Unheimliche Arten-Erosion - Aussterbende Schmetterlinge

Aurorafalter (Anthocharis cardamines) (Männchen); Bild: Michael H. Lemmer/ CC BY-SA 2.5

Im Zuge eines weltweiten Artensterbens verschwinden viele Insektenarten, unter ihnen eine Reihe von Schmetterlingen, Indikatoren für den Zustand der Biodiversität und die Gesundheit der Ökosysteme

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Jeder kennt den Schwalbenschwanz und das Tagpfauenauge. Doch wer weiß schon vom Aurorafalter, Landkärtchen und Rotem Ordensband? Und wem ist einmal der blau leuchtende Schillerfalter über den Weg geflogen?

Die Insekten machen zusammen zwei Drittel aller Arten auf dem Planeten aus. Doch weltweit sind viele dieser Arten bedroht. Schmetterlinge sind ein Indikator für den Zustand der Biodiversität und Gesundheit der Ökosysteme. Außerdem lassen sich von ihren Bestandsentwicklungen auch Rückschlüsse auf die Entwicklung anderer Insektenarten ziehen.

Im Mai 2015 veröffentlichte das Bundesamt für Naturschutz (BfN) seinen Artschutzreport, in dem 32.000 Tier- und Pflanzenarten untersucht wurden, die auf der Roten Liste stehen. Das Ergebnis ist ernüchternd: 31 Prozent aller Arten werden als bestandsgefährdet eingestuft, vier Prozent sind ausgestorben. Allein unter den Wirbellosen, zu denen auch Insekten gehören gilt nahezu die Hälfte - 45,8 Prozent - von mehr als 6.000 untersuchten Arten und Unterarten als gefährdet, extrem selten oder verschwunden.

Nicht nur hierzulande, auch europaweit haben sich die Populationen innerhalb von zwei Jahrzehnten um die Hälfte reduziert. Das ist das Ergebnis einer zwanzigjährigen Untersuchung der Europäischen Umweltagentur (EEA), welche im Jahr 2013 unter dem Namen The European Grassland Butterfly Indicator: 1990 - 2011 veröffentlicht wurde.

So wurde in 19 Ländern von insgesamt 17 Arten für acht davon ein signifikanter Rückgang der Populationen und nur bei einer Art ein Anstieg verzeichnet. Bei zwei Arten ist der Trend stabil geblieben, für sechs Arten ist der Trend ungewiss.

Im Jahr 2011 veröffentlichten die Gesellschaft für Schmetterlingsschutz, der NABU und das Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung den europäischen Schmetterlingsatlas "Distribution Atlas of Butterflies in Europe". Darin beschrieben sind 441 europäische Tagfalterarten und ihre derzeitigen Verbreitungsgebiete.

Aurorafalter (Anthocharis cardamines) (Männchen); Bild: Michael H. Lemmer/ CC BY-SA 2.5

Die Herausgeber warnen vor einem allmählichen Aussterben der Tagfalter und fordern die Erhaltung natürlicher Lebensräume, um zerstreute Populationen vernetzen und dauerhaft zu retten zu können. So könne unter den gegenwärtigen Bedingungen zum Beispiel der Aurorafalter bis zum Jahr 2080 über 85 Prozent seines Lebensraumes verlieren.

Mit immerhin 3.300 Arten vertreten die Nachtfalter anteilig mit bis zu 95 Prozent die heimischen Schmetterlingsarten. Weitgehend unbekannt, weil im Dunkeln unterwegs und in erleuchteten Zimmern als störend empfunden, fristen die so genannten "Motten" ein eher unscheinbares Dasein. Nachtfalter ernähren sich vor allem im Sommer und Herbst von fauligen Früchten. Wer sie beobachten will, lockt sie am besten mit einer gärigen Flüssigkeit an.

Einige sind auch am Tage aktiv, wie die metallisch schimmernden Grünwidderchen, die in wärmebegünstigten Trockenrasen und Sandgebieten leben. Viele Nachtfalterarten sind selten geworden und mancherorts stark gefährdet - vor allem bisher häufig vorkommende Nachtfalterarten - wie ein umfassendes Forschungsprogramm belegt.

