Unter dem Fluch des Prävidismus

Science Fiction, Künstliches Leben und die Möglichkeit der Voraussage.

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Schon ziemlich lange ist es her, als ich bemerkte, daß die Skala der imaginären belletristischen Leistungsfähigkeit in einem bedeutenden Grade von der Leistungsfähigkeit des Vorhersehens ganz unabhängig sein kann. Man kann, anders gesagt, richtige Voraussagen in literarisch erbärmlichen Werken (et vice versa) verstecken. Ein paar konkrete Beispiele kann ich mit Leichtigkeit nennen.

Tierra von Tom Ray

Vom literarischen Wert der Vorhersage

Die "rote Utopie" in der von mir geschriebenen MAGELLANS WOLKE - ein Buch, das ich nota bene weder in Polen noch im Ausland mehr zu veröffentlichen gestatte, weil es eine "Utopie des Kommunismus" ist - enthält mindestens zwei Arten der Voraussagen, die sich vierzig Jahre später verwirklicht haben. Was heute "data base" genannt wird und hauptsächlich eine Sammlung von bestimmten Informationen für unterschiedlichen Experten oder "Netzsurfer" darstellt, nannte ich in "Magellans Wolke" "Trionen". Die sogenannte "Videoplastik" aus der WOLKE ist hingegen die Antizipation der "virtuellen Realität": Obwohl meine Austrontauten in einem Raumschiff eingeschlossen sind, können sie den Eindruck erhalten, sich in einem Dschungel oder am Meer zu befinden.

Und in der Erzählung "Topolny und Donnerstag", die noch stärker dem sozialistischen Realismus entspricht und sich in dem Band SESAM finden läßt, der voll von anderen schlechten Kurzgeschichten ist, weswegen ich auch dessen Neuauflage nicht erlaube, spricht man von superschweren Elementen, die nicht der Uran-Gruppe angehören, und von der Methode, mit der sich von schwereren Nukleiden als Uran oder Tor, die mit großer Geschwindigkeit zerfallen, also kurzlebig sind, zu Elementen "überspringen" lassen könnte, deren Synthese die Beständigkeit des Seins offenbaren, da ihre Kerne dem spontanen Zerfall nicht unterliegen. Ich wiederhole, die Erzählung ist miserabel, aber von solchen Elementen, als vom Ziel der nuklearen Synthesen, sprechen jetzt schon die Physiker.

Mit solcher Art von Prognosen, die einen manchmal wesentlichen Teil des narrativen Skeletts der belletristischen Erzählung darstellen, hatte ich Schwierigkeiten, als ich die "Philosophie des Zufalls", ein Buch über die Literaturtheorie, schrieb. Und ich hatte vor allem deshalb so große Schwierigkeiten, weil man nicht weiß, ob und wie der außerkünstlerische und dadurch auch außerliterarische Wert von richtigen Voraussagen in einer "falschen" und eigentlich schlechten Erzählung zu beurteilen wäre. Wenn man einfach eine "gewöhnliche Prognose" entwirft, die von den für die "Schöne Literatur" gültigen Ansprüchen frei ist, stößt man nicht auf solche Hindernisse und Scheidewege: Entweder erweist sich die futurologische Hypothese als richtig (oder halbrichtig) oder sie ist einfach nichts wert. Dagegen weiß man nicht, ob der prognostische Beitrag in einem literarischen Werk einen eigenen Wert darstellt, der von der künstlerischen Qualität vollständig oder teilweise unabhängig ist. Die Frage kann man selbstverständlich so erweitern, daß man überlegt, ob die Erzählung (meist aus der Gattung der Science Fiction) einen voraussagenden oder auch epistemologischen Wert hat oder nicht.

Man muß nebenbei und fast subversiv anmerken, daß die exakten Wissenschaften auf einer ziemlich breiten Front jetzt gerade in einen Bereich eingetreten sind, in dem die veröffentlichten neueren Hypothesen oft von der empirischen Überprüfung (der "Falsifizierung" im Popperschen Sinne) immer weniger abhängig (oder überhaupt unabhängig), sind und sie sich so gewissermaßen an die bisher ausschließlich der SCIENCE FICTION zugehörigen Bereiche zu nähern beginnen. Ich sage nicht, daß das gut ist, und behaupte nicht, daß es schlecht ist. Diesen Trend habe ich mir auch nicht selbst ausgedacht. Das Problem hat gleichzeitig einen epistemologischen und philosophischen Aspekt aus den Bereichen der Wissenschaftsphilosophie und der nicht normativen Ästhetik. Vorerst kenne ich die Antwort einfach nicht.

