Und noch ein Netzwerk

Epublik: Netz für die Netzpolitik oder First Tuesday für Spießer?

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Früher nannte man es Verein, heute ist es ein Netzwerk. Und genauso gern, wie die Deutschen früher Sport- und Kaninchenzüchtervereine aus der Taufe hoben, vermehren sich seit der Vermassung des Mediums Internet die Netzwerke. Nach First Tuesday, dem legendären Gründertreffen, das in den guten alten Tagen als Symbol der New Economy galt, dem exklusiveren Silicon City Club oder der bislang in Deutschland wenig erfolgreichen Pink-Slip-Party (Rote Karte für die Pink-Slip-Party) soll nun mit Epublik auch ein Netzwerk für die Netzpolitik-Macher entstehen.

Der Anstoß für die Gründung der neuen Plattform, die am Montag in Berlin an den Start ging, kommt von der Bertelsmann Stiftung, die sich bisher vor allem im Bereich Selbstregulierung (Wer regiert das Internet?) und Filtertechnik (Filterinitiative ICRA: Wir sind die Guten)in der Netzpolitik engagiert. Zweiter Impulsgeber ist politik digital. Die Organisatoren haben sich das Ziel gesetzt, die zahlreichen Akteure im Bereich der "internetgestützten politischen Kommunikation" um einen Stehtisch zu bringen und den "informellen Austausch" bei einem Glas Wasser voranzutreiben.

Zum ersten Stelldichein im Palais am Festungsgraben in Berlin-Mitte hatten sich etwa 40 Netzwerker eingefunden. In der Menge gesichtet wurden unter anderem eine Reihe Beamte aus dem Bundesinnenministerium, die Medienreferenten einiger Parlamentarier, Wolfgang Kleinwächter, der Organisator mehrerer Konferenzen zum Thema ICANN, sowie die unermüdliche Netzforscherin Jeanette Hofmann. Als einzige Bundestagsabgeordnete nippte Grietje Bettin, medienpolitische Sprecherin der Bündnisgrünen, an einem Glas Orangensaft.

Lag es nun am fehlenden Rahmenthema - Stefan Friedrichs von der Bertelsmann Stiftung hatte extra darauf hingewiesen, dass man den Gästen "keine Agenda diktieren" wollte - oder am knurrenden Magen, der sich durch das gereichte Laugengebäck nicht zufriedenstellen ließ: so richtig zünden wollte die Idee bei der Premiere noch nicht. Nachdem Brigitte Zypries, Staatssekretärin im Bundesinnenministerium, ein paar schöne Worte über die neue Ära des Netzes verloren hatte, in dem das Hypermedium sein Schmuddelimage abgestreift habe und nun als Befähigungswerkzeug für die Online-Demokratie, E-Government und natürlich das E-Business genutzt werde, eröffnete Friedrichs das "aktive Netzwerken" auch schon fast. Aufgefordert waren die Macher nun, so der Vertreter der Bertelsmann Stiftung, sich "mit Fachkollegen im herrschaftsfreien Diskurs auszutauschen."

Pausenloses Networking am Ende des Tages

Und so wurde denn parliert, über Reisestipendien für ICANN-Aktivisten beispielsweise oder über den wahren Charakter von Bundesinnenminister Otto Schily. Hauptsächlich war die neue Epublik allerdings selbst das Thema der Gespräche. Und dabei spalteten sich die Geister: "Noch ein Netzwerk", konstatierten die meisten Anwesenden etwas ernüchtert, da sie vermutlich noch den letzten Last Tuesday (Das dümmste Dotcom wählen), den jüngsten parlamentarischen Abend sowie den Stammtisch beim newmedia.net in Erinnerung hatten oder bereits dem heutigen First Tuesday beziehungsweise dem Eco Local Talk am Donnerstag entgegenfieberten.

Andere, wie ein E-Government-Experte aus dem Innenministerium, waren damit zufrieden, dass die Quote der unbeliebten Zeitgenossen "hier sehr unterdurchschnittlich ist." Nicht überzeugt zeigte sich dagegen Markus Beckedahl vom Netzwerk (!) Neue Medien, das die Heinrich-Böll-Stiftung vor einem Jahr ins Leben gerufen hat (Request for Politics), von den sich auftuenden Gesprächsmöglichkeiten. Ihn erinnerte das Aufgebot an einen "First Tuesday für Spießer".

Die Treffen von Epublik sollen sich alle drei bis vier Monate wiederholen. Friedrichs sieht den Bedarf gegeben, da es bislang kein parteienübergreifendes "Netz für die Netzpolitik" gebe. Etwas konkreter soll es in Zukunft aber denn doch zur Sache gehen, eventuell ein handfestes Streitgespräch vor dem eigentlichen Networking stehen. Denn das Vorhaben, die Vordenker an der Schnittstelle zwischen Politik und Internet ganz frei herumspinnen zu lassen, habe sich nicht als besonders glücklich erwiesen. Die erste Veranstaltung sei aber auch einfach zunächst ein Test gewesen, ob sich überhaupt jemand für einen netzpolitischen Kreis interessiere.