Ungarn nimmt keine Asylbewerber mehr zurück [Update]

Zieht Italien nach?

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Das ungarische Innenministerium setzte gestern die Regierungen von Österreich, Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Schweden, Finnland, Tschechien, Norwegen, Belgien, Luxemburg, der Niederlande und der Slowakei darüber in Kenntnis, dass Ungarn die so genannte Dublin-III-Vereinbarung ab sofort und für unbestimmte Zeit außer Kraft setzt. Diese EU-Vereinbarung sieht vor, dass Asylbewerber in dem Land untergebracht und geprüft werden, in dem sie zuerst das Gebiet der EU betreten haben.

Grund für die Aussetzung ist Regierungssprecher Zoltán Kovács zufolge die stark gestiegene Anzahl von Asylbewerbern: Während vor drei Jahren lediglich 2.000 Personen einen Asylantrag in Ungarn stellten, waren es 2014 bereits 43.000. Diese Zahl wurde 2015 bereits vor der Jahresmitte deutlich überschritten - aktuell geht man von über 60.000 aus. Damit hat Ungarn pro Einwohner gerechnet von allen EU-Ländern die zweithöchste Asylbewerberquote nach Schweden. Kovács fordert deshalb eine "europäische Lösung". Aus der EU-Kommission heißt es bislang aber lediglich, eine Aussetzung des Dublin-III-Abkommen sei "nicht vorgesehen".

Ungarn und seine Nachbarländer

Hauptbetroffener der ungarischen Rücknahmeweigerung ist Österreich: Dort musste Innenministerin Johanna Mikl-Leitner selbst Zeltstädte für Asylbewerber errichten lassen und hatte deshalb angeordnet, dass Dublin-Fälle bevorzugt abgearbeitet und in die Erstaufnahmeländer zurückgeflogen werden. Ausgenommen davon war bislang nur Griechenland. Mikl-Leitner verlautbarte nun, die österreichische Regierung sei bereit, Ungarn stärker als zu unterstützen.

Bislang leisten 40 österreichische Polizisten Dienst an der ungarisch-serbischen Grenze, über die die meisten Geschleusten kommen. Der ungarische Innenminister Sándor Pintér bereitet deshalb den Bau eines vier Meter hohen Grenzzauns an der 175 Kilometer langen Grenze nach Serbien vor. Anfang Juli trifft sich der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán außerdem mit seinem serbischen Amtskollegen Aleksandar Vučić, um über den Zustrom von Arabern und Afghanen zu sprechen.

Eine andere wichtige Schlepperroute geht über das Mittelmeer nach Italien. Österreichische Medien erwarten, dass die dortige sozialdemokratische Regierung dem ungarischen Beispiel folgen und das Dublin-III-Abkommen ebenfalls aussetzen könnte. Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann glaubt dagegen, dass Italien dieses Abkommen längst "auf italienisch" ausgesetzt hat, indem die Behörden einen Großteil der dort ankommenden Asylbewerber einfach nicht mit Fingerabdrücken registrieren - in der Erwartung, das diese ohnehin nach Deutschland, Schweden und in andere Länder weiterreisen.

Herrmann hat deshalb die so genannte "Schleierfahndung" an der Grenze zu Österreich um 100 Bereitschaftspolizisten verstärkt, die dort ab Juli ihren Dienst leisten. Weitere 400 Beamte sollen im Landesinneren nach ein- und ausreisenden Einbrecherbanden, nach Schleppern und nach Drogenschmugglern fahnden. Der CSU-Politiker sieht in dieser Maßnahme ein Vorbild für andere Bundesländer.

Update: Inzwischen sagte der ungarische Außenminister Péter Szijjártó dem österreichischen Außenminister Sebastian Kurz, dass Ungarn "keine Bestimmung der Europäischen Union aussetzen" werde. Ob dies in der Praxis bedeutet, dass das Land nun doch wieder Rückführungen zulässt, ist noch nicht klar.

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