Unter Clinton wurden falsche Weichen gestellt

Pladöyer für die Wiedereinführung des Trennbankensystems in den USA

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Herausgeber des Wallstreetcockpit (www.wallstreetcockpit.com)

Der aktuelle Versuch von Großbanken, ihre wahren Verluste aus der Hypothekenkrise zu verschleiern, erinnern stark an die Versuche des gestrauchelten Energiegiganten Enron, seine faulen Bilanzen zu frisieren. Clever ist dies nicht, denn die einzige Strategie, aus dem aktuellen Dilemma zu entkommen, wäre eine ehrliche Aufstellung aller Verbindlichkeiten.

Dass etwas mit den Bilanzen nicht stimmen kann, zeigen nicht nur die Kapitalerhöhungen und ausländische Fremdinvestoren, die vielen Großbanken zur Hilfe kommen mussten, sondern auch die inflationstreibenden Aktivitäten der amerikanischen Notenbank, die durch ihre Zinspolitik nicht die Ursachen, sondern nur die Symptome einer krankhaften Blase bekämpft.

Das Ignorieren von faulen Schulden und das Verschieben der Verluste in die Zukunft waren Hauptgründe für den Niedergang der japanischen Ökonomie in den 90er Jahren. Basel II, welches Banken erlaubt, ihre eigenen Risiko-Modelle zu fahren, anstatt auf die externe Bewertung der Kreditwürdigkeit zu vertrauen, hat in den letzten Wochen grundlegend versagt. Der Konkurs von Bear Stearns hat aufgezeigt, dass es nicht ausreicht, regulative Anforderungen zu erfüllen, um zu überleben (Fed rettet Bear Sterns). Es scheint offensichtlich, dass viele Banken und Hypothekenfirmen versuchen, sich durch Finanzmanipulationen, noch einige Monate länger über Wasser zu halten. Doch hätte es so weit kommen müssen?

Die im Zuge des US-Immobilienbooms gewährten Kredite wurden gebündelt und auf dem Verbriefungsmarkt gehandelt (Asset Backed Securities). Dabei sind vielfach sehr komplexe Produkte entstanden, deren Risikostruktur von den Banken absichtlich intransparent gehalten wurde. Es zeigte sich jedoch, dass die Handelbarkeit und Streuung von Kreditrisiken offenbar nur dann die Stabilität des Finanzsystems verbessert, wenn die unterliegenden Qualitätsstandards hoch und transparent sind.

Das Universalbankensystem hat jedoch hier nicht zu einer erhöhten Transparenz, sondern zur Verschleierung der wahren Verhältnisse beigetragen. Es entsteht der Eindruck, dass die heute betroffenen Banken entweder selbst kaum über eine realistische Einschätzung der Risiken verfügen oder aber notwendige Informationen nur sehr zögerlich bereitstellen. Es fehlt heute nicht nur an leistungsfähigen Frühwarnsystemen, sondern vor allem an einer Regulierung der Marktteilnehmer, wie sie das frühere Trennbankensystem in den USA ermöglichte. Wie bei der Asienkrise 1997/98 im asiatischen Raum ist auch die aktuelle Krise 2007/2008 auf maßlose Investitionen, exzessive Kreditaufnahme (Carry Trades in Fremdwährung), hohe Handelsbilanzdefizite und eine fehlende Finanzmarktstruktur in den USA zurückzuführen.

Deshalb muss der "Glass Steagall Act", der eine Trennung von Investmentbanken und Geschäftsbanken vorsah, wieder eingeführt werden. Dessen Aushebelung durch Bill Clinton im Jahre 1999 hat das immense Leverage bei Finanzprodukten der letzten Jahre und somit den Housing-Bubble erst ermöglicht. Das Aufheben des Gesetzes führte dazu, dass die Hedge Fond Industrie sowie der Hypothekenmarkt für kaum kreditwürdige Schuldner völlig außer Kontrolle geriet.

