Unabhängige als Zünglein in der Waage

Nach den vorgezogenen Parlamentswahlen in Australien wollen beide großen politischen Gruppierungen eine Minderheitsregierung bilden - als entscheidend für eine Unterstützung durch freie Abgeordnete gilt der Ausbau von Breitband-Internetanschlüssen

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Bei den am Samstag abgehaltenen australischen Parlamentswahlen konnte erstmals seit 1940 keine der beiden großen politischen Gruppierungen eine absolute Mehrheit erringen. Die seit 2007 regierende Labour Party kommt beim derzeitigen Stand der Auszählung auf 72 Sitze der insgesamt 150 Sitze im Repräsentantenhaus, das oppositionelle Bündnis aus National und Liberal Party auf 73. Die Regierungsbildung hängt deshalb davon ab, wer es schafft, unabhängige Abgeordnete auf seine Seite zu ziehen. Allerdings kann sich das Ergebnis in drei nach derzeitigem Stand liberalkonservativen Wahlkreisen noch ändern, weshalb Labour eine kleine Chance hat, eventuell zusammen mit dem grünen Abgeordneten Adam Bandt eine Regierung zu bilden.

Die Parlamentswahlen wurden vorgezogen, nachdem die in Großbritannien geborene Julia Gillard am 24. Juni in einen parteiinternen Putsch den 2007 gewählten Labour-Premier Kevin Rudd ablöste. Er hatte sich unter anderem durch eine geplante Bergbausteuer den Unmut großer Wirtschaftsunternehmen zugezogen. Allerdings kündigte auch Gillard an, Rudds Steuerpläne fortführen zu wollen.

Julia Gillard. Foto: Adam Carr.

Drei der vier unabhängigen Abgeordneten, Bob Katter, Tony Windsor und Rob Oakeshott, sind ehemalige Mitglieder der konservativen National Party. Politische Beobachter halten es allerdings durchaus für offen, mit wem sie koalieren.

Bob Katter, dem man seine libanesische Abstammung nur bedingt ansieht, gab sich in der Vergangenheit sowohl als Gegner von Freihandel als auch von Politischer Korrektheit und meinte beispielsweise, dass er Krokodile nur dann möge, wenn sie tot sind. Trotz seiner grundsätzlichen Skepsis gegenüber der herrschenden Meinung zur Klimaentwicklung tritt er entschieden für Biosprit-Subventionen ein, die Farmern zugutekommen.

Tony Windsor, der den Wahlkreis New England in New South Wales gewann, schied 2004 im Streit aus der National Party, der er vorwarf, ihm als Ausgleich für den Rückzug von einer Kandidatur einen Posten in der Diplomatie angeboten zu haben. Er trat im Parlament bisher vor allem für eine bessere Versorgung ländlicher Räume ein und glaubt im Gegensatz zu Katter an einen menschengemachten Klimawandel. Diese Sicht teilt er mit Rob Oakeshott, der sich im Wahlkampf erfolgreich als Kombination aus Fiskalkonservativ und Sozialprogressiv präsentierte.

Bob-Katter-Plakat im Wahlkreis Kennedy in Queensland. Foto: WikiTownsvillian. Lizenz: CC-BY-SA.

Der vierte unabhängige Abgeordnete, Andrew Wilkie, gewann einen Wahlkreis in Tasmanien und war ehemals bei der Liberal Party, den Grünen und beim australischen Geheimdienst ONA, den er 2003 im Streit um den beginnenden Irakkrieg verließ. Von den Grünen verabschiedete er sich 2008, weil sie seiner Ansicht nach eine zu industriefeindliche Politik vertreten.

Neben diesen Vieren hat auch ein für die National Party of Western Australia (die sich zur National Party of Australia in etwa verhält wie die CSU zur CDU) ins Parlament gewählte Tony Crook seine Unabhängigkeit betont und angekündigt, dass er bei entsprechender Berücksichtigung seiner Person und seiner Interessen durchaus bereit sei, mit einer Labour-Regierung zu stimmen.

Allem voran aber gelten die Unabhängigen ebenso wie Crook als Pragmatiker, die wahrscheinlich derjenigen Partei ihre Stimmen geben, welche ihren Wahlkreisen die meisten Fördermaßnahmen verspricht. Ein wichtiger Bestandteil solcher Fördermaßnahmen ist der Ausbau von Breitband-Internetverbindungen, den vor allem Windsor, Oakeshott und Wilkie als eines ihrer wichtigsten Ziele hervorhoben. Hier müsste sich die Labour Party, die 43 Milliarden an Staatsgeldern für den Ausbau plant, bei Koalitionsverhandlungen weniger bewegen als das liberalkonservative Bündnis, das auf einen Markt setzt, der dem Infrastrukturdefizit bisher nicht abzuhelfen vermochte. Umgekehrt verhält es sich beim Bergbau, wo sich vor allem Bob Katter als Gegner der vom Labour geplanten neuen Steuer profilierte.

Karte: Martyman. Lizenz: CC-BY-SA.

Mittlerweile nahmen sowohl Julia Gillard als auch Oppositionsführer Tony Abbott mit den unabhängigen Abgeordneten Verhandlungen auf. Abbott machte zudem öffentlich geltend, dass Labour abgewählt worden sei, weshalb ihm das Recht auf eine Regierungsbildung zustehe.