Unionspolitiker gegen weitere Amtszeit von Schulz als Europaparlamentspräsident

Möglicherweise rechnen manche Christdemokraten mit schlechteren Ergebnissen für die SPD, wenn der Rheinländer Kanzlerkandidat wird

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Im Januar 2017 läuft die vereinbarte Amtszeit des SPD-Politikers Martin Schulz als Europapräsident aus. Ein halbes Jahr vorher haben mehrere führende Unionspolitiker betont, sie seien gegen eine erneute Präsidentschaft des Rheinländers, die dieser Gerüchten zufolge anstreben soll.

Informationen der Tageszeitung der Die Welt zufolge beschloss das CDU-Präsidium diese Woche, Schulz dabei nicht zu unterstützen. Die rheinland-pfälzische CDU-Landesvorsitzende Julia Klöckner sagte der Zeitung, es gebe in der faktischen großen Koalition aus Sozial- und Christdemokraten im Europaparlament "eine Absprache, dass es zum Wechsel nach seiner Amtszeit kommt" und da sie Schulz für einen "Ehrenmann" halte, gehe sie "davon aus, dass er sich an seine selbst getätigten Zusagen hält." Auch Gerda Hasselfeldt, die Landesgruppenführerin der CSU im Bundestag, sprach von einer "unmissverständliche Vereinbarung", die vorsehe, dass den Posten im Januar 2017 ein Christdemokrat aus der EVP-Fraktion übernimmt.

Es muss nicht immer ein Deutscher sein

Wen die Christdemokraten als Nachfolger für Schulz präsentieren, ist noch nicht klar. Ein offensichtlicher Kandidat zeichnet sich bislang nicht ab. Möglich ist, dass man die deutsche Übermacht etwas abmildert und einen Kandidaten aus einem anderen Land vorschlägt. Der EVP-Fraktion gehören neben CDU (29 Europaabgeordnete) und CSU (5) auch die französische Sarkozy-Partei Les Républicains (19), die polnische Platforma Obywatelska (19), die spanische Partido Popular von Ministerpräsident Rajoy (16), die italienischen Parteien Forza Italia (11) und Nuovo Centrodestra (3), die ungarischen Parteien Fidesz (10) und KDNP (2), die rumänischen Parteien PNL (8), UDMR (2) und PMP (1), die portugiesischen Parteien PSD (6) und CDS-PP (1), die bulgarischen Parteien GERB (6) und DSB (1), die griechische Nea Dimokratia (5), der niederländische CDA (5), die Österreichische Volkspartei (5), die irische Fine Gael (4), die kroatischen Parteien HDZ (4) und HSS (1), die lettische Vienotība (4), die tschechischen Parteien TOP09 (4) und KDU-ČSL (3), die schwedischen Parteien Moderata Samlingspartiet (3) und Kristdemokraterna (1), die finnische KKS (3), die slowenische SDS (3), die slowakischen Parteien KDH (3), SDKÚ-DS (1) und Most-Híd (1), das wallonische CDH (2), die flämische CDV (2), die litauische TS-LKD (2), die maltesische PN (2), die zypriotische DISY (2), die slowakisch-ungarische SMK-MKP (1), die katalanische UDC (1), die dänische Konservative Folkeparti (1) und die estnische IRPL (1) an. Dass ein Fidesz-Abgeordneter Kommissionspräsident wird, ist allerdings wegen des gespannten Verhältnisses der ungarischen Regierung Orbán mit der EU-Kommission und der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel als unwahrscheinlich. Ähnliches gilt für die Abgeordneten der Forza Italia.

Hintergedanken auf Bundesebene

Vielleicht hat die CDU aber nicht nur die europäische Ebene im Auge, sondern auch die Bundesebene: Dort hofft mancher Christdemokrat möglicherweise, dass die SPD der Versuchung erliegt, Schulz zum Kanzlerkandidaten für die Bundestagswahl im Herbst 2017 zu machen, wenn sie ihn in Brüssel nicht mehr seinen Vorstellungen entsprechend unterbringt - und dass die Sozialdemokraten dann noch etwas schlechter abschneiden als mit Sigmar Gabriel.

Tatsächlich ist fraglich, ob Schulz auch außerhalb sozialdemokratischer Funktionärsblasen gut ankommt: Seine Reden strotzen vor Pathos und er wirkt humorlos und oberlehrerhaft - ein wenig wie Rudolf Scharping, mit dem die SPD bei der Bundestagswahl 1994 ein Desaster erlebte.

Dass die SPD bei der letzten Europawahl, bei der sie mit Schulz warb, mit 27,3 Prozent 6,4 Prozent über dem Ergebnis der Europawahl davor lag, führen Beobachter unter anderem darauf zurück, dass die Partei den deutschen Wählern in Aussicht stellte, im Falle eines Wahlsieges werde mit Martin Schulz ein Deutscher - und kein Luxemburger - Präsident der EU-Kommission.

Verheerendes Image in anderen EU-Ländern

In vielen der anderen 27 EU-Staaten scheint der Kandidat Schulz allerdings eine genau umgekehrte Wirkung entfaltet zu haben: Dort verloren sozialdemokratische Parteien stark. In Irland sank der Stimmenanteil der Labour-Partei beispielsweise um mehr als die Hälfte.

Nigel Farage vs. Martin Schulz

Bereits fünf Jahre zuvor waren in der sozialdemokratischen Fraktion Stimmen laut geworden, die forderten, dass man nach den verheerenden Verlusten bei der Europaparlamentswahl 2009 keineswegs so weitermachen dürfe wie bisher und dass man Schulz, mit dem so eine Politik nicht möglich schien, ersetzt. Dass der Rheinländer seinen Posten als sozialdemokratischer Fraktionsführer damals behielt und später sogar EU-Parlamentspräsident wurde, hat er Beobachtern zufolge nicht zuletzt einer von ihm mit durchgesetzten Altfallregelung für EU-Parlamentarier zu verdanken, mit der sie Familienmitglieder formell als Assistenten auf Steuerzahlerkosten beschäftigten und das monatliche Einkommen um bis zu 15.496 Euro mehren konnten.

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