenportals Antiwar.com in den USA, beklagt [14], dass "Biden nun Syrien, den Irak und den Jemen bombardiert hat, um sicherzustellen, dass Israel weiterhin palästinensische Frauen und Kinder töten kann."

Unterdessen schien CNN-Moderatorin Erin Burnett die Entwicklung zu begrüßen und erklärte [15], dass die Angriffe nun "endlich" stattgefunden hätten.


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https://www.heise.de/-9595746

Links in diesem Artikel:
[1] https://www.heise.de/tp/features/Die-Huthi-Miliz-Aufstieg-und-Einfluss-in-der-arabischen-Welt-9606625.html
[2] https://www.theguardian.com/world/live/2024/jan/12/middle-east-crisis-live-updates-yemen-houthi-rebels-joe-biden-us-uk-airtstrikes-red-sea-crisis-israel-gaza-war
[3] https://www.theguardian.com/world/live/2024/jan/12/middle-east-crisis-live-updates-yemen-houthi-rebels-joe-biden-us-uk-airtstrikes-red-sea-crisis-israel-gaza-war
[4] https://www.theguardian.com/world/live/2024/jan/12/middle-east-crisis-live-updates-yemen-houthi-rebels-joe-biden-us-uk-airtstrikes-red-sea-crisis-israel-gaza-war
[5] https://www.aljazeera.com/news/2024/1/12/world-reacts-to-us-uk-attacks-on-houthi-targets-in-yemen
[6] https://responsiblestatecraft.org/us-houthi-allies/
[7] https://responsiblestatecraft.org/houthi-missile-strikes-congress/
[8] https://www.aljazeera.com/news/2023/12/31/us-forces-sink-houthi-boats-in-red-sea-after-attack-on-maersk-vessel
[9] https://www.aljazeera.com/news/2024/1/12/world-reacts-to-us-uk-attacks-on-houthi-targets-in-yemen
[10] https://www.theguardian.com/world/live/2024/jan/12/middle-east-crisis-live-updates-yemen-houthi-rebels-joe-biden-us-uk-airtstrikes-red-sea-crisis-israel-gaza-war
[11] https://www.epochtimes.de/politik/ausland/angriffe-im-roten-meer-us-allianz-fangen-21-raketen-und-drohnen-ab-a4548336.html
[12] https://twitter.com/tparsi/status/1745557494758256836
[13] https://responsiblestatecraft.org/houthi-missile-strikes-congress/
[14] https://twitter.com/DecampDave/status/1745598929557721169
[15] https://twitter.com/anyaparampil/status/1745600239266898349