USA: Spiel um die Grenzsicherung durch eine Mauer

Einsam soll der Präsident am 21. 12. auf die Entscheidung der Demokraten gewartet und dafür seinen Flug nach Florida verschoben haben. Bild: Weißes Haus

Trump pokert mit dem Shutdown hoch, rechte Anhänger halten an Trumps Wahlversprechen fest sonst würde er "ein feiger Präsident in einem mauerlosen Land" sein

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US-Präsident Donald Trump scheint vor Beginn des neuen Jahrs, wenn eine demokratische Mehrheit ins Repräsentantenhaus einzieht, zunehmend in Panik zu fallen und letzte Maßnahmen ergreifen zu wollen, die im Staccato kommen. Mit der Umbildung seines Teams ist er nun fast an ein Ende gekommen. Nachdem Verteidigungsminister Jim Mattis wegen der plötzlichen Entscheidung des Präsidenten zurückgetreten ist, ist im Weißen Haus niemand mehr, der Trump noch etwas entgegensetzen könnte. Auch Brett McGurk, der US-Vertreter für die Anti-IS-Koalition, ist zurückgetreten.

Justizminister Jeff Sessions flog vor kurzem heraus, Stabschef John Kelly ebenfalls. UN-Botschafterin Nikki Haley scheint lieber das sinkende Schiff verlassen zu haben. Man muss noch darauf warten, wie es mit dem Fed-Chef Jerome Powell ergehen wird, der es wagte, erneut die Leitzinsen heraufzusetzen, während Trump dagegen trommelte. Und dann ist da noch der Falke und Necon John Bolton aus dem Kalten Krieg, den sich Trump ins Nest holte. Wenn Trump ohne gleich einen überzeugenden Kandidaten fürs Amt zu nennen, den im Pentagon und in Sicherheitskreisen anerkannten Mattis zum Rücktritt zwingt, dürfte es für Bolton zunehmend schwer werden, angesichts der Krisen und Konflikte mit China, Russland, Nordkorea und Saudi-Arabien sowie der neu entstehenden Krisen durch den Rück- und Abzug aus Syrien und Afghanistan mit den Nato-Alliierten, die davon ebenso überrascht wurden wie das Pentagon, die Fäden noch zusammenzuhalten.

Man darf davon ausgehen, dass Trump nun aus Verlegenheit, in der Schnelle einen Ersatz für Mattis zu finden, sich schnell und als einfachtse Lösung für den Vizeminister Patrick Shanahan entschieden hat. Er ist Ingenieur und hatte vor dem Amt bei Boeing gearbeitet, kommt also im Gegensatz zu Mattis nicht aus dem Militär und hat keine militärische Erfahrung, sondern lediglich bei Boeing zeitweise mit Abteilungen für Rüstungstechnik wie Kampfhubschraubern, Raketenabwehrsystem oder Laserwaffen zu tun. Dass Trump gleich wieder Mattis heruntermacht, dem er nach dem Rausschmiss durch Obama eine zweite Chance gegeben habe, dürfte nicht dazu dienen, wichtige Posten mit fähigen Leuten besetzen zu können.

Mit dem Stil, mit dem Trump das Weiße Haus führt, wird sich sowieso jeder überlegen, ob er auf den heißen Stuhl will oder als Vasalle mit Trump untergehen will. Man darf auch vermuten, dass das Militär, die Geheimdienste und der übrige Sicherheitsapparat noch stärker gegen Trump intrigieren werden, während Trump immer größere Schwierigkeiten haben wird, Posten in seiner Regierung zu besetzen. Es dürfte ein unruhiges 2019 werden.

Man muss allerdings auch sagen, dass es Trump bei all dem wohl auch darum geht, seine Wahlversprechen umzusetzen. Die Bilanz ist durchaus gemischt. Aus dem Plan, mit dem IS in 30 Tagen fertigzuwerden, ist nichts geworden. Die Erhöhung des Rüstungsbudgets hat er geschafft, aber die Nato-Mitglieder sind weiterhin säumig schnell ihre Rüstungsbudgets auf 2 Prozent zu erhöhen. Der Abzug aus Syrien ist aber ebenso eine Einlösung von Wahlversprechen wie der Ausstieg aus TTIP, dem Pariser Klimaabkommen oder dem Iran-Abkommen.

