Uli Hoeneß Cup statt Gefängnis

Alexander Kessler vom Amtsgericht Landsberg über Rechtsprechung

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Über 1000 Empfehlungen und 232 Kommentare: - der Bericht auf Telepolis zum Thema "Klassenrecht" (Klassenrecht?) bewegte die Leser. Nicht wenige hielten die Verurteilung der jungen Mutter zu 18 Monaten ohne Bewährung angesichts der Vorstrafen für berechtigt. Autor Alexander Dill gelang es nun, ein autorisiertes Interview mit dem Sprecher des Amtsgerichts Landsberg, Alexander Kessler zu führen. Eine Information vom Gericht gleich vorweg: Die Verteidigerin Anita Trautwein hat gegen das Urteil Berufung eingelegt. Wir bleiben also dran.

Im Fall Hoeneß dagegen werden bisher die schlimmsten Vorurteile gegen die Ungleichbehandlung bestätigt. So ließ Mit-Aufsichtsrat und Focus-Herausgeber Helmut Markwort den ehemaligen Berliner Justizsenator Volker Hassemer im Focus ausführen, warum gerade im Falle Hoeneß besondere, rechtsstaatliche Sorgfaltspflicht gefordert sei. Uli weise nämlich eine günstige Sozialprognose auf. Ergo: Strafe ja, aber bitte mit Bewährung.

Statt Gefängnis gibt es nun am 24. Juli den Uli Hoeneß-Cup 2013. Mit bis zu 70 Euro pro Ticket kann man an der Rehabilitation des für drei Jahre wiedergewählten Bayern-Präsidenten mitwirken. Ehrenwort eines Ehrenmannes: "Der gesamte Erlös der Partie wird von Uli Hoeneß sozialen Zwecken zugeführt."

Dass ab einer Million Euro Steuerhinterziehung automatisch Gefängnisstrafe drohe, ist - so Gerichtssprecher Alexander Kessler im folgenden Telepolis-Gespräch - nicht der Fall. Auf jeden Fall dürfte Aufsichtsratskollege Edmund Stoiber, der auch für die Verlängerung von Hoeneß' Amtszeit gestimmt hat, seinen gesamten Einfluss geltend machen, damit Hoeneß nur symbolisch bestraft wird. Bekanntlich droht ja bei diesen Millionendelikten keine Wiederholungsgefahr. Sie bleiben damit Kavaliersdelikte eines reumütigen "Sünders".

Dass ausgerechnet die bayerische Justizministerin Beate Merk, die selbst durch ihre Aussagen zum Fall Mollath und durch die Beschäftigung ihrer Schwester in ihrem Büro in Misskredit geraten ist, eine "Lex Hoeneß" abwenden wird, ist unwahrscheinlich.

Wie aber sieht die Landsberger Justiz den Vorwurf, sie praktiziere ein "Klassenrecht"? Gerichtssprecher Alexander Kessler hat sich freundlicherweise bereit erklärt, auf die kritischen Fragen von Alexander Dill zu antworten:

Zum Verständnis des Falls der wegen gewerbsmäßigem Betrug zu 18 Monaten ohne Bewährung verurteilten Mutter zunächst die Frage, welcher Art ihre acht Vorstrafen waren.

Alexander Kessler: Es handelt sich um insgesamt zwölf Voreinträge, welche größtenteils einschlägiger Natur sind und aus dem Bereich der Eigentums- und Vermögensdelikte stammen.

Mit welcher Schadenshöhe?

Alexander Kessler: Das kann ich nicht sagen.

Gibt es aus Ihrer Sicht so etwas wie ein "Armutsdelikt"?

Alexander Kessler: Im Strafgesetzbuch werden keine Schwellen für Schadenshöhen genannt.

...aber bei Steuerstraftätern wird eine Million als Schwelle für eine Gefängnisstrafe genannt.

Alexander Kessler: Sie sprechen insoweit eine Rechtsprechung an, welche vom Bundesgerichtshof speziell für Steuerdelikte entwickelt wurde. Diese Rechtsprechung ist auf andere Deliktarten nicht entsprechend übertragbar.

Macht es einen Unterschied, ob ein Vermögensdelikt aus Not oder aus dem Wunsch maximaler Bereicherung begangen wird?

Alexander Kessler: Ja. Natürlich spielen die Motive, weshalb jemand sich ungesetzlich bereichert, bei der Bemessung des Strafmaßes eine Rolle. Es erfolgen täglich im gesamten Bundesgebiet zahlreiche Verurteilungen wegen Vermögensdelikten, so dass in der Öffentlichkeit aus dem unreflektierten Vergleich weniger Einzelfälle schon einmal der subjektive Eindruck entstehen kann, es ginge ungerecht zu.

Vergleicht man die Fälle Ecclestone und Hoeneß mit diesem Fall, ist dieser Eindruck doch durchaus berechtigt.

Alexander Kessler: Jedes Gericht trifft eine Einzelfallentscheidung. In dem von Ihnen erwähnten Fall vor unserem Gericht waren acht Einzeldelikte zu bewerten, bei denen der Gesetzgeber pro Einzelfall eine Mindeststrafe von sechs Monaten vorsieht. Die Verteidigerin hat übrigens selbst auch eine Haftstrafe von einem Jahr gefordert.

Auf Bewährung?

Alexander Kessler: Ja, aber zunächst wird immer das Strafmaß festgelegt, um anschließend das Für und Wider einer Bewährung zu prüfen. Dabei geht es auch um eine Sozialprognose. Die Staatsanwaltschaft hat 18 Monate gefordert und das Gericht ist ihrem Antrag gefolgt.

Hat die Verteidigung Berufung eingelegt?

Alexander Kessler: Ja!

Wenn die Verurteilte, die ein kleines Kind hat, nun ins Gefängnis kommt, was geschieht dann mit dem Kind?

Alexander Kessler: Das Kind wird sicher nicht auf der Straße stehen. Wenn keine Verwandten vorhanden sind, kann sich das Jugendamt einschalten. Es gibt aber in einigen Justizvollzugsanstalten, etwa in der JVA Aichach, auch eine Mutter-Kind-Abteilung.

Können Sie verstehen, dass man das Gefühl bekommt, in Bayern herrsche Klassenjustiz?

Alexander Kessler: (keine Antwort)