Das Problem verhält sich etwa so: Wenn wir es mit einem mäßigen Werk zu tun haben, das eine bewährte prognostische Füllung beinhaltet, dann ist es so, als ob wir eine zwar verfaulte und zum Verzehr nicht geeignete Frucht in die Hand nehmen würden, die jedoch einen Kern enthält, und es sich herausstellt, daß eine vorzügliche Mandel darin versteckt ist.

Prognosen in der Fiktion und in der Wissenschaft

Eine Intelligenzbestie, ein amerikanischer Kritiker weiblichen Geschlechts, bemerkte in einer Rezension über "Lem" eine Ähnlichkeit der Vorstellungen, auf die sich das Buch "Zufall und Notwendigkeit" des Nobelpreisträgers Jacques Monod stützt, mit denjenigen, die in meinem Werk vorkommen. Weil man aber "Lem" nicht mit einem französischen Nobelpreisträger gleichsetzen kann, fügte sie eilig hinzu, daß die Ähnlichkeit der in beiden Fällen so gleichartig aufgebauten Vorhersage, die sich in beiden Fällen auf die Grundlagen der modernen Theorie der natürlichen Evolution des Lebens auf der Erde stützt, zu der auch Ilya Progogine einen Beitrag geleistet hat, nicht die Folge eines zufälligen Parallelismus der Gedanken von Monod und irgendeines Lem sein kann. Ad hoc hat sie deswegen die zusätzliche Mutmaßung aufgestellt, daß sich entweder Lem bereits vor dem Schreiben (avant la lettre) mit den Artikeln bekannt gemacht hat, die von Monod in der französischen wissenschaftlichen Presse publiziert worden sind, oder daß Lem seine Inspiration einer Korrespondenz mit Monod selbst verdankt. Das wäre sicherlich für mich eine außergewöhnliche, vielleicht auch übermäßige Ehre, aber ich habe weder in der Presse noch in Briefen etwas darüber gelesen, sondern einfach nur erfunden, was ich erfunden habe.

Ich verstehe sehr gut, daß meine Treffsicherheit der Prognostizierung nerven oder aufregen kann und sogar soll, insbesondere die humanistischen Kritiker, denen einfach die Kompetenz für die Quellen in diesem bibliographischen Bereich fehlt, über den ich schreibe und den es auf der Welt überhaupt noch nicht gibt. Über die Wissenschaftler weiß ich weniger. Also werde ich in ihre Territorien vorerst nicht vordringen.

Jedenfalls kamen nach der Phantomatik (= virtual reality) und nach dem Internet die ersten vorläufigen, aber doch realen Vorboten von etwas ganz Anderem zum Vorschein, das ich kurz und vorläufig als Evolution der sich selbstreplizierenden, rein informatischen (momentan digitalen) Computer-Internsysteme bezeichne - oder anders, im gegenwärtigen Slang gesagt: Es sind die im CYBERSPACE entstandenen Programme, die zur Selbstreplizierung fähig sind. Die nächste Etappe, die aber noch in digitalen Kinderschuhen steckt, ist die INTERNE COMPUTEREVOLUTION. Damit meine ich nicht die digitale Imitation der natürlichen biologischen Evolution, sondern ihre im CYBERSPACE weitergehende Entwicklung, von der man noch nicht weiß, wie sie und wohin sie gehen wird. Man kann, was ich über das INTERNET angekündigt habe, in "Golem XIV" (herausgegeben 1973 vom Verlag Wydawnictwo Literackie, dt. in "Imaginäre Größe", Frankfurt a. M., 1976) lesen. Auf der Seite 117 der deutschen Ausgabe steht folgendes Fragment, das ich wörtlich zitiere:

"Bislang hatte man jede Computergeneration real gebaut; der Gedanke, ihre verschiedenen Varianten mit der riesigen - tausendfachen! - Beschleunigung zu konstruieren, ließ sich, obwohl er bekannt war, nicht verwirklichen, denn die vorhandenen Computer, die als 'Matritzen' oder auch als 'synthetisches Milieu' dieser Evolution des Verstandes dienen sollten, verfügten über kein ausreichendes Volumen. Erst die Entstehung eines bundesstaatlichen Informationsnetzes gestattete es, diese Idee in die Wirklichkeit umzusetzen. Die Entwicklung der 65 nachfolgenden Generationen währte kaum ein Jahrzehnt; das Bundesnetz produzierte in den Nachtschichten - den Perioden minimaler Belastung - am laufenden Band 'künstliche Verstandesgattungen'; das war eine in der 'Computergenese' 'beschleunigte' Nachkommenschaft, denn sie reifte heran, indem sie mit Symbolen, also immateriellen Strukturen, in das Informationssubstrat, das 'Nährmilieu' des Netzes, eingenistet wurde." Ende des Zitats.

Leben in Silikon

Thomas Ray in Telepolis: Netlife - ein Dschungel im Internet
Künstliches Leben

Was also hat sich ereignet, daß ich es wage, über die nächste Verwirklichung meiner bloßen "Science-Fiction-Prognose" zu sprechen? Es ist etwas geschehen, worüber zum Beispiel der NEW SCIENTIST vom 18. Juni 1996 in einem Artikel "A LIFE IN SILICON" berichtet hat. Die Rede ist von einem Team, das sich Tierra Working Group nennt, an deren Spitze Thomas Ray steht, und die Aufgabe, die sich das Team gestellt hat, beschreiben die Worte: "Letzten Monat hat ein Evolutionsbiologe, der mit einer Gruppe von Computerwissenschaftlern zusammenarbeitet, ein Universum geschaffen." Es ist ein nicht auf Eiweiß und auf Kohleatomen gestütztes Universum, sondern "ein großes, leeres Ökosystem", das in keinem, nicht einmal dem größtem Parallelcomputer Platz finden könnte, sondern dessen "Geburtsort" der CYBERSPACE in den Netzen des Internet ist.

Bereits 1990 hat Tom Ray, ein Biologe, der das Programmieren von Computern lernte, ein "Universum kleiner Lebewesen konstruiert, das sich in erstaunlicher Vielfalt evolutionär entwickelte und in dem Parasiten, Immunitäten und sogar soziale Interaktion entstanden sind." Darüber hatte der NEW SCIENTIST unter dem Titel "Life and death in a digital world" schon am 22. Februar 1992 geschrieben. Ich war jedoch noch vorsichtig, weil mich das Gefühl quälte, daß eine Prophezeiung mit solcher Wirksamkeit irgendwie von schlechtem Geschmack zeugen und führende einheimische Kritiker auf mich hetzen könnte. Man hat gerade jedoch in Deutschland das an der Essener Universität entstandene Buch eines Wissenschaftsphilosophen "LEMS's Golem" veröffentlicht und im Suhrkamp Verlag wurde die "Entdeckung der Virtualität" eines anderen Autors herausgegeben. Ich konnte mich mit meinen Prognosen nicht weiterhin im Busch verstecken, obwohl man dort in aller Ruhe sitzen konnte.

Heute haben sich die Chancen für die Weiterentwicklung der digitalen Evolution erheblich vergrößert und beschleunigt, da, wie wieder NEW SCIENTIST schreibt, Thomas Ray es verstanden hat, daß die durch das Internet vernetzten Tausende, ja sogar Millionen von Computern "ein genügend großes und divergentes Universum" für die Evolution der informatischen Kreaturen bieten. Es geht um die Bildung von numerischen Analoga von Variation und Konkurrenz, den zwillingshaften Antrieben der Evolution. Um weiter zu gehen, selbstverständlich nicht zu irgendeinem "Golem", sondern zu immer noch elementareren "Falsifikaten des molekularen Lebens", läuft das Programm TIERRA als in der Programmiersprache "C" geschriebener "VIRTUELLER Computer" im Inneren des "Gastgeber-Computers". Auf diese Weise, wie dies Joe Flower der Leiter des "The Change Project" aus Kalifornien und der Verfasser des Artikels im New Scientist ausdrückte, wird die "primordiale Siliziumsuppe" von bestimmten Funktionen des "Wirtcomputers" separiert. Gott sei Dank bin ich hier bereits zu dem "virtuellen Computer" gelangt und dadurch befand ich mich gleich am Anfang jenes Weges, der am weiten Horizont mein Schreiben zu "Golem" führte.

