Uni Bayreuth macht Guttenberg zum Sündenbock

Guttenberg besteht weiterhin auf Fehlverhalten durch Überlastung, die Universität will auch keine Fehler gemacht haben

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Eigentlich ist Guttenberg mittlerweile Vergangenheit, zumal er sich immer lächerlicher macht, weil er nicht zu seiner Verfehlung stehen kann, absichtlich bei seiner Dissertation getäuscht zu haben, und damit einen Schlussstrich zu ziehen. Größe, Souveränität oder Autonomie sieht anders aus, gerade bei einem Menschen, der lange als Ausnahmepolitiker gepriesen wurde.

Der Verdacht wird allerdings durch sein Verhalten genährt, dass vermutlich die Politikerkaste besonders anfällig für Hochstapelei und besonders unfähig ist, Entscheidungen klar und deutlich zu überdenken – die Debatte über den Rückzug aus der Laufzeitverlängerung liefert dafür ebenso ein schönes Beispiel wie die Unfähigkeit der FDP, darin der SPD folgend, wirklich einen personellen und thematischen Neuanfang nicht zu suggerieren, sondern zu vollziehen.

Die Kommission der Universität Bayreuth ist nach ihrer Prüfung zu dem Schluss gekommen, dass "Herr Frhr. zu Guttenberg die Standards guter wissenschaftlicher Praxis evident grob verletzt und hierbei vorsätzlich getäuscht hat". Vorgetäuscht hat der ehemalige Wirtschafts- und Verteidigungsminister von der CSU, dass er Leistungen selber erbracht hat, die er sich aber nur angeeignet hat, ohne dies kenntlich zu machen. Eine andere Beurteilung wäre nach der Offenlegung der vielfachen Plagiate im Internet auch gar nicht möglich gewesen.

Guttenberg will offensichtlich seine Würde wahren, weswegen er sich dagegen wehrt, vorsätzlich oder bewusst getäuscht bzw. betrogen zu haben. Das ist nett gedacht, schließlich menschelt man halt auch als Freiherr, vergisst halt Manches, ist überfordert, steht unter Druck, ist einfach nicht imstande, souverän zu handeln und die Realität zu akzeptieren, also auch schwere Entscheidungen zu treffen. Seinen Doktorvater habe er nicht enttäuschen wollen, aufhören habe er auch nicht können, weil er sich seine Schwäche nicht eingestehen konnte. Diese Schuld mindernden Argumente bringt aber ein Minister im Amt zur Geltung und hält an ihnen auch fest, als er bereits zurückgetreten ist. Die Kommission moniert völlig zu Recht, aber natürlich nur im Hinblick auf die Dissertation, nicht auf die politischen Ämter:

Er hat damit sehenden Auges – gegen die ihm bewusste Einsicht, überfordert zu sein – in Kauf genommen, dass er eine Arbeitsweise gepflegt hat, der die fehlende wissenschaftliche Sorgfalt immanent ist. Wer jahrelang akzeptiert, dass er Sorgfaltsstandards nicht einhält, handelt nicht fahrlässig, sondern vorsätzlich, weil er die Sorgfaltswidrigkeit zum bewussten Arbeitsstil erhebt.

Wenn man nun die Begründung, die er für sein Versagen bei der Dissertation anführt, für seine doch sehr verantwortungsvolle Tätigkeit als Minister, der noch dazu Soldaten im Kriegseinsatz unter sich hatte und eine grundlegende Reform der Bundeswehr und damit der nationalen Sicherheit voranbringen wollte, dann werden seine Ausführungen über seine Unzurechnungsfähigkeit höchst bedenklich. Wer will schon von einem Minister repräsentiert werden, der für sich in Anspruch nimmt, eigentlich schon völlig von Familie und einer Dissertation überfordert zu sein, weswegen man doch auch entschuldigen möge, dass er notwendig Mist gebaut hat:

Aus Sicht von Herrn Frhr. zu Guttenberg handelte es sich, wie er erklärt hat, um eine "ungeordnete Arbeitsweise" mit "gelegentlich chaotische[n] Züge[n]". All dies habe sich über Jahre in einer Situation abgespielt, in der die – durch die Übernahme neuer beruflicher Tätigkeiten bzw. politischer Ämter entstandene – "vielfache Arbeitsbelastung" ihm "teilweise über den Kopf gewachsen" sei.

Aus dem Bericht der Kommission

Wollen wir von Leuten regiert werden, die ihre Arbeitsweise als chaotisch bezeichnen, wodurch sie Fehler rechtfertigen wollen? Und sollen Politiker, deren Arbeitsbelastung ihnen über den Kopf wächst, tatsächlich führende Ämter einnehmen?

Aber die Universität gehorcht auch den üblichen Schemata. Sie macht einen Übeltäter aus, der als Sündenbock geopfert wird, um sich selbst bzw. ihre Vertreter von aller Schuld reinzuwaschen. Damit wird auch von der Universität das Verhalten praktiziert, das sie dem Sündenbock nicht durchgehen lassen will. Betrüger brauchen aber Menschen, die sich betrügen lassen, Hochstapler sind darauf angewiesen, dass ihre Inszenierungen ankommen, Freiherren benötigen Gutachter, die wohlwollend, aber nicht kritisch vorgehen, die selbst ein Interesse daran haben, für einen Betrug eingespannt zu werden, zumal wenn man auch noch die höchste Note ausgibt.

Für die Kommission wurden aber nur die Gutachter getäuscht, Vorwürfe sind ihnen nicht zu machen, Professor Häberle habe sich ja nur vom "pädagogischen Optimismus" leiten lassen, während man ansonsten von der Eigenverantwortung des Doktoranden ausgehen müsse. So kann man intellektuelle Korruption auch verharmlosen und Feigheit gegenüber den eigenen Kollegen demonstrieren. Windelweich wird auch die Benotung von Guttenbergs Abschreibarbeit mit summa cum laude umschifft. Man distanziert sich zwar von der Bewertung, aber es soll vermieden werden, dadurch auf die Universität, die Gutachter oder das Fach einen Rückschluss zu machen. Alles in allem: ein Armutszeugnis. Es ist zu hoffen, dass die Universitäten und Professoren die Uni Bayreuth nicht so einfach durchkommen lassen.