Trump will auf keinen Fall einknicken

Um eines der zentralen Wahlversprechen kämpft Trump: um den Bau einer unüberwindlichen Mauer an der gesamten Grenze zu Mexiko, wofür er Mexiko zahlen lassen wollte, eine "big beautiful border wall". Dazu bemüht er nun den Neuabschluss des Nafta-Abkommens, das United States-Mexico-Canada Agreement (USMCA) würde viele Milliarden zusätzlich in die Staatskassen spülen, so dass Mexiko auf diesem Wege die Mauer eigentlich doch finanzieren würde. Und dann fügte Trump in letzter Zeit noch ein, es gehe doch auch nicht um eine Betonmauer, sondern um eine Mauer aus Stahlplatten oder vielmehr -lamellen, durch die man nicht nur zwischen Lücken hindurchsehen, sondern die auch noch ästhetisch schön sein soll. Warum eine Mauer über Tausende von Kilometern "schön" sein soll, hat Trump allerdings noch nicht ausgeführt.

Eine solche Mauer aus Stahllamellen ist für Trump "total effektiv und gleichzeitig schön". Bild: Weißes Haus

Immerhin kann man Trump auch nicht vorwerfen, Drohungen nicht wahrzumachen. Er hatte den demokratischen Führern kürzlich bei einem Treffen gedroht, dass er, sollten die Demokraten nicht dem von Republikanern vorgelegten Gesetzesentwurf zustimmen, in dem fast 6 Milliarden für den Mauerbau enthalten sind, kein Haushaltsgesetz mehr unterzeichnen werde: Shutdown oder Mauer. Der Shutdown trat in der Nacht vom Freitag auf Samstag ein (Government Shutdown hat begonnen), nachdem die Demokraten sich nicht erpressen ließen, auch wenn Trump stets wiederholte: "OUR GREAT COUNTRY MUST HAVE BORDER SECURITY!" Garniert wird dies mit Bildern, die eine drohende gewaltsame Invasion von Migranten suggerieren. Zuletzt meinte er, Drohnen und all der Schnickschack seien ganz nett zum Grenzschutz und würden viel Spaß machen, aber man brauche eben eine gute alte Mauer, um Drogen, Gangs, Menschenschmuggel und Kriminalität zu stoppen.

Nancy Pelosi und Chuck Shumer wollen natürlich Trump die alleinige Schuld zuweisen und sagen: "America has now entered a Trump Shutdown". Sie würden, sobald sie die Mehrheit im Repräsentantenhaus antreten, die Regierung wieder einsetzen. Der Senat tagt erst wieder am 27. Dezember, bis dahin herrscht Shutdown.

Es ist bei weitem nicht der erste, in diesem Jahr ist es bereits der dritte, er betrifft auch nur einige Ministerien und ein Viertel des Gesamthaushalts, aber es ist die Frage, ob ein Regierungs-Shutdown kurz vor Weihnachten für Trump gut ausgehen wird, selbst wenn einige seiner rechtsnationalistischen Anhänger befeuert werden dürften und Trump vermutlich der Meinung ist, dass seine Basis zerbröckelt, wenn er die Mauer nicht durchsetzt und damit die USA von Einwanderern abschottet und sicher macht, wie er immer wieder versprochen hatte. Das Problem ist, dass etwa 800.000 Regierungsangestellte davon betroffen sind. 380.000 werden an den Werktagen zwangsbeurlaubt und 420.000 müssen vorerst ohne Gehalt arbeiten, werden aber vermutlich den Ausfall erstattet bekommen, wie das in der Regel der Fall ist.