Beim Glass-Steagall Act handelt es sich um zwei Bundesgesetze der USA. Das erste Gesetz wurde am 27. Februar 1932 von Präsident Herbert Hoover erlassen und diente der Eindämmung der Inflation während der Großen Depression. In diesem wurde auch der Goldstandard vorgeschrieben. Das zweite Gesetz wurde am 16. Juni 1933 von Präsident Franklin D. Roosevelt erlassen, um die Risiken der Banken zu begrenzen und diese vor riskanten Spekulationen zu schützen. Hierzu wurde die Trennung von Geschäftsbanken und Investmentbanken angeordnet.

Die Aufgabe des Trennbankensystems führte jedoch nicht nur zum Zusammenbruch des amerikanischen Immobilienmarktes, sondern vor allem zur so genannten Finanzialisierung, d.h. zu einer völlig neuen Form des Kapitalismus, in dem die Banken versucht haben den Rest der Ökonomie zu dominieren. Die Aufgabe des Trennbankensystems in den USA legte hierbei den Grundstein für Finanzmanipulationen und die Erhöhung des Risikos durch Hebelprodukte durch die Investmentbanker. Dadurch wurde eine Finanzoligarchie geschaffen, die durch die Vernetzung des Massengeschäfts, des Investment Banking, des Hypothekensektors, der Unternehmen, der Notenbanken sowie der Finanzmedien und sogar des Finanzministers Paulson, dem früheren Vorstand von Goldman Sachs, eine Machtansammlung bot, wie sie seit der Zeit des römischen Imperiums nicht mehr gesehen wurde. Mit der Aufhebung des Gesetzes konnten finanzielle Supermärkte wie die Citigroup, UBS, Deutsche Bank und viele andere ihre Spekulationsspiele im ungeahnten Maßstab erweitern. Anstatt Vielfalt setzten plötzlich alle Marktteilnehmer auf die gleichen Wetten, nämlich marode verbriefte Hypotheken.

Mit dem Kollaps dieses Marktes war es klar, dass diejenigen Banken, die alles auf eine Karte gesetzt hatten, massiv unter die Räder kommen mussten. Dies führte zu einem „Monster“, wie es der deutsche Bundespräsident Horst Köhler ausdrückte, das nicht mehr zu kontrollieren war. Die Komplexität und die Hebel der neuen Finanzinstrumente, verbunden mit irrationalen Gehältern für das Eingehen von Risiken, erzeugten ein Umfeld der ausufernden Kreditexpansion, welches zu einem Bubble ungeheuerlichen Ausmaßes heranreifte.

Sollte letztendlich noch der amerikanische Bond-Bubble platzen, wäre eine Weltwirtschaftskrise die unausweichliche Folge. Dies kann jedoch noch verhindert werden. Das schmale Zeitfenster zur Zurückgewinnung des Vertrauens sollte genutzt werden, in dem das Trennbankensystem sofort wieder eingeführt wird. Viele Großbanken werden sich sowieso von ihren maroden Kreditgeschäften trennen müssen. Der Gesetzgeber kann hier als Katalysator wirken, damit dies so schnell wie möglich geschieht. Wenn George Soros sagt, dass die Exzesse der Kreditexpansion jetzt nur durch eine Kreditkontraktion gestoppt werden können, so argumentiert er im Einklang mit Paul Volcker, dem ehemaligen Notenbankpräsidenten, der es als verwerflich erachtet, wenn die Notenbank, miss-gemanagte Banken vor dem Ruin bewahren will. Rezessionen sind etwas Natürliches, das Notenbanken nicht bekämpfen sollten, denn letztendlich führen diese Kontraktionsphasen der Wirtschaft zu Reinigungsprozessen der kreativen Zerstörung, wie es der Ökonom Schumpeter nannte, die notwendig sind, um vorherige Exzesse wieder aufzulösen.

Artur P. Schmidt ist Herausgeber des Wallstreetcockpit.