Und wenn sie nicht gestorben sind, dann gründen sie noch heute

Jamba!, ein Portal fürs mobile Internet, ist das jüngste Riesen-Retortenbaby der Samwer-Brothers

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Einfach nur mit einer guten Idee ein kleines Unternehmen gründen - ganz so einfach ist es in der Krisen geschüttelten New Economy wohl nicht mehr. Die durch ihre eBay-Millionen reich und berühmt gewordenen Samwer-Brothers setzen auf einen durchgestylten Businessplan für den M-Commerce und die Verzahnung mit der Marktmacht der Old Economy, der den "Charme" eines Startups zwar zitiert, aber letztlich nur noch inszeniert.

Fabriketage in Kreuzberg, junge Menschen mit glänzenden Augen, die stolz ihre Logo-verzierten Pullis durch das Großraumbüro tragen, ein "Commitment" zeigendes, fünf Mann starkes Gründerteam, das sich von seinen Mitarbeitern nur durch noch mehr Leuchten in der Iris und noch tiefere Ringe ein paar Zentimeter darunter unterscheidet. Deja vu - es ist alles wieder so wie beim ersten Mal, als die drei Samwer-Brothers zusammen mit drei Freunden von der Uni Anfang 1999 Alando.de gründeten.

Und doch ist alles ganz, ganz anders. Auch wenn das Startup-Feeling irgendwie noch durch die offenen Räume, die einst Europas größten Getreidespeicher beherbergten und heute einen wundervollen Blick auf die Spree freigeben, zu schweben scheint, so ist Jamba! doch eine zwar nicht gerade auf dem Reißbrett, dafür aber in den Hallen des Berliner Inkubators Econa ausgebrütetes Unternehmen, das wie ein großes Selbstzitat der "Meister" wirkt.

Mit etwas Kalkül sind die Samwers zwar schon an Alando herangegangen, das von vornherein nichts weiter als ein Klon von eBay war und nach 100 Tagen ja auch von dem kalifornischen Auktionshaus im Mai 1999 aufgekauft wurde. Doch Jamba!, das mit dem Klang und dem Ausrufezeichen im Namen an Yahoo! erinnert und dementsprechend auch dessen Portal-Rolle im mobilen Internet, also auf dem Handy oder PDAs erfüllen soll, ist von A bis Z durchdesignt, ein "Startup" aus dem Genlabor der "One-Economy".

Wirft man einen Blick auf die Strategie und die Bausteine des Businessplans der mit schlappen 54 Millionen Mark ausgerüsteten Jungfirma, so wird einem fast schwindlig vor lauter Buzz-Words. M-Commerce, "Location-basierte" und natürlich personalisierte Dienste, Vermarktung zusammen mit Großkonzernen aus der Old Economy, GPSR, UMTS, WAP - das Konzept des im Sommer gegründeten, bereits 43 Mitarbeiter beschäftigenden Startups der zweiten Generation scheint wie abgeschrieben aus einem Lehrbuch eines Hype-Historikers.

Tatsächlich sind die Möglichkeiten zahlreich, die sich dem mobilen Surfer von November an bieten sollen, wenn Jamba! richtig loslegt. Über die WAP-Startseite findet der Profi-Nutzer Nachrichtenticker, Börsencharts mit Transaktions-Funktionen oder Reiseinformationen. Alles natürlich genau auf seine Bedürfnisse zugeschnitten und Plattform- bzw. Dienste-übergreifend. So kommt beim Absturz der Nokia-Aktie gleich der entsprechende "SMS-Alert" mit einem Link zum eigenen Online-Broker aufs Handy, das dann auch von Siemens sein darf. Und kaum steigt man in Berlin oder München aus dem Zug, erreicht den ausgeschlafenen Reisenden auch schon die Party-SMS, die das Club-Programm zu den ausgewählten Dance-Richtungen präsentiert. Natürlich kennt Jamba! auch die Nachtvorstellung des Kinos um die Ecke, wobei der Kartenkauf nur noch ein Klick ist. Kommt man dann müde aus der Disco oder dem Kino, ist das Taxi schnell bestellt, da dem Fahrer der Standort automatisch mit angegeben wird.

So richtig spannend wird das Ganze natürlich erst mit GPRS, das von 2001 an - so die Handybauer mitspielen - Downloadgeschwindigkeiten zwischen 30 und maximal 115 Kilobit pro Sekunde bieten soll, oder noch besser mit dem superschnellen UMTS, gibt Marc Samwer zu. Doch die Jungs von Jamba! glauben an die Mobile Economy, da heißt es eben mit GSM und WAP klein anfangen. Doch aus dem Abruf eines neuen Klingeltons wird bald vielleicht der Download eines Musiktitels und später mal das Anschauen eines Video-Clips.