Man muß wissen, daß die informatische Evolution in der heutigen einleitenden Etappe KEINE materielle, beispielsweise keine auf chemischen Molekülen basierende Evolution darstellt. Es gibt in der Cyberspace-Umwelt nichts außer Einsern und Nullen. Aus ihnen werden wie aus Kodonen "Organismen" gebildet. Das ist so ähnlich wie leider auch in meinem Text "Non Serviam" aus dem Buch "Absolute Leere", in dem "mathematische, da digital durch Mathematik geschaffene Wesen" vorkommen, deren theologischer Diskussion mein fiktiver Held Professor Dopp belauschte. Die "COMMAND PERFORMANCE" der Evolutionsprogarmme des TIERRA ist in der Fachliteratur zu finden. In dem konfigurativen, dimensionsfreien, also nicht metrischen, sondern eher topologischen Raum (die Topologie ist ein abstrakter Zweig der Geometrie, die Algebra dagegen kann ein Derivat - eine Entsprechung - der bestimmten Arten der Topologie sein) entstehen "kleine Einzelprogramme", so etwas wie "Urtierchen", die den Befehlen des Programms gehorchen.

Einige unterliegen der Mutation, indem sie stochastisch Einsen und Nullen verschieben oder sogar einen Teil des "Lebewesens" "transplantieren". Dadurch entsteht die Vielfältigkeit: die erste der zwei "Antriebe" der Evolution. Viele Mutationen bringen keine bedeutenden Unterschiede zustande, aber bei einigen entwickelt sich Neues. Auf diese Weise können Kopien der "Urtierchen", d.h. identische oder nicht-identische Repliken entstehen. Wenn die Kapazität des "Wirtraumes" erschöpft ist, schaltet das System den "Schnitter" ("reaper") ein, der die ältesten und "fehlerhaftesten" Lebewesen tötet. Auf diese Weise entsteht Raum für "neugeborene" Programme und erscheint auch der Wettkampf auf der Bühne. Die Evolution besitzt also bereits die beiden "unerläßlichen Antriebe" und kann weiter voranschreiten. Wohin sie sich entwickelt, weiß man noch nicht, da es sich nicht um die Ebene der Protokaryonten ist, sondern anscheinend eine frühere handelt. Mit Sicherheit ist es auch keine "Bioevolution", sondern "nur" ihr "informatischer Schatten", eine rein digitale Form der Evolution.

An dieser Stelle kommen in dem Artikel die Worte vor: "Mit dem Betriebssystem TIERRA erwerben die Menschen eine gottähnliche Macht." Ähnliche Worte kann man auch in "NON Serviam" finden (Programme in meiner Erzählung heißen "BAAL 66, CREAN IV, JAHVE 09"):