Relikt aus der Eiszeit - der Feuerfalter

Der kleine, aber wunderschöne Feuerfalter trägt diesen Namen, weil in der Paarungszeit die Flügel des Männchens leuchtend blau schillern. Ansonsten trägt er ein eher orangefarbenes Kleid. Als sich eiszeitliche Gletscher in den Norden zurückzogen, fand er am Rande des Hohen Venn, in der Nähe von Flüssen und Bächen, was er zum Leben braucht: ein luftfeuchtes und kaltes Klima. Er fühlt sich vor allem wohl in Knöterichgesellschaften mit Rasenschmiele und Schlangenknöterich - denn nicht nur seine Larven ernähren sich davon, auch der ausgewachsene Falter bezieht später von der Blüte seinen Nektar.

Großer Feuerfalter. Bild: Jeffdelonge/ CC BY-SA 3.0

Im Rahmen des vierjährigen Life-Projektes der Europäischen Union untersucht Bernhard Theißen den natürlichen Lebensraum des Feuerfalters. Der Biologe zählt die winzigen Eier an den Blattunterseiten, aber auch die gefräßigen Larven, welche in den Blättern markante Spuren hinterlassen. Ein ungestörtes Naturparadies, möchte man meinen, doch auch in der Eiffel bedroht intensive Düngung die Existenz des bunt schillernden Schmetterlings. Optimal für den Feuerfalter sei ein lichter Auenwald mit krautiger Feuchtwiesenvegetation mit Gebüschen, erklärt der Mitarbeiter der Biostation Stolberg gegenüber 3sat.

Zwar ist die Nutzung der Wiesen erwünscht, denn sie dürfen auch nicht verbuschen, aber bitte nur extensiv, unter Erhaltung der vom Schlangenknöterich dominierten Feuchtwiesen. Um dem ursprünglichen Zustand der Feuchtwiesen wieder näher zu kommen, fällt man nun die habitatsfremden Fichten.

Laubwälder und Lichtungen als wertvolle Lebensräume

Mit moderner Forstwirtschaft, bestehend aus Monokulturen mit Kiefern und Fichten, können Schmetterlinge nichts anfangen. Denn jede Art favorisiert ein spezielles Biotop, manche auch mehrere. So kommt der Argusbläuling (Plebeius argus) in zwei Lebensraumtypen vor: die eine besiedelt nährstoffarme Heideflächen, sandige Böschungen und Magerrasen, die andere lebt an Moorrändern.

Doch immer mehr Moore werden trockengelegt, viele Heiden verbuschen. Ohne diese Biotope verschwindet der Bläuling - er steht bereits auf der Roten Liste.

Männlicher Argus-Bläuling. Bild: Martin Albrecht/CC BY-SA 3.0 DE

Der weißfarbene Stachelbeerspanner(Abraxas grossulariata) bevorzugt den lichten Wald mit halbschattigen Wegen, gesäumt von Weiden und Pappeln. Doch in den letzten hundert Jahren gingen die deutschen Auwälder und Flussniederungen um mehr als 80 Prozent zurück. Der weißfarbene Falter wird wegen seines auffälligen Kleides mit den orange-schwarzen Flecken, das ihn vor Fressfeinden schützt, auch Harlekin genannt.

Die Falter, die im Hochsommer nur für wenige Wochen unterwegs sind, legen ihre Eier in kleinen Gruppen an der Unterseite der Blätter von Stachel- oder Johannisbeeren ab, von denen sich später die geschlüpften weißen, schwarz gepunkteten Raupen ernähren, die sich im Winter zwischen den Blättern einspinnen. Früher fand er seine Beerensträucher in zahlreichen Bauerngärten, auch in der Stadt. Später wurde er hier als Schädling bekämpft.

Heute steht er als gefährdete Art auf der Roten Liste. Um auf sein Verschwinden aufmerksam zu machen, erklärte ihn der BUND zum Schmetterling des Jahres 2016. Um ihn zu erhalten, brauche es mehr naturnahe Öko-Bauerngärten, am besten Stachelbeersträucher.

Außer Bienen, Hummeln und Schmetterlingen sind auch zahlreiche Fliegen-, Wanzen- Käferarten gefährdet - genauso wie Heuschrecken, Grillen und Grashüpfer. 2002 veröffentlichte der NABU eine Gefährdungsanalyse der Heuschrecken Deutschlands. Aus ihr geht hervor, dass bereits vor 15 Jahren mehr als 40 Heuschreckenarten im Bestand gefährdet und vier Arten ausgestorben waren.