Bei Jamba! wird nicht gekleckert, sondern geklotzt

Letztlich kann jeder Contentanbieter ein solches Portal mit ähnlichen Diensten ins Netz stellen. Zauberei ist die Nutzung der Lokalisierungsfunktionen des Mobilfunks schließlich nicht. Doch um der Konkurrenz vorzubauen, haben sich die Samwers und ihre zwei ebenfalls von eBay.de bekannten Mitgründer, Max-Finger und Ole Brandenburg, fette Partner aus der Old Economy ins Boot geholt. Debitel wird Jamba! auf seinen Handy-Karten vorinstallieren. Und debitel ist immerhin der größte netzunabhängige Mobilfunkanbieter Europas mit 6,5 Millionen Kunden.

"Uns geht es nicht ums Kleckern, sondern ums Klotzen", macht Peter Wagner, Vorstandsvorsitzender der debitel AG, denn auch unmissverständlich klar. Man wolle einen Standard setzen und bringe die entsprechenden Mittel mit. Die Siegessicherheit zieht Wagner vor allem daraus, dass nur fünf Prozent der Nutzer jemals die Voreinstellungen ihrer lieb und teuren Technik-Gadgets verändern, also immer Jamba!-Kunden beim Einwählen ins mobile Internet bleiben werden.

Damit das Portal richtig bekannt wird, haben die Samwers gemeinsam mit debitel auch die Größen des Elektronikhandels heiß auf die Zukunft des M-Commerce gemacht: Die Media-Saturn Holding ist ebenso wie der Mobilfunkanbieter mit einer 15-prozentigen Beteiligung bei Jamba! eingestiegen, die Konkurrenz der ElectronicPartner-Verbundgruppe reservierte sich weitere 10 Prozent des Unternehmens. Ums Marketing brauchen sich die smarten Gründer daher keine Sorgen machen, Jamba! wird über die normalen Werbewege der Konzerne mit ihren teils aggressiven Kundenansprache einfach mitbeworben. Die horrenden Summen, die Dotcoms in jüngster Zeit mit Anzeigen und Spots verplempert haben, können sich die Jamba!-Macher deshalb sparen.

"Mit den 54 Millionen Startkapital können wir so erst einmal gut zwei Jahre durchhalten", rechnet Oliver Samwer, der Stratege im Team, vor. Bis dahin dürfte das mobile Internet ja hoffentlich in Schwung gekommen sein, denn in den nächsten Monaten wird vermutlich trotz des geplanten, eine kleine Auswahl an "Last-Minute-Geschenken" präsentierenden Weihnachtsservices von Jamba! noch kaum jemand übers Handy shoppen. Ans Geld verdienen denken die Jungs, die auch bereits auf Partnerschaften mit Content- und Technologieprovidern wie Amazon.de, dooyoo, Intershop, Onvista, Prinz oder Paybox verweisen können, trotzdem schon mal. "Mobile-Ads" sollen die Durststrecke bis zu einträglicheren Transaktionsgewinnen überbrücken helfen, "Interstitials", die das WAP-Surfen kurz unterbrechen. Dazu kommen Sonderangebote der Co-Investoren, gesponserte SMS-Dienste und Beteiligungen an Gebühreneinnahmen, wenn der Wapper mal wieder nicht vom kostenpflichtigen "Schiffe versenken" lassen kann.

Der Erfolg von Jamba! scheint bei dem "Dreamteam" aus Old und New Economy, von dem Marc Samwers schwärmt, vorprogrammiert: Schon 2003 - da sind sich alle Marktforschungsinstitute einig - soll es mehr User geben, die mit einem mobilen Endgerät online gehen können als mit einem PC. Und wenn die Preise fürs Surfen mit dem Handy nicht mehr im Minutentakt, sondern Volumen-abhängig abgerechnet werden, was mit GPRS der Fall sein soll, dürfte so manche Hemmschwelle der Verbraucher wegfallen, wie das "i-mode"-Experiment in Japan zeigt. Doch was ist, wenn der Traum vom Mobile Commerce genauso platzt wie die Luftblasen des E-Commerce und die Datenreisenden auf dem Handy keine Unterbrecherwerbung mögen?