USA: Streit um Armenkrankenkasse Medicaid

Grafik: TP

Abstimmung über Obamacare-Ersatz im Senat verschoben

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Die für diese Woche geplante Abstimmung des Senats über das Obamacare-Ersatz-Gesetz ist verschoben worden. Anlass dafür war, dass sich in der Zweiten Kammer des US-Kongresses nicht nur die beiden als eigenwillig bekannten Senatoren Rand Paul und Ted Cruz (deren eingeplante Gegenstimmen die knappe republikanische Mehrheit gerade noch verkraften hätte können), sondern sieben weitere republikanische Senatoren weigerten, für den unter Führung von Mitch McConnell leicht modifizierten Entwurf zu stimmen, den das Repräsentantenhaus Anfang Mai verabschiedet hatte (vgl. Repräsentantenhaus verabschiedet Obamacare-Ersatz im zweiten Anlauf). Gegenüber den Medien zeigt sich McConnell aber optimistisch, dass noch eine Einigung zustande kommt: "Wir werden", so der Mehrheitsführer, "einfach nur ein bisschen länger brauchen."

Ein zentraler Punkt des Streits ist die Zukunft der staatlichen Armenkrankenkasse Medicaid, die Barack Obamas Affordable Care Act (ACA) für einen größeren Kreis von Anspruchsberechtigten öffnete, worauf hin die Zahl der dort Versicherten in den letzten fünf Jahren von 54 auf 69 Millionen Menschen stieg. Die mit der Zahl der Versicherten steigenden Kosten übernahm der Bundeshaushalt, aus dem im letzten Jahr knapp zwei Drittel der Gesamtausgaben in Höhe von 533 Milliarden Dollar gezahlt wurden. Das restliche gute Drittel trugen die Bundesstaaten.

Sinkende oder steigende Ausgaben?

Präsident Trump twitterte gestern, die oppositionellen Demokraten würden die Folgen des Entwurfs für Medicaid völlig falsch darstellen - tatsächlich würden durch ihn die Steueraufwendungen für die Armenkrankenkasse nicht sinken, sondern steigen. Die Washington Post räumte kurz danach ein, das sei zwar richtig - aber nur theoretisch, weil Trump in seiner Rechnung die Inflation nicht mit berücksichtige, die das Congressional Budget Office, das auf eine Kürzung von 772 Milliarden Dollar bis 2026 kommt, mit eingerechnet hat.

Dass mit dem Entwurf Steuergelder gespart werden, die bei einem Weiterlaufen von Obamacare anfallen würden, ist auch erklärtes Ziel des Reformvorhabens. Dass die Kürzungen alleine durch Effizienzverbesserungen ausgeglichen, werden, wie die Republikaner im Kongress versprechen, erscheint jedoch zweifelhaft: Wie Steve Chapman in Reason darlegt, fallen an anderen Stellen neue Kosten an, wenn die Zahl der Medicaid-Anspruchsberechtigten bis 2016 um die vom Congressional Budget Office errechneten etwa 14 Millionen Menschen sinkt.

Mehrausgaben für Bundesstaaten, Krankenhäuser und Versicherte

Entscheiden sich die Bundesstaaten nicht dafür, diese Gruppe auf Kosten ihrer Steuerzahler wieder hereinzunehmen, bleiben die Mehrausgaben an den Krankenhäusern hängen, die in Notfällen auch Unversicherte behandeln, aber theoretisch mögliche Rechnungen bei Personen ohne entsprechenden Verdienst und entsprechendes Vermögen nicht eintreiben können. Einer Studie von Gesundheitsökonomen an der New Yorker Columbia University und der Northwestern University in Illinois nach kostet jeder neue Unversicherte den Krankenhäusern im Durchschnitt etwa 900 Dollar im Jahr. Chapman vermutet, dass deshalb bei entsprechenden Medicaid-Einsparungen vor allem kleinere Krankenhäuser im ländlichen Raum vermehrt schließen müssen. Das würde den finanziellen Druck auf die verbleibenden Krankenhäuser verstärken, die ihn an regulär Versicherte und Träger weitergeben.

Zudem zeigen Studien der Kaiser Family Foundation und anderer Einrichtungen übereinstimmend, dass die Früherkennung von Krankheiten wie Diabetes langfristig Kosten spart - und dass solche Krankheiten bei Versicherten im Schnitt sehr viel früher erkannte werden als bei Unversicherten, die im Regelfall erst dann zum Arzt gehen, wenn die Beschwerden schon unerträglich sind. Auch das Argument des Repräsentantenhausspreches Paul Ryan, Medicaid werde zunehmend nutzlos, weil immer weniger Ärzte diese Versicherung akzeptieren, ist angesichts der derzeitigen Akzeptanzrate von knapp 70 Prozent ein eher wenig valides Argument für Kürzungen.

Trump gibt sich gelassen

Einigt sich der Senat auf einen Obamacare-Ersatz-Entwurf, muss diesem noch einmal das Repräsentantenhaus zustimmen, weil er ja von der ursprünglich dort verabschiedeten Fassung abweichen wird. Auch das ist angesichts der knappen Mehrheit bei der ersten Verabschiedung noch unsicher. Für den Fall, dass keine Einigung zustande kommt, gibt sich Trump bereits vorab gelassen: "Es wird", so der Präsident, "großartig sein, wenn wir es hinkriegen - und wenn wir es nicht hinkriegen, werden wir das nicht mögen, und das ist okay". Diese Gelassenheit wird möglicherweise auch durch eine aktuelle Umfrage der Sender NPR und PBS gefördert, der zufolge eine Mehrheit von 55 Prozent der Bürger den Entwurf ablehnt. Befürwortet wird er lediglich von 17 Prozent.

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