Ukraine: Es droht der offene Krieg

Das Minsker Abkommen ist eine Luftnummer

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Es sieht danach aus, als würde in die Ostukraine der Krieg wiederkehren. Der Waffenstillstand war von beiden Parteien bislang einigermaßen eingehalten worden, es wurden einige Gefangene ausgetauscht und die schweren Waffensysteme von der Kontaktlinie zurückgezogen, wobei es auch hier wieder Verstöße auf beiden Seiten gab, wie die OSZE berichtete. Die weiteren Bestimmungen des Minsker Abkommens blieben aber Makulatur, weil beide Seiten keine Kompromissangebote machten und direkte Gespräche praktisch nicht stattfanden.

Interesse an einer friedlichen Auflösung des Konflikts haben beiden Seiten nicht. Die Separatisten setzen auf Autonomie und womöglich auf eine Erweiterung der von ihnen beanspruchten Gebiete, Kiew will den "Volksrepubliken" keine politische Repräsentanz zugestehen, behandelt sie als terroristische Organisationen und als Instrumente Russlands.

Bild: NovorossiaNews

Die Regierung verliert, auch durch den verordneten Austeritätskurs, an Rückhalt in der Bevölkerung und versucht den Konflikt am Köcheln zu halten, weil das eine Garantie dafür ist, Gelder und Unterstützung der Nato-Staaten zu sichern. Die Maßnahmen, die "Volksrepubliken" vollständig zu isolieren, also auch keine Zivilisten mehr in diese ein- und ausreisen zu lassen, ist eine Bestrafungsaktion der dort lebenden Menschen, die in Sippenhaft genommen werden, weil sie noch nicht in die Ukraine oder nach Russland geflohen sind. Das deutet darauf hin, dass es um die Menschen dort nicht geht und dass auch seitens Kiew ein Interesse bestehen könnte, den Konflikt einzufrieren, auch wenn dies den Wirtschaftsstandort schädigt.

Unklar bleibt die Position von Moskau im Spiel. Dass die russische Regierung, wie immer direkt oder indirekt die Separatisten militärisch unterstützt, dürfte kaum zu bestreiten sein. Aber die hat offensichtlich kein Interesse den Konflikt zu forcieren, sondern scheint ihn einfrieren zu wollen. Die "Volksrepubliken" werden politisch, militärisch und durch Hilfsgüter unterstützt, fallen lassen kann man sie nach den in den Staatsmedien verfolgten Propaganda wohl kaum mehr, zumal der russische Präsident genau dadurch weiterhin eine hohe Popularität genießt. Aber die Unterstützung wird von den Separatisten auch für die eigenen Interessen benutzt.

Für Kiew und Moskau wird klar sein, dass die "Volksrepubliken", deren Infrastruktur und Wirtschaft durch den Krieg massiv zerstört wurde und deren Bevölkerung durch Flucht dezimiert ist, keinen Gewinn darstellen. Während Russlands Interessen für die Krim auf der Hand liegen, allen voran als Stützpunkt für die Schwarzmeerflotte, aber auch wegen der Energie-Ressourcen sowie aus nationalistischen Gründen, würde der Wiederaufbau der "Volksrepubliken" sowohl das Pleiteland Ukraine, als auch Russland überfordern.

Unklar von außen ist, wer die Kämpfe um Marinka ausgelöst hat. Die Kleinstadt an der Westgrenze der "Volksrepublik Donezk" wird von Kiew kontrolliert. Die Propagandamaschinen laufen auf beiden Seiten heiß. Die ukrainischen Truppen haben auf jeden Fall das Minsker Abkommen gebrochen und schwere Waffensysteme an die Kontaktlinie verlegt. Das wird auch eingeräumt, allerdings wird behauptet, dass dies zur Abwehr eines Angriffs der Separatisten notwendig gewesen sei, die mit 1000 Mann und Panzern vorrücken wollten. Die Separatisten wiederum erklären, die ukrainischen Streitkräfte hätten Stellungen am Rand von Donezk unter Beschuss genommen.

Angeblich sind die Kämpfe beendet worden, jede Seite erklärt, man habe jeweils die andere zurückgeschlagen. Klar ist aber dadurch geworden, dass ein erneuter voller Krieg jederzeit ausbrechen kann, der auch Nato gegen Russland stellt. Vermutlich wäre es hilfreich gewesen, Russland in Elmau dabei zu haben, um über den Konflikt sowie die Konflikte im Nahen Osten zu sprechen und vielleicht eine Lösung zu finden. Das wollte man aber nicht und hat Putin ausgeladen und damit auf Konflikt und verschärftes Risiko gesetzt.