"Zuerst wird der Maschinenspeicher mit einem minimalen Datensatz ausgestattet, das heißt - um im Bereich der für Laien verständlichen Sprache zu bleiben - dieser Speicher wird mit "mathematischer" Materie aufgeladen. Diese Materie ist das Protoplasma des "lebendigen" Universums und der jetzt noch nicht existierenden "Personoiden". Lebewesen, die auf diese maschinelle, digitale Welt kommen und die in ihr, und nur in ihr, leben werden, können wir eine Umwelt mit unendlich vielen Eigenschaften geben. Demnach müssen sich diese Wesen nicht im physischen Sinne gefangen fühlen, da die Umgebung aus ihrer Sicht keine Grenzen besitzt.
Diese Umwelt hat eine Dimension, die der uns gegebenen sehr ähnelt: nämlich die Dimension der Zeit (der Fortdauer). Diese Zeit ist mit unserer nicht einfach analog, weil das Tempo ihres Vergehens der Kontrolle seitens des Versuchsleiters unterliegt. In der Regel wird das Tempo in der Anfangsphase (dem sogenannten "Beginn der Weltschöpfung") maximiert, so daß unseren Minuten ganze Äonen entsprechen, währenddessen es zu einer Reihe von Reorganisationen des synthetischen "Weltalls" kommt. Es ist ein völlig dimensionsloser Kosmos, obwohl er über Dimensionen verfügt. Aber sie haben einen rein mathematischen, also objektiv gesehen, einen so gut wie "imaginären" Charakter. Diese Dimensionen sind einfach gewisse Konsequenzen der axiomatischen Hypothesen, von denen ihre Anzahl abhängt. Sollte der Versuchsleiter sich zum Beispiel für 10-D entscheiden, wird dies für die Struktur des Schöpfung ganz andere Konsequenzen haben, als wenn nur 6 Dimensionen gewählt werden. Man muß vielleicht mit Nachdruck wiederholen, daß sie nicht mit den Dimensionen des physischen Raumes, sondern nur mit den abstrakten, logisch richtigen Konstrukten verwandt sind, welche die mathematische Systemschöpfung verwendet ... Die so entstandene Welt ist aus Mathematik gebaut, obwohl die Grundlage dieser Mathematik gewöhnliche und ganz physische Objekte sind (Relais, Prozessoren, mit einem Wort: das ganze riesige Digitalnetz..)".

Ich muß das Zitat abschließen, weil durch das, was vom Programm TIERRA und seinen digitalen Lebewesen realisiert wurde, der Weg zu "Golem" noch unerhört lang ist, wenn auch die Richtung durch diesen Beginn schon festgelegt wurde.

Der lange Weg bis zum Künstlichen Leben

Von dem Abstand, der die "Urtierchen" der TIERRA-Programme von irgendwelchen Geschöpfen trennt, deren Komplexität des Körperbaus und deren Pseudolebensfunktionen auch nur ein wenig an biologische Geschöpfe erinnern, legen die folgenden Ergebnisse der weltweiten Forschung der modernen Genetik Zeugnis ab.

Die Erbsubstanz der HEFE wurde genau dechiffriert. Das Genom einer HEFE-Zelle besteht aus 6000 Genen, und diese Gene wiederum bestehen aus zwölf Millionen und einhunderttausend einzelnen Paaren der Nukleotidenbasen (bei einem Menschen gibt es trotz der noch immer bestehenden Ungenauigkeit 70.000 Gene und drei Milliarden von Nukleotiden-Bausteine).

Der Weg IST folglich weit, aber ich sah in der Fortschrittsprognose für die Biologie im 21. Jahrhundert, die ich die Polnische Akademie der Wissenschaften kurz vor der Ausrufung des "Kriegszustandes" geschrieben habe, eine Realisierungsmöglichkeit für nicht-mathematische Analoga der Evolution vor. Gemeint waren nicht mehr Analoga der "natürlichen Evolution", sondern einer solchen, deren Steuermann und Konstrukteur der Mensch sein wird, der in der Umwelt mit "biologisch toter" oder "andersartig lebendiger" Materie arbeitet, weil sie nicht auf Eiweiß und nicht unbedingt auf Gebilden aus Kohle basiert.

Übergänge aus der Literatur mit den physiognomischen Merkmalen der Phantastik in abgelegene Bereiche völlig realer Fortschritte der Biotechnik und der Informatik sind eigenartige Phänomene. Mein Werk hat solche Eigenschaften, aber sie sind kein Ergebnis meiner Intentionen beim Schreiben und auch kein Geschenk des Himmels oder verketteter Zufallsereignisse, wie es z.B. vier genau verteilte Farben in den Händen von Bridge-Spielern trotz des sorgfältigsten zufälligen Kartenmischens sind. Es ist einfach so - und mir scheint, daß man mich für einen solchen Sachverhalt weder tadeln noch besonders loben sollte, weil ich seit ungefähr 50 Jahren das schreibe, was ich schreibe. Ich mache das nicht ad usum delphini, sondern schreibe einfach, was mich interessiert und was mir des Schreibens wert zu sein scheint. Es hat aber weniger einen Wert der Vorhersage, weil ich mit keinen Willensakten oder gar mit einer prophetischen Inspiration in die Zukunft schauen kann.

Geschrieben im Juli 1996
Aus dem Polnischen von Ryszard Krolicki