Allerdings spielt Trump einen hohen Einsatz. Denn, wie Medien berichten, würde der mit republikanischer Mehrheit im Repräsentantenhaus vorgelegte Gesetzesvorschlag, der aber im Senat scheitern würde, eben nur 5 Milliarden US-Dollar für die Mauer vorsehen, was für Trumps Versprechen nur symbolisch wäre. Damit könnten 345 km gebaut werden, nur 160 km wären nur eine neue Grenzbefestigung, der Rest würde in einen Ersatz für ältere Befestigungen oder in einen zweiten Zaun gehen. Trump hatte selbst einst von 14 Milliarden US-Dollar an Kosten gesprochen, das Heimatschutzministerium von mehr als 21 Milliarden, ein Senatsbericht der Demokraten von 70 Milliarden. Zudem müsste eine Mauer von 10 Meter Höhe und einer Tiefe von lediglich 3 Meter Tiefe unüberwindbar sein. Aber Trump hat die Entscheidung so zugespitzt, dass er sein Ansehen nicht mehr mit einem Kompromiss retten kann, der eine Kapitulation bedeuten würde: Trump, der Deal-Macher, würde zum Loser gegenüber dem Establishment.

"Ein feiger Präsident in einem mauerlosen Land."

Kein Wunder, dass Trump mit all seinen rhetorischen Tricks herumrudert und durch fortwährende Wiederholungen bestenfalls seine Anhänger überzeugen kann, falls die nicht auch nur Schwäche des starken Mannes für das große Amerika sehen, den sie gewählt haben: "Ich habe eine Wahl gewonnen, die eine der größten aller Zeiten gewesen sein soll, auf der Grundlage, aus endlosen und teuren ausländischen Kriegen herauszukommen, und auch auf der Grundlage von Starken Grenzen, die unser Land sicher machen. Wir kämpften für die Grenzen anderer Länder, aber wir wollen nicht für unsere eigenen Grenzen kämpfen." Natürlich ist es Unsinn, dass die USA, die in andere Länder interveniert sind, für deren Grenzsicherung kämpften.

In rechtsnationalistischen Kreisen sieht man Trump wegen der Mauer im Endkampf. So hatte die bekannte rechte Bestseller-Autorin und Trump-Unterstützerin Ann Coulter schon beschworen, Trumps Rückhalt würde ohne Mauer schwinden, er würde auch die nächsten Wahlen verlieren. Wie viele Nationalisten ist für die die Mauer ein Zeichen, dass der Staat das Land durch die Kontrolle über die Grenzen schützen kann. Ohne Mauer fehlt gewissermaßen das Immunsystem und bricht der "Körper" des Landes zusammen. So warf sie ihm auch vor: "Ein feiger Präsident in einem mauerlosen Land."

Woanders sieht einen "Vernichtungskrieg" anbrechen und fragt sich, subversiv erregt, ob denn das Militär jetzt noch hinter Trump steht und nicht eine vorrevolutionäre Phase anbricht. Trump jedenfalls müsse "das amerikanische Establishment auslöschen", wozu er eine Armee brauche. Das apokalyptische Narrativ geht so, dass Trump Stabschef Kelly und Verteidigungsminister Mattis entlassen musste, weil diese sich angeblich weigerten, die Grenze mit allen militärischen Mitteln zu sichern. Nun würde Trump die Truppen aus dem Ausland zurückholen, weil er das Land bedroht sieht, weswegen US-Truppen im Ausland nicht aus außenpolitischen oder humanitären Gründen mehr eingesetzt werden können.

Die Frage sei, ob das militärische Kommando dem "enormen Druck" des Kongresses und der Rechtsprechung wiederstehen könne, die seit Jahrzehnten auf nicht verfassungsgemäße Weise die die Macht der Exekutive beschneiden würden. Nach der autoritären "Rechtsauslegung" wäre der Staat erledigt, wenn ein "ordentlich gewählter Oberkommandierender sein Militär nicht anordnen kann, die Grenzen des Landes gegen eine Invasion zu schützen". Dann würde Amerika als "eine unabhängige politische Entität, in der das Volk durch ein System sorgfältiger Checks and Balances in einer verfassungsmäßig etablierten bundesstaatlichen Regierungsstruktur souverän ist, beendet sein". Damit würde man freilich die Checks and Balances gerade aushebeln, schließlich ist auch der Kongress ordentlich als Repräsentant des Volkes gewählt. Aber man kann so schon ahnen, wie die Stimmung in den gespaltenen Vereinigten Staaten weiter aufkocht.